
Der Kreislauf aus angeblichen NGOs, aus Medien und Regierungen gehört inzwischen schon fast zum Allgemeingut. Schon die Benennung „Nicht-Regierungs-Organisation“ besagt ja, dass sich diese Vereine und Gruppen im Umfeld der Macht aufhalten. Nicht anders ist das bei vielen Medien, die Positionen und Aktionen dieser „Vereine“ freundlich begleiten. Beispiele sind die Keine-Grenzen-im-Mittelmeer-NGOs vom Typ Sea-Watch, die kürzlich ihr Zehnjähriges feierten, aber auch die zahlreichen „Demokratie“-Vereine, die im Inland gegen die Opposition demonstrieren. Beide Bereiche werden von Mächtigen und Medien immer wieder mit Lob und Ermunterung bedacht.
Nun muss man den Blick auf die Universitäten ausweiten und kann zugleich Richtung Brüssel schauen. Denn die EU-Kommission finanziert nicht nur NGOs mit Gesamtmitteln von 7,4 Milliarden Euro und das „ohne systematische Prüfung, ohne Klarheit über politische Ausgewogenheit, ohne demokratische Legitimation“, wie Friedrich Pürner auf TE festhielt. Namentlich Umwelt- und Klima-NGOs bekamen Millionenbeträge, um gegen Bauernproteste oder die deutsche Industrie Front zu machen.
Zum Teil dienten die ausgezahlten Gelder mehreren Zwecken, nicht nur dem angeblichen „Kampf gegen Desinformation“. Mehr als 74 Millionen Euro gingen an 37 Forschungsprojekte, die sich ausschließlich mit Desinformation beschäftigen. Laut Mike Benz gingen sogar 735 Millionen Dollar (also etwa das Zehnfache) an insgesamt 350 Zensurprojekte, wohl wiederum unter Einbeziehung von Neben-Staats-Organisationen.
Man sieht: Die Zahlen und die Anzahl der Nullen unterscheiden sich leicht, die Absicht bleibt jedoch die nämliche. Öffentliches Geld wird in verschiedene parastaatliche Bereiche (NGO, Universitäten) gepumpt, um den Regierenden das Durchregieren leichter zu machen, um demokratische Kontrollinstanzen und letztlich den freien Ausdruck des Bürgerwillens zu schwächen.
Die „akademischen“ Ansätze reichen dabei von einer ausgreifenden Laber-Theorie über „intensivierte Bilder“ im Zeitalter ihrer technischen Vervielfältigung (natürlich inklusive Zweifeln an der Authentizität, wegen KI) bis zu ausgefeilten Instrumenten, mit denen Impf-Anhänger lernen sollten, noch schlagfertiger auf Impf-Gegner zu reagieren, natürlich mit einem handlichen System der guten Gründe – von „Misstrauen“ bis zu „ungerechtfertigten Überzeugungen“. Man muss noch einmal hervorheben: Mit beiden Projekten haben sich universitäre Mitarbeiter befasst, die zum Teil ohnehin im Staatsdienst sind, sich aber über die Drittmittel sicher gefreut haben. Beteiligt waren hier die Universitäten von Barcelona, Bristol, Cambridge und Erfurt.
Die Kosten lagen bei 1.605.250 (Visual Trust) und 3.118.832,74 Euro. Im EU-Förderhaushalt rangieren diese beiden Projekte dabei unter den Überschriften „Exzellente Wissenschaft“ und „Gesellschaftliche Herausforderungen – Gesundheit, demographischer Wandel und Wohlbefinden“. Erkennbar wird, dass hier großflächig Steuergeld aufgewandt, ja verbrannt wird, um einen sehr zweifelhaften Nutzen zu erzielen. Die EU-Kommission trägt dabei meist sämtliche Kosten eines gesamten Projekts.
Ein anderes Projekt trägt den sprechenden Titel „The I in Misinformation“ – die Rolle des Einzelnen bei der Desinformation also. Der Bürger wird so zunehmend als Störfaktor wahrgenommen, der ausgeschaltet werden muss. Veranstaltet wird dieses Projekt noch immer von der Max-Planck-Gesellschaft mit einem von der Kommission getragenen Budget von rund 190.000 Euro.
