US-Spitzenpolitiker entlarven Deutschlands moralische Selbstüberhöhung

vor 2 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Es ist wenig überraschend, dass die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Bundesverfassungsschutz international und vor allem in den USA Kritik hervorgerufen hat.

Zwar sind Kenntnisse über die genaue Positionierung der AfD im deutschen politischen Spektrum nicht unbedingt präzise und teilweise von der Projektion US-amerikanischer Gegebenheiten geprägt – so ließen die Verlautbarungen, mit denen Elon Musk die Partei während des deutschen Wahlkampfes unterstützte, vermuten, dass er nicht über differenzierte Informationen verfügte, und die Rolle der AfD mehr oder minder mit der Rolle der Republikaner gleichsetzte.

Andererseits ist Detailkenntnis etwa über die Vielfalt unterschiedlicher, teils einander widersprechender Einstellungen innerhalb der Partei nicht notwendig, um feststellen zu können, dass die Vorverurteilung, mittelfristig womöglich gar der Ausschluss von gut 25 Prozent der deutschen Wähler beunruhigend ist.

Zudem belegen manche Äußerungen durchaus tiefere Einsichten in den Charakter deutscher Politik; so zum Beispiel ein X-Posting des US-amerikanischen Vizeaußenministers Christopher Landau. Er mischte sich in einen Online-Schlagabtausch zwischen US-Außenminister Marco Rubio und dem Auswärtigen Amt ein.

Rubio hatte das Geschehen polemisch überspitzt zusammengefasst: Das sei „keine Demokratie, [sondern] versteckte Tyrannei“, woraufhin das Auswärtige Amt zurückschoss: „Das ist Demokratie. Diese Entscheidung ist das Ergebnis einer gründlichen und unabhängigen Untersuchung (…). Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, dass dem Rechtsextremismus Einhalt geboten werden muss.“

Hier nun schaltete sich Landau ein:

„Ich für meinen Teil kann nicht einmal ansatzweise die Empörung und den Groll ausdrücken, den ich empfinde, wenn ein offizieller Vertreter der deutschen Regierung vorgibt, den US-Außenminister über die Notwendigkeit zu belehren, die politische Opposition zu bespitzeln und zu zensieren. Und nein, Deutschland, Du kannst dich nicht hinter selbstgefälligen Verweisen darauf verstecken, was Du aus „Deiner“ Geschichte gelernt hast. Wie Du dich vielleicht erinnerst, ist es auch „unsere“ Geschichte, denn wir haben eine ziemlich wichtige Rolle dabei gespielt, dieses besondere Kapitel in Deiner Geschichte zu beenden. Und es ist auch „meine“ Geschichte, da mein eigener Vater nach dem „Anschluss“ aus seiner Heimat Wien fliehen musste (und amerikanischer Staatsbürger wurde und stolz in der US-Armee für die Befreiung Europas kämpfte). Er floh nicht wegen ZU VIEL Meinungsfreiheit; er floh, weil diejenigen das Sagen hatten, die an die Bespitzelung und Zensur politischer Gegner glaubten.

Es steht Ihnen frei, Ihre eigenen Bürger als „Rechtsextremisten“ zu bezeichnen und sie zum Schweigen zu bringen oder ins Gefängnis zu stecken, weil sie beispielsweise gegen offene Grenzen sind. Aber ersparen Sie uns bitte das Moralisieren.“

Landau spießt zielsicher die typische Heuchelei auf, die sich hinter der Äußerung des Auswärtigen Amtes verbirgt. Sicher, „reductio ad Hitlerum“ ist kein exklusiv deutsches Muster, es ist hier aber besonders verbreitet, und zwar in einer besonders impertinenten Spielart: Wer seine Argumente der kritischen Prüfung entziehen will, braucht nur die unrühmliche Vergangenheit Deutschlands ins Feld zu führen, um sich unangreifbar zu machen. Und mehr noch: Man meint, aufgrund dieser Geschichte besonders geeignet zu sein, um moralische Bewertungen abzugeben, die über jeden Zweifel erhaben sein sollen.

