Die Universität Potsdam als Instrument linker Politik? Anatomie eines Skandals

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Nachdem die Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig mit einem Tweet darauf hingewiesen hatte, dass die Jura-Professorin Frauke Brosius-Gersdorf, die von der SPD als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht aufgestellt worden war, nicht wählbar ist, wurden Abgeordnete und Medien aufmerksam.

In der Unionsfraktion bemerkten genügend Volksvertreter, dass Brosius-Gersdorf für vieles befähigt sein mochte, sicher aber nicht für das Amt eines Verfassungsrichters. Die Gründe liegen vor allem in ihrem obrigkeitsstaatlichen Denken, in ihrer Vorstellung vom Grundrechteentzug für Bürger sowie zum Parteien- und Vereinsverbot. Andere kritisierten ihre Haltung in der Frage des Schwangerschaftsabbruches, vor allem in der Trennung von Lebensschutz und Menschenwürde.

Linke, SPD und Grüne bezweckten mit dem Manöver, Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold zu Verfassungsrichtern zu machen, die Machtübernahme auf judikativem Weg nach Dutschkes Strategie des Marschs durch die Institutionen durchzusetzen. Die Lautstärke und die Wortwahl nach der geplatzten Wahl durch Linke, Grüne und SPD belegen das, indem ihre Schnappatmung nach Art des ertappten Diebes ist.

Als „Plagiatsjäger“ Stefan Weber Übereinstimmungen zwischen der Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf mit der Habilitation ihres Ehemannes Hubertus Gersdorf kurz vor der Wahl entdeckte, nutzte die Union geradezu die Hintertür des Plagiats, um einen politischen Skandal zu verhindern. Wohl auf Wunsch von Bundeskanzler Merz und Kanzleramtsminister Frei sollte der Fraktionsvorsitzende Spahn die Wahl von Brosius-Gersdorf in der Fraktion durchdrücken. Doch alles half nichts, zu viele Abgeordnete verweigerten die Gefolgschaft. Spahn stand plötzlich vor den Scherben, die seine Handlangerdienste angerichtet haben. Selten hat man einen Spitzenpolitiker so fünftklassig agieren sehen. Anstatt die Bedenken der Abgeordneten ernst zu nehmen und die Wahl der Kandidatin aus inhaltlichen Gründen abzulehnen, verschanzte sich die Union hinter Webers Monita, die zu „Plagiatsvorwürfen“ aufgeblasen, plötzlich den Vorwand boten, die Wahl an diesem Tag abzusagen.

In roten und grünen Kreisen brachen sich Wut, Hass und sogar Hetze Bahn, die man gut auf X beobachten konnte. SPD-Fraktionschef Miersch polterte im Mielke-Sound: „Wenn der rechte Mob damit durchkommt, machen wir einen Riesenfehler.“ „Der rechte Mob“ dürften in diesem Fall entweder die neuen Medien und womöglich die Unions-Abgeordneten gewesen sein, die Brosius-Gersdorf nicht wählen wollten. Und selbst der als moderat geltende Sozialdemokrat Nils Heisterhagen verwechselte zwischen seinen Ohnmachten, in die er reihenweise zu fallen schien, das Parlament mit einem preußischen Exerzierplatz, wenn er bei X postete: „Manche Leute knallen echt gerade total durch Aber mal anders gefragt: Warum hat es Jens Spahn nicht im Griff, so ein Freidrehen seiner Abgeordneten zu verhindern?“ Arme SPD-Mandatsträger, offenbar ist in der SPD nicht bekannt, dass die Voraussetzung der parlamentarischen Demokratie das „Freidrehen der Abgeordneten“ ist, die auch nicht Abgeordnete des Fraktionsvorsitzenden, sondern die des Volkes sind.

Kaum aber war die Wahl abgesagt, meldete sich die FAZ-Redakteurin Heike Schmoll keine sieben Tage später bei Saskia Ludwig und konfrontierte die Bundestagsabgeordnete mit Vorwürfen eines in Luxemburg lebenden „Plagiatsjägers“.