Das kurz angeklungene „Misstrauen“ ist in der Tat eine Regung, die heute allzu leicht und ohne guten Grund in Verruf kommt. So heißen die beteiligten Projekte auch gerne
Man lernt daraus nur eins: Misstrauen ist zu bekämpfen, Vertrauen in die Weisheit der politischen „Hirten“ dagegen ein Gut an sich. Die Ursachen des Vertrauensverlustes von Institutionen werden untersucht, aber meist nicht im Verhalten der Institutionen und der Politik gesehen. Eher wird das Misstrauen, so Schirrmacher, pathologisiert: „Wer zweifelt, ist nicht kritisch, sondern beeinflussbar.“
Doch das ist intellektuell gesehen natürlich dünne Suppe. Dünn ist denn auch das Ergebnis des Projekts EnTrust (kurz für „Enlightened Trust“) der Uni Siegen, nach vier Jahren Arbeit und knapp drei Millionen Euro EU-Investment: „… ein moderates Maß an Vertrauen und öffentlich geäußertes Misstrauen sind nicht unbedingt schädlich, sondern vielmehr notwendig für eine lebendige Demokratie“. Diese Grunderkenntnis ist so gemäßigt wie banal. Die Schlussfolgerung ist jedoch wie zu erwarten: Ein „aufgeklärtes Vertrauen“ in die Institutionen soll durch verschiedene Maßnahmen wiederhergestellt werden.
Information erscheint dabei implizit als Virus und Gefährdung, etwa wenn vor „infodemischen Risiken“ (das Internet quasi als Informations-Pandemie gesehen) oder „hybriden Bedrohungen“ gewarnt wird. Dagegen gelte es „Resilienz“, also Widerstandsfähigkeit, aufzubauen. Letztlich läuft aber der geforderte Schutz ins Leere, heraus kommt dabei nur die Kontrolle und Pädagogisierung der Regierten. Der finanzierte NGO- und akademische Apparat produziert letztlich Definitionen dessen, was die Mächtigen sich wünschen. Er dient als deren Sprechpuppe, so wie ein Barde bei Hofe, der seinem Fürsten nur nach dem Mund redet, anstatt ihn bei Bedarf auch deftig in die Pfanne zu hauen.
Misstrauen gegen die Bürger zeigt sich etwas subtiler auch an dem in Polen beheimateten Projekt ENCODE (Kostenpunkt: 3.035.393,75 Euro). Die Macher schlagen vor, die unselige „affektive Polarisierung“ der Bürger in eine „affektive Pluralisierung“ zu verwandeln. Man soll nicht mehr in Opposition zu etwas stehen, stattdessen soll eine Vielfalt an Meinungszuständen vorherrschen. Über diesem Stimmengewirr können die Regierenden sich dann leichter erheben. Der Staat regiert am Ende souverän, der Souverän verkommt zur plural blökenden Herde.
In sechs „geographisch diversen“ europäischen Ländern, einige EU-Mitglieder, andere nicht, hat in diesem Fall ein privates Institut verschiedene Forschungen angestellt. Dabei kam Folgendes heraus: „ein Katalog bewährter Verfahren zur Bekämpfung von Desinformation in den sozialen Medien, Karten zur emotionalen Kluft, validierte Erhebungsfragen und Hitzekarten zur demokratischen Resilienz“. Bravo, ruft hier der zuständige Kommissar aus, die drei Millionen waren gut angelegt. Ganz nebenbei haben die Projektleiter auch noch das Klimawandelmodell der Wettervorhersagen auf die „demokratische Resilienz“ übertragen. Und dann gibt es natürlich noch die geopolitischen Erzählungen, wonach ausländische Mächte Desinformation streuen. Auch diese Idee könnte man als schlichte Denkmode abtun.
