
Das Gute vorweg: Der von der US-Regierung initiierte Zollschock lässt fürs Erste die Lebenshaltungskosten fallen. Wenigstens dort, wo der Staat nicht mit der Brechstange versucht, grüne Ideologie zu exekutieren und Energiekapazitäten eliminiert wie im Falle Deutschlands und seiner Kernkraft. Allerdings fallen die Preise auf breiter Front – Öl etwa um 15 Prozent seit Jahresbeginn – und künden deflatorische Tage an. Während die Börsen ein dramatisches Landunter erlebten, der S&P 500 seit der Verkündung der Zölle zwischenzeitlich um über 10 Prozent einbrach, begaben sich auch Öl-, Benzin- und Agrarrohstoffpreise in den freien Fall und sorgen zunächst einmal für willkommene Entlastung in den arg geschundenen Haushaltskassen des privaten Sektors.
Spielt Trump hier die Karte: „Main Street vor Wall Street“, indem er die Börsen links liegen lässt? Es ist durchaus möglich, dass man im Weißen Haus besonderen Wert auf die Gemütslage in „Blue Collar Amerika“ legt, um die zur Mitte der Legislaturperiode anstehenden Wahlen der beiden Kammern des Kongresses für sich zu entscheiden und politische Macht zu stabilisieren. Dass man Aktionärsvermögen einer Sonderbehandlung unterzöge, kann man der Trump-Regierung angesichts des Blutbads an den Börsen bislang wahrlich nicht nachsagen. Diese nimmt offensichtlich schwere Korrekturen in Kauf, um ihre innenpolitischen und geopolitischen Ziele gleichermaßen zu verfolgen: die Beseitigung des Doppeldefizits aus Handels- und Fiskalminus sowie das Comeback der heimischen Industrie.
Staaten mit negativer Handelsbilanz gegenüber den USA, wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, stehen vor einem Problem: Trumps Zölle schränken ihren Zugang zu Dollar weiter ein, die sie zur Refinanzierung ihrer Dollarschulden benötigen. Mit dem Ende des (nur noch synthetischen) USD LIBOR am 30. März 2025 verloren Euro-denominierte Produkte ihren Kreditrang als Sicherheit, da sie im nun entscheidenden Interbankenbank SOFR (Secured Overnight Financing Rate der New York Fed) nicht akzeptiert werden – die Zeit der Dollarschöpfung aus dem Nichts geht damit zu Ende.
China erweckt dieser Tage den Eindruck eines wankenden Riesen. Zwar ist die Krise am Immobilienmarkt genauso aus der Medienberichterstattung verschwunden wie der demografische Kollaps des Landes. Doch gelingt es der Kommunistischen Partei in Peking kaum, über die eigene Wachstumsschwäche und Kreditkrise hinwegzutäuschen. Immer wieder werden Fiskalpakete und Liquiditätsspritzen eingesetzt – etwa 200 Milliarden Yuan im Oktober 2024 –, um dem unter deflatorischem Druck und einer anhaltenden Pleitewelle leidenden Bankensektor Luft zu verschaffen – eine Politik, die wir aus der letzten Finanzmarktkrise kennen und bis heute weder in den USA noch in Europa überwunden haben.
Trumps Zölle nehmen genau diesen politisch orchestrierten Handelsüberschuss ins Visier. Doch China wehrt sich mit seinem handelspolitischen Baukasten: Seit dem 10. März 2025 erhebt es 15 Prozent Zölle auf US-Waren wie Sojabohnen, ab dem 10. April 2025 kommen Gegenzölle von 34 Prozent auf sämtliche Waren aus den USA hinzu. Der Yuan wurde am Montagmorgen europäischer Zeit vorsichtig abgewertet, ein Schachzug gegen den fallenden Dollar und der Versuch, die eigene Handelsposition zu verteidigen. Die Parteiführung signalisiert damit unmissverständlich, dass sie sich eher auf ein geldpolitisches Kräftemessen einlässt, bevor sie handelspolitisch nachgibt.
Dieses Kräftemessen nimmt derweil umfassende Züge an. Trumps Zölle richten sich gerade auch gegen Chinas Handelssatelliten Vietnam und Thailand, um Exportschlupflöcher zu schließen – eine Lehre aus der ersten Amtszeit, als Umgehungen über Drittstaaten den Zolleffekt verwässerten. Finanzminister Scott Bessent lehnt Zollerleichterungen kategorisch ab, während Berater Kevin Hassett von Verhandlungen mit über 50 Ländern spricht. Die Märkte bleiben angesichts dieser widersprüchlichen Signale verunsichert.
Allerdings zeigen die Anleihenmärkte noch keine Stresssymptome – ein trügerischer Frieden? Das könnte sich ändern, wenn Aktienverluste in eine fiskalische Krise münden, besonders für Länder wie Großbritannien, Frankreich und Spanien. Ohne LIBOR stehen sie vor einem Dollar-Finanzierungsdilemma: Ihre Schulden in Höhe von Hunderten Milliarden US-Dollar könnten so zum fiskalischen Senkblei der Eurozone werden, wenn der Zugang zu billigem Dollarkredit versperrt wird.
Thomas Kolbe, studierter Volkswirt, freiberuflicher Autor sowie Medienmacher für Kunden aus verschiedenen Branchen und Wirtschaftsverbänden. Als freier Publizist widmet er sich schwerpunktmäßig ökonomischen Prozessen und beobachtet geopolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der Kapitalmärkte.