So dreist und so durchsichtig werden wohl nur in Diktaturen Retourkutschen organisiert. Aus der Causa Brosius-Gersdorf sollte so schnell und so vernichtend wie möglich eine Causa Ludwig gemacht werden. Kaum, dass Schmoll am 17. Juli eine Presseanfrage an Ludwig verschickt hatte, publizierte die FAZ-Redakteurin schon am 20. Juli 2025 den Artikel: „Plagiatsvorwürfe gegen Saskia Ludwig erhoben“.

Am 11. Juli wurde die Richterwahl abgesagt. Am 17. Juli meldete sich Schmoll bei Ludwig, konfrontierte sie mit dem Plagiatsvorwurf und sogar mit einer Tabelle des „Plagiatsjägers“, um sie zu einer Stellungnahme zu verlocken. Dass Schmoll sogar expressis verbis eine „faire Berichterstattung“ versprechen musste, legt den Verdacht nahe, dass damit am wenigsten zu rechnen war.

Saskia Ludwigs Stellungnahme bestand darin, dass sie den Vorwurf, die Presseanfrage und ihre Dissertation umgehend öffentlich zugänglich machte und auf X publizierte. Ludwig stellte es jedem anheim, die Tabelle von Schmoll anzufordern, um die Vorwürfe mit der Dissertation abzugleichen. Daran, dass jeder Zenthöfers Vorwürfe verifizieren oder falsifizieren konnte, schien Schmoll seltsamerweise nicht interessiert zu sein.

Dass Schmoll die Tabelle nicht weitergab, hatte, nachdem ich sie auch ohne kollegiale Hilfe der FAZ sichten konnte, möglicherweise den Grund, dass die Tabelle nicht hergab, was über sie behauptet wurde. Wollte man sehr streng vorgehen, erwiesen sich die „Funde“ des bis dato noch namentlich verheimlichten Plagiatsjägers allenfalls als Schlampigkeit in der Belegpraxis, auch finden sich Behauptungen in der Tabelle, die zumindest fragwürdig sind. Eine „Betrugsabsicht“ war überdies nicht festzustellen. Inzwischen wurde durch Schmolls Artikel bekannt, dass der „Plagiatsjäger“ Jochen Zenthöfer hieß.

Aus Gründlichkeit zog ich einen Fachwissenschaftler, in diesem Fall einen Wirtschaftswissenschaftler, zu Rate. Prof. Dr. Stefan Homburg schrieb nach Prüfung der Vorwürfe: „Wirtschaftswissenschaftliche Doktorarbeiten bestehen fast immer aus einer Einbettung in die Literatur und einem eigenständigen Forschungsteil. Zenthöfers Vorwürfe richten sich ausschließlich gegen den ersten, nicht innovativen Teil. Bei ihm gibt es aber sprachlich nicht viel Spielraum, wenn man auf Korrektheit achtet. Ähnlich klingende Formulierungen bekannter Tatsachen sind keine Plagiate. Wenn ein anderer Autor etwa geschrieben hat ‚Das erkannte bereits Adam Smith …‘ und Frau Dr. Ludwig formuliert ‚Dieser Grundsatz geht unter anderem auf Adam Smith [Fußnote zu Smith] zurück …‘ sehe ich darin im Gegensatz zu Zenthöfer keine Verdachtsstelle. Ich halte Zenthöfers ganzes Machwerk für Beckmesserei und keiner Untersuchung wert. Zum eigenständigen Forschungsteil der Arbeit hat er kein Wort geschrieben.“ Zenthöfer ist Jurist, kein Wirtschaftswissenschaftler. Es bleibt unverständlich, warum Schmoll nicht wenigstens zur Absicherung ihres Vorwurfs einen Wirtschaftswissenschaftler hinzugezogen hatte.