„Autopoietisch“ nennt Schirrmacher alle diese Initiativen mit einem Begriff aus der Systemtheorie, also „selbsterzeugend“. Die akademischen und sonstwie parastaatlichen ‚Drohnen‘ (selbst deren Söhne) erlauben es der ‚Bienenkönigin‘ EU, ständig neue ‚Arbeiter-Untertanen‘ zu produzieren. Hinzu kommen zwei weitere Faktoren, die vor allem unserer Zeit angehören: die moralische Dringlichkeit à la „Die Demokratie ist bedroht“ und die neuen Möglichkeiten der Analyse und digitalen Kontrolle. Demnach soll Künstliche Intelligenz inzwischen schon in der Lage sein, ‚schädliche‘ Narrative zu erkennen. Dann bräuchte es die menschlichen Helfer bald nicht mehr, so weit scheint es aber noch nicht zu sein. Sicher scheint nur: Vieles vom heute, auch durch Akademiker Produzierten gleicht in seiner banalen Einförmigkeit schon den Erzeugnissen von ChatGPT und seinen Geschwistern.
Am Ende muss man den Bürgerdiskurs gar nicht mehr real stattfinden lassen, um ihn zu beobachten. Man kann ihn auch simulieren! Das geht auch Schritt für Schritt, im langsam siedenden Wasser. So erfahren wir, dass die Website bamberg-gestalten.de „einen Top-down-Ansatz zur digitalen Bürgerbeteiligung“ verfolgt. Das bedeutet nicht, dass die Bürger sich nicht äußern sollen, aber die Themen werden ihnen von oben vorgegeben.
In einem zweiten Schritt kann dann KI die Moderation solcher Diskussionen übernehmen. Man nennt das anscheinend „Online-Governance-Games“ – die Spiele sind eröffnet. Die KI erkennt selbsttätig schlechte oder falsche Informationen, etwa in einem weiteren Modell zur „Kategorisierung von Covid-19-Desinformation“ von 2021.
Hier wollte man das „Faktenchecken“ in Zeiten von Corona automatisieren. Angesichts neuerer Erfahrungen mit KI und ihrer sehr begrenzten Urteilskraft scheinen Skepsis und Misstrauen aber auch an dieser Stelle angebracht. Die Schädlichkeitsdefinitionen werden vorerst noch immer von Menschen stammen. Denn auch alles, was Grok und andere an Bewertung beisteuern, haben sie natürlich irgendwo gelesen.
Dennoch wird eine Tendenz wohl noch stärker werden: Faktenchecker wollen den Diskurs nicht mehr korrigieren, sondern am besten gleich selbst kreieren. Dahin geht eine neue Forderung des britisch-niederländischen Recherchenetzwerks Bellingcat, das auch mit CIA-Geldern gegründet wurde, wie Benz’ FFO berichtet. Bellingcat-CEO Elliot Higgins sagte demnach, Faktenchecker hätten versagt, weil sie keinen „Diskurs erschaffen“. Ein globales Netz von universitären Informatikfachbereichen soll es angeblich richten. Aber das ist Avantgarde im Vergleich zur wie immer hinterherhinkenden EU-Kommission.
Am realen Einfluss und der Wirkung vieler der EU-Projekte wird man dabei mit Recht zweifeln. Einiges wirkt wie Beschäftigungstherapie. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass reihenweise Forscher an der von der Kommission gestellten Aufgabe scheitern, ein Wundermittel gegen sogenannte „Desinformation“, aber eigentlich gegen neue politische Bewegungen zu finden. Denn Desinformation, das ist kein Geheimnis, ist oft schlicht ein Deckwort für konservative und populistische Bewegungen.
Aber insgesamt stellen die investierten 300 Millionen Euro offenbar eine Macht dar. Sie stärken ein akademisches Milieu, das weiß, woher sein Gehalt kommt, und sich auf dem richtigen Weg wähnt, wenn es seine politischen Vorlieben auch am Beispiel KI oder „gefährdete Demokratie“ durchdeklinieren darf.
Aber eigentlich kann man hier nicht von politischen Auffassungen sprechen, denn das politische System weiß, was es für sein Geld erwartet, und die Akademiker wissen, dass es von ihnen erwartet wird. Die EU schafft an, die Lohndenker folgen den Vorgaben. Und im Anschluss kann sich die Politik auf die angeblich unabhängige Forschung berufen, die sie tatsächlich selbst finanziert hat. Das ist die schädliche Zirkularität (Kreisförmigkeit) dieses Modells von „Forschung“ und politischer Entscheidungsfindung.