
Die chinesische Regierung empfing diese Woche zahlreiche Staatsvertreter der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) zu einem Forum in Peking. Das Treffen fand im Anschluss an ein Wochenende hochrangiger Handelsgespräche zwischen den USA und China statt, die mit einem positiven Ergebnis endeten. Donald Trump bezeichnete die 90-tägige Aussetzung einiger Zölle zwischen den USA und China als Erfolg für seine Regierung und seine Strategie der Handelseskalation. In China herrschte jedoch eine gegensätzliche Ansicht: Die USA hätten angesichts einbrechender Märkte und verärgerter Verbraucher eingelenkt. Der „Waffenstillstand“ wird in China als nationaler Triumph gewertet, der Zugeständnisse erwirkt, die geringe Schmerztoleranz der USA bestätigt, die BIP-Prognosen erhöht und China zum „Helden im globalen Süden“ gemacht hat.
Die Einigung zwischen Peking und Washington lässt vermuten, dass Trump nicht mehr zu den niedrigen US-Importzöllen vor seiner zweiten Präsidentschaft zurückkehren will. Der Handelskonflikt wurde somit nicht beigelegt, sondern lediglich verschoben. Peking sieht vor allem in den bilateralen Handelsabkommen der USA mit ihren Partnern eine neue Front gegen China eröffnet. Peking hat das jüngste Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien kritisiert und erklärt, es gehe zu Lasten chinesischer Interessen. Das Abkommen beinhaltet strenge Sicherheitsanforderungen für die britische Stahl- und Pharmaindustrie. Diese könnten den Zufluss chinesischer Produkte in britische Lieferketten beeinträchtigen.
Bisher konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Trump-Regierung auf die aus ihrer Sicht problematischen Beziehungen zu China im eigenen Land. Doch China stellt auch US-Interessen im Ausland infrage. Derweil wirbt Peking weltweit aktiv um andere Handelspartner, um eine globale Koalition gegen die Zollpolitik der USA zu mobilisieren. So importieren die meisten südamerikanischen Länder inzwischen mehr aus China als aus den USA.
In seiner Rede auf dem CELAC-Gipfel bekräftigte der chinesische Staatschef Xi Jinping die Haltung Pekings, dass ein Handelskrieg keine Gewinner kenne und „Tyrannei oder Hegemonismus nur zur Selbstisolierung führten“. Er fügte hinzu, dass China bereit sei, sich mit den lateinamerikanischen Ländern zusammenzutun, „angesichts der brodelnden Blockkonfrontation und der wachsenden Flut von Unilateralismus und Protektionismus“.
Neben einer gemeinsamen Erklärung war das Ziel des Gipfeltreffens in Peking ein Aktionsplan bis 2027 mit Kooperationen in den Bereichen Rohstoffe, Nahrungsmittel und Infrastruktur. Als Trump während seiner ersten Amtszeit begann, Zölle auf chinesische Produkte zu erheben, schlug China zurück, indem es seine Einkäufe von wichtigen landwirtschaftlichen Produkten wie Sojabohnen und Rindfleisch von den US-Lieferanten weg diversifizierte. Brasilien und andere lateinamerikanische Länder haben bereits von dieser Strategie profitiert.
Während Trump über US-Handelsdefizite wettert, baut China seine Defizite gegenüber Südamerika weiter aus und importiert große Mengen Kupfer, Lithium und Sojabohnen. Die Kupferexporte Chiles nach China haben sich im letzten Jahrzehnt fast verdreifacht. 2013 waren die USA Südamerikas größter Handelspartner mit einem Warenhandelsvolumen von 280 Milliarden US-Dollar. Bis 2023 sank dieser Wert um 25 Prozent, während Chinas Handel um 43 Prozent auf 304 Milliarden US-Dollar anstieg. Dieser Wandel wurde durch die chinesische Nachfrage nach Rohstoffen vorangetrieben. Nun scheint Trump seine Handelspartner in der Region dazu drängen zu wollen, sich von China zu distanzieren – im Austausch gegen eine Senkung der Zölle gegenüber den USA.