Frauke Brosius-Gersdorf hat eine Professur an der Universität Potsdam. Saskia Ludwig wurde an der Universität Potsdam promoviert. Der Zufall mag seine eigene Klaviatur besitzen. Doch in der Aufzählung, der mit der Universität Potsdam verbundenen Personen, fehlt noch ein Dritter: Dr. Jochen Zenthöfer wurde mit einer juristischen Dissertation laut Wikipedia „an der Universität Potsdam mit einer Arbeit zu Wettbewerbsföderalismus promoviert“. In der gedruckten Doktorarbeit, erschienen 2006 im Verlag Grasberg bei Bremen, fand ich zudem keinen Hinweis auf den Doktorvater und auf den Gutachter bzw. die Gutachter der Dissertation. Das ist nun wirklich vollkommen ungewöhnlich. Rechtswissenschaftler sagten mir, dass sie keinen ähnlichen Fall kennen, wo nicht einmal der Doktorvater genannt oder ihm gedankt wird. Deshalb fragte ich am 31. Juli 2025 die Universität Potsdam: „Bitte teilen Sie mir mit, bei welchem Professor der Universität Potsdam Jochen Zenthöfer seine Dissertation ‚Wettbewerbsföderalismus. Zur Reform des deutschen Bundesstaates nach australischem Vorbild‘ geschrieben, wer die Arbeit betreut hat und wer die Gutachter waren.“

Nachdem die Pressestelle der Universität Potsdam auf diese wie auf andere Fragen nicht antworten konnte oder wollte und der auch ansonsten außerordentlich auskunftsbereite Präsident der Universität, Prof. Dr. Günther, sich in Schweigen hüllte, stellte TE Joachim Zenthöfer die drei einfachen Fragen: „1. Wer war der Doktorvater für Ihre Dissertation ‚Wettbewerbsföderalismus. Zur Reform des deutschen Bundesstaates nach australischem Vorbild‘? 2. Wer waren die Gutachter Ihrer Dissertation? 3. Wo wurden Sie promoviert?“ Zenthöfer antwortete zwar, aber nicht auf die einfachen Fragen. Erstaunlich, dass er 928 Zeichen inklusive Leerzeichen benötigte, um eine einfache Antwort nicht zu geben, die nur 70 Zeichen inklusive Leerzeichen gebraucht hätte, nämlich 2 oder 3 Namen und die Nennung von Universität und Fakultät. Warum also macht Joachim Zenthöfer augenscheinlich ein Geheimnis aus den Gutachtern?

Am 29. Juli ging der Präsident der Universität, Prof. Dr. Günther, möglicherweise von seinem sozialdemokratischen Gewissen getrieben, an die Öffentlichkeit und erklärte der dpa: „Es wird zunächst geprüft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht vorliegt. Das wurde bejaht…Deswegen gehen jetzt die zuständigen Gremien an die Arbeit, außerdem wird Frau Ludwig die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.“ In der Ordnung wäre gewesen, wenn die Universität eine Presseanfrage bestätigt hätte, dass ein Anfangsverdacht geprüft wird, der Zusatz, dass der Anfangsverdacht bejaht wurde, bietet die Möglichkeit, rechtlich relevant zu werden, weil er in den Augen der Öffentlichkeit den Eindruck einer Vorverurteilung hervorrufen könnte, was Günther wissen musste. Während der Sprecher der Universität Hamburg korrekt bestätigte, dass die Vorwürfe untersucht würden, hob der Hamburger den Grundgedanken der Unschuldsvermutung hervor.

Auf diesen Gedanken kam das SPD-Mitglied Günther nicht, erwähnte den Grundgedanken der Unschuldsvermutung auch nicht, sondern insinuierte den Grundgedanken der Schuldvermutung, wenn er sich genüsslich in Details erging: „Da werden die beantragten Textstellen nochmal überprüft, da werden die Zeitachsen überprüft, zu denen die Texte publiziert wurden, um so zu einem Gesamtbild zu kommen… Die Informationen, die von außen an uns herangetragen wurden, auch von sogenannten Plagiatsjägern, werden einbezogen.“

Umso schwerer wiegt diese Insinuation, weil Günther zeitgleich eine Ehrenerklärung für Brosius-Gersdorf abgab: „Mein Fazit ist, dass man über die Schriften und Entscheidungen einer Kandidatin oder eines Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht diskutieren muss, dass aber in diesem Fall die Qualifikation für das Amt völlig außer Frage steht.“ Woher weiß Günther, dass die Qualifikation von Brosius-Gersdorf „völlig außer Frage steht“? Von seinem Genossen Matthias Miersch? Drohte der Präsident der Universität Potsdam der Universität Hamburg, die die Vorwürfe gegen Brosius-Gersdorf prüft, wenn er dpa gegenüber erklärt: „Ich fände es bedenklich für Deutschland, wenn solche Persönlichkeiten wie Frau Professorin Brosius-Gersdorf auf diese Art und Weise beschädigt und letztlich womöglich aus dem Rennen genommen werden“?

