Unter „Beschuss“: Wie Parteien eine Jungwählerin empfangen

vor 1 Tag

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

Ich absolviere aktuell ein Praktikum bei Tichys Einblick. Niemand würde diesem Medium eine Nähe zur Partei „Die Linke“ unterstellen. Gerade deshalb will ich wissen: Wie reagiert die Linke, wenn ich spontan vorbeikomme? Ohne Termin, ohne Anmeldung, einfach nur mit ein paar Fragen über die Partei.

Die Antwort bekomme ich schneller, als ich gedacht hätte: Schon beim Klingeln an der Tür der Linken-Parteizentrale werde ich nicht freundlich, sondern von einer Frau mit einem genervten Blick und hektischen Gesten begrüßt, frei nach dem Motto: Warum klingelt mensch höflich, statt einfach hineinzuplatzen?

Als ich dann von ihr zu zwei Männern, die gerade Salat essen, auf einen Hof geführt werde, werde ich erneut freundlich begrüßt: „Wenn Sie von ‚Tichys Einblick‘ sind, warum sind Sie dann hier?“

Daraufhin erwidere ich, dass ich mit jedem sprechen würde, egal, welche politische Meinung er vertritt. Worauf die Rechtfertigung der Linken-Vertreter folgt: „Naja, mit Demokraten reden wir ja auch.“ Der Tonfall macht deutlich, dass nicht ich damit gemeint bin. Trotzdem darf ich mich zu den Pausemachern setzen.

Der Mann rechts von mir sieht aus, als könnte er auch an der Ecke einer Kneipe sitzen: rotes Polohemd, dichter Bart, gelb verfärbt, wo die Zigarette ihn berührt.

Schnell kommen wir auf das Thema KI zu sprechen: „Ein großer Fan von der KI von Tesla bin ich nicht. Die ist Fan von Adolf Hitler.“ Seinen Namen will er mir nicht nennen.

Beim Thema Corona meint derselbe Mann rechts von mir, dass die Maßnahmen grundsätzlich richtig, aber widersprüchlich gewesen seien. Doch die Rationalität, wie man in Corona-Zeiten bewiesen hat, sei angemessen gewesen.

Sein Kollege links, mit roten Rändern um die Augen, bedauert die Lage des Gesundheitssystems. „Die Missstände, die dort herrschen, sind seit Corona noch deutlicher geworden. Wir haben auch bei uns auf Arbeit Kollegen, die unter Long-Covid leiden. Wir müssen das Gesundheitssystem ausbauen.“ Der Kollege der Linken verrät mir zwar seinen Namen, betont jedoch ausdrücklich, dass er namentlich nicht genannt werden will. Wer will schon zugeben, dass er mit Tichys Einblick spricht? Und wenn auch nur mit einer Praktikantin.

Von den Linken führt mich mein Weg weiter zu einer Ex-Linken. Zu einer Frau, die die Partei verlassen und ihre eigene gegründet hat. Kontrastreicher könnte der Empfang nicht sein: Ich warte nur einen Moment, dann steht Hendrik Behnisch vor mir. Direkt freundlich, offen und unkompliziert.

Obwohl sie beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an diesem Tag nur zu zweit sind, nimmt Behnisch sich Zeit für mich. Es wirkt so, als würde man sich schon ewig kennen. Als ich kurze Zeit später zur U-Bahn aufbreche, treffe ich ihn noch einmal, als er vor dem Eingang steht und noch eine raucht.

Nachdem wir erneut ins Gespräch kommen, verabschiede ich mich für diesen Tag dann endgültig. Sogar den Kontakt zum Pressesprecher vermittelt er mir. Das Bündnis Sahra Wagenknecht spricht mit groß, mit klein, mit Tichys Einblick und allen anderen, ist die Botschaft.

Das Gefühl dieser positiven Offenheit verschwindet bei der AfD aber wieder schnell. Die Zentrale liegt weiter draußen als die der anderen Parteien. Auf dem Weg dorthin muss ich 40 Minuten mit der U6 fahren, dann nochmal weitere zehn Minuten zu Fuß gehen. Das hat wohl seine Gründe. Angriffe auf Büros und Autos von AfD-Politikerin sind Alltag. Draußen, weit weg von den linken Szene-Vierteln ist es vielleicht sicherer.

