
Die Universität Hamburg prüft Hinweise auf mögliches wissenschaftliches Fehlverhalten bei der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf. Das bestätigte ein Sprecher der Hochschule dem Tagesspiegel. Auch zu wissenschaftlichen Arbeiten ihres Ehemanns, des Leipziger Professors Hubertus Gersdorf, lägen Hinweise vor. Beide hatten ihre Schriften in Hamburg eingereicht. Die zuständige Ombudsstelle prüft die Angaben „im Zusammenhang mit der aktuellen medialen Berichterstattung“, so die Universität.
Laut Satzung der Universität erfolgt zunächst eine vertrauliche Vorprüfung durch ein Gremium aktiver Hochschullehrer. Geprüft würden Hinweise „unter Plausibilitätsgesichtspunkten auf Konkretheit und Bedeutung sowie auf mögliche wissenschaftsferne Motive des Hinweisgebers“.
Brosius-Gersdorf war von der SPD als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht nominiert worden. Die für den 11. Juli angesetzte Wahl im Bundestag wurde kurzfristig abgesagt, nachdem Abgeordnete der Unionsfraktion angekündigt hatten, Brosius-Gersdorf die Zustimmung zu verweigern. Im Mittelpunkt der Kritik standen zunächst juristische Positionen zur Abtreibung. In einem Aufsatz hatte Brosius-Gersdorf ausgeführt, es gebe „gute Gründe“ dafür, dass die Menschenwürde erst mit der Geburt beginne. Am Tag der geplatzten Wahl verwies die Unionsfraktion zusätzlich auf Plagiatsvorwürfe, die kurz zuvor öffentlich geworden waren.
Der österreichische Plagiatsgutachter Stefan Weber hatte am Abend vor der Wahl Textparallelen zwischen der Dissertation von Brosius-Gersdorf und der Habilitation ihres Ehemanns öffentlich gemacht. Die Juristin weist die Vorwürfe zurück. Eine von ihr beauftragte Kanzlei erklärte in einem Kurzgutachten, es handele sich um „unbegründete“ Vorwürfe „ohne Substanz“.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann schlug am Mittwoch einen Austausch des gesamten Personaltableaus vor. „Ich persönlich glaube, dass man da mit einem neuen Personalpaket wohl am ehesten rauskommt“, sagte er der dpa. Man wolle den Sommer nutzen, um konstruktive Fortschritte im Verfahren zu erzielen. „Ein solches Personalpaket kann aus komplett neuen Namen bestehen, muss aber nicht“, so Hoffmann.
Ein solcher Neustart würde sowohl Brosius-Gersdorf als auch Ann-Kathrin Kaufhold und den bisherigen Unionskandidaten, Bundesarbeitsrichter Rolf Spinner, betreffen. Die Union hatte der SPD im Vorfeld der geplatzten Wahl bereits eine Zusage zu den drei Namen erteilt, intern aber den Widerstand gegen Brosius-Gersdorf unterschätzt.
SPD-Chef Lars Klingbeil erklärte zuletzt, die Plagiatsbedenken seien ausgeräumt. Für Kanzler Friedrich Merz sei es laut SPD „eine Frage der Standfestigkeit“, ob er an der zuvor getroffenen Vereinbarung festhalte. Merz selbst ließ offen, ob Brosius-Gersdorf bei der Wiederholung erneut aufgestellt wird. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte gegenüber der Augsburger Allgemeinen gesagt, es habe für sie keine Mehrheit gegeben. Ob und wann der Bundestag erneut über die drei vakanten Richterposten abstimmt, ist derzeit offen.