China investiert auch seit Jahren mit seiner Neuen Seidenstraße massiv in Infrastrukturprojekte wie Häfen, Bahnlinien und Flughäfen in Asien, Europa, Afrika und Lateinamerika. Über 20 lateinamerikanische Staaten möchten Chinas Neuer Seidenstraße beitreten, unter anderem Peru, Chile und Argentinien. Diese Woche wurde Kolumbien Teil von Chinas Prestigeprojekt „Neue Seidenstraße”. Die chinesische Führung bewirbt das Großprojekt als klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Es würden neue Handelswege geschaffen, die Infrastruktur in unterentwickelten Ländern ausgebaut und eine gesicherte Finanzierung gewährleistet. In der Tat verschulden sich aber viele ärmeren Länder, die mit chinesischer Hilfe ihre Infrastruktur ausbauen. Sie würden auch dadurch wirtschaftlich abhängig. Trotz einiger Risiken sind die chinesischen Investitionen in vielen Ländern sehr willkommen, weil sie wirtschaftlichen Schub versprechen.
Das CELAC-Gipfeltreffen stellt die langjährige geopolitische und wirtschaftliche Dominanz der USA in der Region infrage – eine Entwicklung, der die Trump-Administration entgegentreten will. In Südamerika baut China seit Jahren seine Präsenz bei Infrastrukturprojekten aus. In Washington vermutet man jedoch, dass China unter dem Deckmantel des Handels seine militärische Präsenz in der Region ausbauen will. „Chinas Militär ist in der westlichen Hemisphäre zu stark präsent“, sagte kürzlich Pentagon-Chef Hegseth. Obwohl es bisher keine chinesischen Militärstützpunkte in der Region gibt, befürchten die USA, dass chinesische Handelshäfen von der Marine genutzt werden könnten. In Peru wurde vor wenigen Monaten der erste von China kontrollierte Hafen Südamerikas eröffnet. Der neue Megahafen Chancay wurde von Chinesen für ein Investitionsvolumen von rund 3,5 Milliarden US-Dollar fertiggestellt. Er soll die Verbindung der Pazifik-Anrainerstaaten mit China verbessern und die Handelsströme in der Region neu ordnen.
In Argentinien betreibt China zudem die Weltraumstation „Estación de Espacio Lejano“. Laut Pekings Angaben hat die „Raumfahrttechnologie-Kooperationsanlage zwischen China und Argentinien“ in der Provinz Neuquén ausschließlich zivilen Charakter. In Washington besteht jedoch seit Jahren der Verdacht, die Station diene Spionagezwecken.
Für die Volksrepublik hat die Nähe zu Lateinamerika vor allem eine politische und militärische Bedeutung. Es geht hauptsächlich um die Anerkennung der Ein-China-Politik. China betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Landes und nicht als eigenständigen Staat. In den vergangenen 25 Jahren haben sich mehrere Länder Lateinamerikas von Taiwan ab- und China zugewandt. Inzwischen unterhalten nur noch Guatemala und Paraguay diplomatische Beziehungen zu Taiwan.
Es war kein Zufall, dass US-Außenminister Marco Rubio seine erste Reise nach Panama unternahm. Der Sohn kubanischer Exilanten soll für den Präsidenten eine Mission aus der frühen Geschichte der Vereinigten Staaten erledigen: die Kontrolle über die westliche Hemisphäre herzustellen, was auf die Monroe-Doktrin von 1823 zurückgeht. Dies ist besonders brisant, da China derzeit um diese Region wirbt, die Washington traditionell als seinen Hinterhof betrachtet.
Vor etwa 200 Jahren gab der damalige US-Präsident James Monroe auf Basis der Monroe-Doktrin die Parole „Amerika den Amerikanern” aus und bescheinigte den europäischen Kolonialmächten damit das Ende ihres Einflusses auf dem neuen Kontinent. Es folgten zahlreiche militärische Interventionen. Diesmal ist der Gegner aber nicht Europa, sondern China. Es ist also längst nicht ausgemacht, dass Trumps Neuauflage der Monroe-Doktrin zur Rückkehr der US-Hegemonie in Lateinamerika führt. Inzwischen hat Lateinamerika seine Lektion gelernt und das aufstrebende China mit seinem Rohstoffhunger wird sich vermutlich nicht so leicht einschüchtern lassen, wie es damals den europäischen Kolonialmächten erging.
Jegliche Bemühungen, die Bürger Südamerikas zu einem Widerstand gegen China zu bewegen, werden durch den Ansatz der Regierung unter Donald Trump faktisch behindert. Derzeit beherrschen Abschiebungen, Zölle und Drohungen die Schlagzeilen. Stärkere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen würden es dem Team von Präsident Trump jedoch deutlich erleichtern, die südamerikanischen Bürger zu einer Distanzierung von China zu bewegen. Trump wird in der Region zugleich als Chance gesehen. Denn die Rivalität zwischen China und den USA gilt als Geburtshelfer einer multipolaren Ordnung.