
Deutschlands neue Grenzkontrollen gehen in die dritte Woche – immer noch ist das tatsächliche Ausmaß der Maßnahme nicht wirklich greifbar. Was greifbar ist, ist der zu erwartende Flüchtlingsansturm auf die europäischen Außengrenzen, dem sich Europa und vor allem das Hauptaufnahmeland Deutschland gegenübersieht: Laut der EU-Asylagentur EUAA ist die Zahl der Ankünfte in Italien aus Libyen Anfang Mai in der dritten Woche hintereinander stark angestiegen. Ende April kamen binnen einer Woche 2354 Personen in Italien an. Die Einschätzung der EU-Kommission: „Der Anstieg der Ankünfte, der wahrscheinlich in den verbesserten Wetterbedingungen und den verschlechterten Zuständen in den Transitländern begründet ist, könnte sich fortsetzen.“Die Union will darauf reagieren. Wie Welt berichtet, haben sich mehrere hochrangige Unionspolitiker nun dafür ausgesprochen, die eingeführten strengeren Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen bis auf Weiteres unbefristet beizubehalten. Eigentlich war aus der Union mehrfach betont worden, die Maßnahmen würden nur einige Zeit so erfolgen, wie sie es derzeit tun.
„Der Kontrolldruck an den deutschen Grenzen muss so lange aufrechterhalten werden, wie der Migrationsdruck anhält. Das gilt erst recht, falls die irreguläre Migration in der nächsten Zeit wieder zunimmt“, sagte so etwa der CDU-Ministerpräsident von Hessen, Boris Rhein, bei der Welt am Sonntag. Auch der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, erklärte der Zeitung: „Die Grenzkontrollen einschließlich der Zurückweisungen müssen auf unabsehbare Zeit stattfinden.“ Dies würde im Einklang mit dem Koalitionsvertrag stehen. Dort sei allein vereinbart worden, die Kontrollen so lange aufrechtzuerhalten, bis in der EU die Dublin-Regeln oder eine Nachfolgeregelung erfüllt werden kann.
Während in der Union die neuen Grenzkontrollen viel Lob finden, trüben erste Zahlen das Bild von einem wirklichen Realitätswechsel an der deutschen Grenze: So zeigen Zahlen, die dem Spiegel vorlagen, dass die Kontrollen nur im kleinen Maßstab Wirkung zeigen: Nur wenige Prozent der Asylsuchenden konnten demnach tatsächlich an der Grenze zurückgewiesen werden. So hat sich die Zahl der gegenüber der Bundespolizei geäußerten Asylgesuche in der Woche vor und nach der Einführung der neuen Kontrollen kaum geändert: So wurden nur 2,1 Prozent der Asylsuchenden tatsächlich abgewiesen (Apollo News berichtete ausführlich).
Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist also bereits fraglich – die Machbarkeit erst recht. So hatte diese Woche schon die Gewerkschaft der Polizei (GdP) angemerkt, dass es für sie nicht möglich sei, Deutschland über längere Zeit an seinen Grenzen vollumfänglich zu überwachen. Schon das jetzige Auftragsvolumen belaste die Bundespolizei sehr: „Das schaffen wir nur, weil Dienstpläne umgestellt wurden, die Fortbildungen der Einheiten aktuell auf Eis liegen und derzeit der Abbau von Überstunden gestoppt ist“, sagte Andreas Roßkopf, der Vorsitzende der Bundespolizei in der GdP bei der Funke Mediengruppe. „Klar ist: Die intensiven Kontrollen kann die Polizei nur noch einige Wochen aufrechterhalten“, hieß es zu Beginn der Woche.