
Sie hatte keine Überlebenschance. So muss man diesen Fall öffentlich ausgeübter Gewalt zusammenfassen. Und viele Medien verschweigen dieses Faktum. Sie schweigen freilich über den ganzen Fall von Iryna Zarutska. Die 23-jährige Ukrainerin hatte jüngst in Charlotte, der größten Fast-Millionen-Stadt im Bundesstaat North Carolina, ein neues Leben begonnen – und es nun auf vollkommen unerwartete Weise verloren.
Ihr Unglück war, dass sie am Abend des 22. August die Stadtbahn von Charlotte nutzte und sich auf einen Sitz vor einem vorbestraften, mehrfach rückfälligen Straftäter setzte. Aus noch unbekanntem Motiv zückte der, nachdem er sein Opfer gemustert hatte, ein Taschenmesser, erhob sich und stach unvermittelt auf die zierliche, blonde Frau ein. Die Überwachungskamera der Bahn hat den Vorfall in voller Länge festgehalten. Iryna Zarutska hatte keine Chance, sie brach blutüberströmt auf dem Boden der Bahn zusammen. Vermutlich hatte Zarutska gerade ihre Schicht beendet, worauf ihr Arbeitsoutfit hindeutet.
Der 34-jährige Decarlos Brown, ein Schwarzer mit Dreadlocks im roten Kapuzenpullover, ist ein polizeibekannter Obdachloser, der die Bahn gar nicht hätte benutzen dürfen. Denn er fuhr natürlich schwarz. Immer wieder hatte er wegen Gewalttaten im Gefängnis gesessen. Laut Berichten war Brown mehr als ein Dutzend Mal verhaftet worden, mit je einem Mugshot. Laut Daily Mail war Brown auf Bewährung frei und wartete auf seinen nächsten Prozess. Vom Tatort konnte er zunächst flüchten, wurde aber später verhaftet.
Nun ist die Empörung groß, allerdings nur bei denen, die den Vorfall mitbekamen. Aus den USA hört man Stimmen, die kritisieren, dass die Bluttat keinen Platz in den Nachrichten der großen Networks (wie CNN, ABC…), Agenturen wie AP und Zeitungen wie der New York Times findet. Auf X fiel einem Nutzer auf, dass auch die X-Nutzer mit der inzwischen klassischen Ukraine-Flagge nicht sonderlich auf dieses Schicksal einer Ukrainerin reagieren.
In Deutschland ist es freilich dasselbe: Die öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch viele andere große Medien vermeiden das Geschehnis, das die Themen Ukraine und rassistische Gewalt gegen Weiße in eine Nachricht zwingen würde. Denn Opfer und Täter kannten sich nicht. In Erinnerung bleibt die Gezieltheit, mit der Brown ausgerechnet gegen die junge, weiße Frau vorging, das Fehlen jedes Skrupels.
Kleinere US-Medien nennen den Vorfall eine „schockierende Erinnerung an Sicherheitsprobleme in der Gemeinschaft“. Der republikanische Abgeordnete Randy Fine will ein Gesetz einbringen, das Richter zur Verantwortung zieht, wenn von ihnen auf freien Fuß gesetzte gewalttätige Wiederholungstäter rückfällig werden.
Auch Vergleiche mit dem Medienkult um den bei einer Festnahme ums Leben gekommenen Straftäter George Floyd, von dem es inzwischen sogar eine ehrende Statue gibt, kommen auf. Aber wenn das Geschehen im Jahr 2020 rassistische Gewalt gegen einen Schwarzen gewesen sein sollte, was stellt dann der neue Fall dar? Vielleicht handelt es sich – mangels eines erkennbaren persönlichen Motivs – doch um die rassistische Mordtat eines Schwarzen an einer weißen, blonden Frau.
Ultimative Ironie: Es gab bis vor kurzem mindestens drei GoFundMe-Seiten für Decarlos Brown Jr., die sich um Spenden für den Kriminellen bemühten. Eine behauptete, dass „Decarlos Brown Jr. vom Justizsystem und den psychiatrischen Diensten von North Carolina grundsätzlich im Stich gelassen wurde“ und er daher „nicht die alleinige Schuld an den Geschehnissen“ trage, wie die Daily Mail berichtet. Laut Axios wurde eine Schizophrenie bei Brown diagnostiziert – während es den psychiatrischen Einrichtungen des Bundesstaates an Ressourcen fehle. Aber wem eigentlich nicht.
Inzwischen wurden drei Spendensammelseiten offline gestellt. Eine las sich so: „Wir sammeln Geld, um die Anwaltskosten von Decarlos Dejuan Brown Jr. zu unterstützen. Jeder Betrag hilft dabei, den Rassismus und die Voreingenommenheit gegenüber unseren Leuten zu bekämpfen. Danke, dass Sie uns helfen, gegen dieses korrupte Narrativ vorzugehen.“ Dabei ist es ja gerade umgekehrt: Die Erzählung, dass ein wegen vielfacher Straftaten verurteilter Schwarzer nur ein Opfer von Rassismus ist, ist das korrupte Narrativ.
In der politischen Diskussion geht es gerade auch darum, ob die Nationalgarden für mehr Sicherheit in den großen Städten sorgen dürfen. Donald Trump hatte die Nationalgarde in der Hauptstadt Washington D.C. eingesetzt und will härtere Strafen für den Hauptstadtdistrikt durchsetzen, darunter die Todesstrafe für Tötungsdelikte. „Wenn jemand in der Hauptstadt Washington D.C. jemanden tötet, werden wir die Todesstrafe beantragen“, sagte Trump bei einer Kabinettssitzung.