Die Gegend wirkt heruntergekommen. Eingefallene Häuser, leere Straßen. Weit und breit kaum eine Menschenseele. Statt einem prunkvollen Gebäude mit Glasfassade und großer Parteiflagge, die stolz im Wind weht, erwartet mich hier ein grau-weißes Gebäude, in dem die AfD sitzt. Sie teilt sich das Gebäude mit anderen Dienstleistern.

Zur Tür führt eine silberne Metallrampe. Rechts neben der Tür ein weißer Kasten, mit Namen drauf, wie man es von Wohnblöcken kennt. Links neben der Tür, ein weiterer weißer Kasten, der an der Wand hängt. Erst bei genauerem Hinsehen lese ich in ausgeblichener Schrift: „AfD“.

Ich klingele mehrmals, doch nichts passiert. Im Treppenflur, der weiß gefliest ist, kann ich die Eingangstür zur AfD nicht finden. Es ist mucksmäuschenstill. Ich trete hinaus in einen begrünten Innenhof. Vor mir ein weiteres Gebäude, doch kein „AfD“-Schild. Als ich zurück will, ist die Tür von außen verschlossen. Also muss ich den Umweg um den gesamten Gebäude-Komplex nehmen. Der Duft von frisch gemähtem Gras steigt mir in die Nase. Vor der Eingangstür rufe ich bei der AfD an. Ein leicht genervter Mann weist mir den Weg. Zurück im Flur entdecke ich endlich die unscheinbare weiße Tür der AfD.

Drinnen fallen mir sofort der Teppichboden und die Plexiglasscheibe mit Metallschiebefach auf, wie in einer Bank. Dahinter eine Frau mittleren Alters. Erst lehnt sie meine Anfrage wie einen Kredit ab, den ich nicht bekomme. Doch nach kurzem Nachhaken holt sie Alexander Weiles. Rotes Polo, kurze Haare, ruhige Art. Als er vorschlägt, sich an einen Tisch zu setzen, verbietet die Empfangsdame das und setzt sich wieder hinter ihren Schreibtisch. Sie will mich nicht durch den Empfang lassen.

„In Corona-Zeiten waren wir der stärkste Kritiker. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass die Maßnahmen richtig begründet sind. Außerdem brauchen wir zwingend eine Aufarbeitung“, so Weile.

Auf die Frage, wie die AfD junge Menschen beim Berufseinstieg unterstützen würde, spricht er sich klar für handwerkliche Berufe aus: „Wir haben eine Überakademisierung. Die Leute sollen wieder mehr wertschöpfende Arbeit machen. Irgendwoher muss der Wohlstand ja kommen.“

Zwar beantwortet mir Weiles offen und freundlich all meine Fragen, doch eine gewisse Distanz bleibt durch die Plexiglasscheibe, die zwischen uns ist, bestehen. Man ist wohl Angriffe so gewöhnt, dass die Mitarbeiter der AfD ihren Bunker gar nicht mehr verlassen wollen.

Nach dem grauen Bürokomplex der AfD mit verschlossener Tür, verpassten Klingelschildern und einer Plexiglasscheibe zwischen uns, wirkte der nächste Halt fast wie eine andere Welt. Statt Stadtrand nun mitten in der Stadt. Statt Distanziertheit die Frage: Öffnet sich hier wirklich eine Tür?

Nach stillen Fluren und Gesprächen hinter Plastik empfängt mich draußen die pralle Augustsonne. So hell wie die Sonne, strahlt mir das nächste Gebäude ins Gesicht. Vorbei an der Charité erwartet mich die Partei-Zentrale der Grünen mit grünen Fensterrahmen. Bei dem Anblick bin ich direkt positiv gestimmt. Ob sich dies auch im Gespräch mit mir zeigt?

Ich klingele. Kaum drücke ich den Kopf, öffnet sich mir auch schon die Tür. Eine kleine Treppe führt mich rechts zu einer großen Glastür. Dahinter kann ich den Empfang sehen: Eine Frau sitzt hinter einem Schreibtisch und beobachtet mich neugierig. Um dorthin zu gelangen, muss ich erneut einen Knopf drücken. „Wenn es piept, drücken“, steht auf einem kleinen Schild rechts neben der Glastür. Doch jedes Mal verpasse ich genau den Moment. Nach drei Versuchen steht die Frau vom Empfang auf, um mir die Tür zu öffnen. Direkt werde ich herzlich begrüßt. Ihr Lächeln ist warm, ganz anders als der genervte Blick der Empfangsdame der Linken.