Das ist unfreiwillig komisch, schließlich müsste man logischerweise davon ausgehen, dass jemand, der sich der Verbrechen seiner Vorfahren bewusst ist, eher besonders selbstkritisch und demütig wäre. Das Gegenteil ist der Fall.

Landaus Statement zeigt, dass man innerhalb der US-Regierung dieses zugrundeliegende Problem der deutschen moralischen Selbstverortung durchaus erkannt hat. Gern wird den USA Arroganz vorgeworfen, befeuert durch eingängige Slogans wie MAGA (Make America great again) oder die medienwirksame Umgestaltung der Landkarte, im Zuge derer man den Golf von Mexico einseitig in den „Golf von Amerika“ umbenennt.

In gewisser Hinnsicht ist die deutsche Haltung allerdigs noch ignoranter als die US-amerikanische, die sich zumindest auf tatsächlich bestehende materielle Faktoren stützen kann, wie etwa ökonomische oder militärische Vormachtstellung.

Deutschland hingegen macht ein Monopol auf moralische Rechtschaffenheit geltend: Ausdruck einer noch viel größeren Hybris und eines enormen Unwillens zu Selbstkritik und Selbstreflexion. Ein Mangel, der umso ärgerlicher und folgenreicher ist, als dass man sich hierzulande genau jener Eigenschaften rühmt, über die man nicht verfügt.

Damit sagte man jedoch ungewollt mehr über die eigene Disposition aus als über die der USA: Das Land jenseits des Atlantiks ist die moderne Manifestation des Republikanismus schlechthin. Es ist auf diesem Prinzip aufgebaut wie wohl kein anderes Land, und selbst existenzielle Krisen wie der Bürgerkrieg konnten es nicht zu Fall bringen. Das Misstrauen vieler US-Amerikaner gegenüber der Staatsgewalt und die Betonung der individuellen Freiheit, die diese Ordnung flankieren, rufen bei vielen Deutschen Verwunderung und Unverständnis hervor:

Hier hat man, so scheint es, das Prinzip Freiheit nie so ganz verstanden. Man musste es der jungen Nation mit Nachdruck oktroyieren, mit dem Ergebnis, dass der gelehrige Schüler nun meint, sich als Meister aufspielen zu können.

Das tut man nicht zuletzt, indem man sich gegen Kritik immunisiert und sogar klar machtpolitisch motivierte Winkelzüge wie nun die Einstufung der AfD als moralische Notwendigkeit darstellt. So lässt sich jedes Vorgehen ohne Begründung und ohne Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner rechtfertigen.

Hinzu kommt, dass diese Strategie seit mittlerweile gut 10 Jahren gezielt eingesetzt wird, um sich lösungsorientierter Politik zu verweigern: Wer Politik einfordert, die dem Bürgerwillen entspricht und dem Wohl des deutschen Volkes dient, wird dem Extremismusverdacht ausgesetzt, womit seine Argumente automatisch als ungültig betrachtet werden. Es wird gewissermaßen zur moralischen Pflicht, sie zu ignorieren, will man sich nicht gleichfalls in Verruf bringen.

Eine Bankrotterklärung hinsichtlich der eigenen Demokratie- und Diskursfähigkeit. Dieses Vorgehen funktioniert jedoch nur, solange alle Beteiligten sich den „alternativlosen“ Vorgaben unterwerfen. Dies wiederum steht dem US-amerikanischen Selbstverständnis diametral entgegen, das keine Denkverbote akzeptiert.

Deutschland täte gut daran, Einwürfe von Politikern wie Landau oder JD Vance nicht arrogant abzutun, sondern sie sich zu Herzen zu nehmen, und die eigenen Demokratiedefizite zu beheben.

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