Zur Klarstellung fragte TE unter anderem die Pressestelle und daraufhin den Präsidenten, weil man an der Universität offensichtlich glaubt, Presseanfragen nicht mehr beantworten zu müssen: „Laut dem Präsidenten der Universität Potsdam, Prof. Dr. Oliver Günther, gegenüber der dpa würde nun überprüft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht vorläge. Wann, mit welchem Datum wurde Frau Dr. Ludwig von der Universität in Kenntnis gesetzt, dass ein hinreichender Anfangsverdacht vorläge und der Verdacht nun überprüft würde? Mit welchem Datum wurde Frau Dr. Ludwig um eine Stellungnahme gebeten?“

Fassen wir zusammen: Kurz nachdem ein Plagiatsvorwurf gegen die Kandidatin für das Verfassungsgericht erhoben und die Wahl deshalb abgesagt wurde, gab ein „Plagiatsjäger“ in der Tagesschau eine Erklärung ab, in denen er die Vorwürfe für unerheblich erklärte. Der Plagiatsjäger wurde in Potsdam promoviert zu einer Zeit, als Frauke Brosius-Gersdorf bereits an der Universität Potsdam tätig war. Beide sind Juristen. Der Plagiatsjäger untersucht aber nicht die Vorwürfe gegen Brosius-Gersdorf, sondern die Dissertation von Brosius-Gersdorfs schärfster Kritikerin Saskia Ludwig, die ebenfalls an der Universität Potsdam, allerdings bei den Wirtschaftswissenschaftlern promoviert wurde. Am Tag der Presseanfrage von Schmoll an Ludwig publizierten die Juristen der Universität Potsdam eine “öffentliche Erklärung“, in der es heißt: „Als Mitglieder der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam bekunden wir unsere Solidarität mit unserer hoch geschätzten Kollegin Frauke Brosius-Gersdorf.“ Wurde die Solidarität nur bekundet? Mit Zenthöfers fragwürdiger Tabelle eröffnet die FAZ am 17. Juli jedenfalls den durchsichtigen Versuch, Ludwig zu diskreditieren. Zenthöfer, der laut Schmoll aus eigenem Antrieb gehandelt habe, teilte seinen „Verdacht“ der Universität, an der er bei den Juristen promoviert worden war, mit.

Ob am Ende Zenthöfers Doktorvater oder sein Gutachter mit in den Gremien, die über Ludwigs Dissertation entscheiden, sitzen wird, weiß man nicht, da niemand zur Stunde bereit zu sein scheint, die Namen des Doktorvaters und des Gutachters zu nennen, weder Zenthöfer noch die Universität. Aufgrund eines „Anfangsverdachts“ von außen wird die Universität nicht nur tätig, sondern der Präsident äußert sich öffentlich, wo er sich nicht zu äußern hat, der dpa gegenüber – und stellt letztlich seine Befangenheit dar.

Hat sich die Universität Potsdam politisch instrumentalisieren lassen oder sich selbst politisch instrumentalisiert? Spielt der Präsident, Mitglied der SPD, eine Rolle in dieser Instrumentalisierung? Zumindest hat er zu diesem Eindruck beigetragen. Wie sehr er dem Ansehen der Universität geschadet hat, ihrer Neutralität und Überparteilichkeit, wird die Zukunft zeigen. Der Anschein der Befangenheit scheint gegeben zu sein.

Für die Universität wäre wohl besser, Günther tritt zurück, denn wenn etwas unter allen Umständen vermieden werden muss, dann der Eindruck der Befangenheit, den er mit seinen öffentlichen Einlassungen hervorrief. Und wie unbefangen ist eine Universität, die auf ihrer Homepage plakatierte: „Die Leitung der Universität Potsdam hat ihrer Professorin Dr. Frauke Brosius-Gersdorf unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe ihre nachhaltige Unterstützung zugesagt. Sie hält an dieser Haltung auch unter Maßgabe der neuesten Entwicklungen ohne jede Einschränkung fest.“ Ohne jede Einschränkung? Ganz gleich, was die Kollegen in Hamburg herausfinden?

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