Doch als ich mein Anliegen erkläre, teilt die Mitarbeiterin der Grünen mir traurig mit, dass es ohne Termin nicht möglich sei, Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Als ich nachhake, ergänzt sie: „Prinzipiell ist es möglich, aber gerade sind wir im Sommerloch.“ Eine schöne Ausrede, Sommerloch ist im Bundestag. Aber die Stadt ist derzeit voller Touristen, Reisegruppen, Jugendgruppen. Für eine Bundesgeschäftsstelle eine eifrige Zeit – wenn man sie nutzen möchte. Immerhin einen Flyer bietet man mir an. Sonst nichts.

Und doch frage ich mich: Sollten Parteien wie die Grünen nicht gerade jetzt, nach dem letzten schlechten Wahlergebnis, offen sein? Offen für junge Menschen, die mehr über ihre Partei in Erfahrung bringen wollen? Dafür sind doch diese Zentralen da. Dachte ich zumindest. Zwar verlasse ich das Gebäude mit einem angenehmen Gefühl der Geborgenheit, auch verbreitet durch die Empfangsdame, aber Antworten, die habe ich nicht bekommen.

Kaum trete ich durch die Eingangstür des Hans-Dietrich-Genscher-Hauses, drängt sich eine Spedition an mir vorbei. Ein Mann im Blaumann schiebt ein langes, in Folie verpacktes Paket in Richtung Fahrstuhl. Für einen Moment denke ich: Da muss ich wohl auch hoch.

Doch mein Weg führt geradeaus, durch eine schwere Glastür und plötzlich stehe ich mitten im Konferenzraum der FDP. Braune Ziegelwände, silberne Rohre, die unter der hohen Decke entlanglaufen, und eine Glasdecke, durch die Tageslicht den Raum flutet. Ein Industrial Design, das gleichzeitig offen und kühl wirkt.

Rechts eine kleine Bühne, im gesamten Raum verteilt Tische mit Stühlen. Ich schlängle mich hindurch, öffne eine weitere Glastür und nehme die Treppe nach oben. Dann steht sie vor mir. Unübersehbar: die Tür der FDP. Ein greller Dreiklang aus Pink, Gelb und Blau. Drei Töne, die sich im Farbkreis fast gegenüberliegen und dadurch gegenseitig zum Leuchten bringen. So schrill, dass man kaum wegsehen kann.

Ich klingele einmal. Nichts. Beim zweiten Mal: „Wer sind Sie?“ „Sophia Juwien, ich schreibe gerade eine Reportage. Ich bin von ‚Tichys Einblick‘. Ich möchte gerne mehr über Ihre Partei erfahren. Haben Sie kurz Zeit?“ „Ohne Anmeldung geht das nicht.“ „Geht wirklich ganz schnell.“ „Leider kann ich Sie nicht reinlassen.“

So schnell wie ich gekommen bin, wurde ich auch wieder weggeschickt. Die Stimme mir gegenüber bleibt kühl und distanziert. Vielleicht ist die FDP verwöhnt von der vielen Aufmerksamkeit, die ihr die Öffentlichkeit derzeit schenkt? Oder man hat den Kampf um Wählerstimmen ganz aufgegeben. Als ich das Gebäude wieder verlasse, steht der Mann im Blaumann noch immer im Eingangsbereich. Das Paket verschwunden. Wenigstens einer ist hier weitergekommen als ich.

Auf dem Weg zum Willy-Brandt-Haus schrecke ich zusammen. Ein lauter Knall. Herzklopfen. Hat sich bei den Sozialdemokraten rumgesprochen, dass jemand von TE zu ihnen unterwegs ist? Doch nichts zu sehen. Wahrscheinlich wieder ein Böller, den irgendein Idiot im Sommer sinnlos durch die Gegend wirft. Berlin halt.

Das Gebäude fällt schon von weitem auf: helle, beigefarbene Steinwände, nach innen gewölbt. Die Fenster ragen heraus wie der Bug eines Schiffes. Schmal von vorne, langgezogen nach hinten.

Am Eingang werde ich direkt von einem freundlichen Sicherheitsmann begrüßt. So freundlich er mir gegenübertritt, desto schneller werde ich auch schon wieder weggeschickt, weil ich am falschen Eingang bin. Rechts am Gebäude entlang, dann nochmal links durch einen Zwischenweg und dann noch durch eine Tür mit Drehkreuz, und schon bin ich am richtigen Eingang.

Drinnen erwarten mich mehrere Sicherheitsleute. Vor mir sitzt eine Frau hinter einem erhöhten Pult. Mit Walkie-Talkie in der Hand und einem wachsamen Blick beobachtet sie mich. Rechts von ihr späht ein Mann in Sicherheitsweste um die Ecke, ein anderer steht hinter mir. Ich fühle mich eingeengt und so, als ob ich etwas verbrochen hätte. Ähnlich wie bei einer Flughafen-Kontrolle. Nur möchte ich nicht in ein anderes Land, sondern nur zur SPD.

Auf meine kurze Vorstellung hin ruft die Frau hinter ihrem erhöhten Wachposten oben bei der SPD an. „Es sind nur zwei Leute da. Viele sind im Urlaub. Leider hat keiner Zeit.“ Doch so schnell gebe ich nicht auf, wenn ich mir einmal was in den Kopf gesetzt habe, also hake ich auch hier wieder nach. Ich erkläre, dass es schnell gehen würde und ich mich ehrlich für die SPD interessiere. Ohne nochmal ein zweites Mal anzurufen, sagt sie freundlich, aber bestimmt: „Leider ist das nicht möglich.“

Heute war die Mannschaft beim Tanker SPD wohl nicht an Bord. Schon mit einem Leichtmatrosen wäre ich zufrieden gewesen.

Vom Willy-Brandt-Haus führt mich mein Weg über die Kronprinzenbrücke direkt zum nächsten politischen ‚Schiff‘: dem Konrad-Adenauer-Haus der CDU. Auch dieser Bau erinnert an einen Schiffs-Bug, der in Berlin vor Anker gegangen ist. Doch anders als bei der SPD wirkt er nicht einladend, sondern vielmehr wie eine Festung: umhüllt von Glas und zur Straße ausgerichtet, steht das Gebäude da.

Der Eingang wird durch ein Spalier von Fahnen abgeschirmt: CDU, Deutschland, Europa. Direkt dahinter steht schon ein Übertragungswagen der WELT. Das Gesamtbild wirkt wie eine permanente Dauerüberwachung der Medien, als stünde das Gebäude stets unter Beobachtung. So als ob jederzeit etwas Spannendes passieren würde, das man nicht verpassen darf.

Als ich an der Tür klingle, empfängt mich eine Frauenstimme, die mir eine Nummer gibt, unter der ich mich melden soll. „Vielleicht haben Sie spontan Glück und erreichen jemanden, der für Sie Zeit hat.“ Doch als ich dann tatsächlich anrufe: Leitung belegt. Nach ein paar Sekunden nochmal: Leitung belegt. Und dann nochmal. Also gehe ich meinen Weg, den ich gekommen bin, wieder zurück, biege rechts in eine Straße ein und setze mich auf die nächstgelegene Bank. Mit dem Blick auf die Spree nehme ich einen Schluck Wasser aus meiner Flasche, und wiederhole den Durchgang mehrmals für insgesamt 25 Minuten. Immer ist besetzt.

Irgendwann höre ich auf und gehe. Enttäuscht bin ich nicht. Weshalb auch? Um enttäuscht sein zu können, hätte ich mich ja vorher täuschen müssen. Vielmehr bleibt ein von der CDU unbefriedigtes Gefühl.

Es ist Sommer. Eigentlich ein zu schöner Tag, um ihn mit Besuchen in Parteizentralen zu verbringen. Doch während der politische Kampf in dieser Parlamentspause heiß und brutal weitergeht, dämmern die Parteizentralen vor sich her. Wähler, besonders junge? Nicht willkommen. Man muss sich vor ihnen abschirmen mit Empfangsdamen, Sicherheitsschranken und gesichtslosen Fassaden. Wahlen sind ja erst in vier Jahren wieder.

Sophia Juwien hat ein mehrwöchiges Praktikum bei Tichys Einblick absolviert.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel