
Die Migrationspolitik steht im Zentrum des Bundestagswahlkampfes, also kommen auch die Talkshows in ARD und ZDF nicht um das Thema herum. Bei Maybrit Illner macht Robert Habeck Wahlkampf und bei Lanz kommt endlich mal ein Betroffener der halsbrecherischen Asylpolitik zu Wort: der Vater der von einem Palästinenser ermordeten Ann-Marie.
Bei Maybrit Illner im Ersten lautet der Titel: „Machtkampf um Migration – entscheidet der Asylstreit die Wahl?“. Gemeinsam mit der Moderatorin treten Robert Habeck (Grüne), der Journalist Giovanni di Lorenzo und die ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke gegen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an, der sich an diesem Abend für den Tabubruch rechtfertigen soll, einen Entschließungsantrag eingebracht zu haben, der auch (!) von der AfD mitgetragen wurde. Linnemann ist so unter Druck, dass er beteuert: „Wir stimmen nicht mit der AfD“, statt einfach dazu zu stehen.
Permanent im Verteidigungs-Modus: Carsten Linnemann
Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo erklärt, „bestürzt“ zu sein, die Union sei damit ein „zu großes Risiko“ eingegangen. Zwar räumt er ein, dass laut einer Zeit-Umfrage über 80 Prozent der Deutschen eine Änderung der Migrationspolitik wollen und über 90 Prozent die Abschiebung ausländischer Straftäter wollen, aber der Kollateralschaden für die Politik sei jetzt doch zu groß. Später wird er sagen, Merz habe doch erklärt, von Tag 1 seiner Kanzlerschaft an werde er durchgreifen, und hätte er doch nur noch diese vier Wochen gewartet … Linnemann wird ihn dann darauf hinweisen, dass nach der Wahl Sondierungs- und später Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden und deutlich viel mehr Zeit ins Land geht.
Habecks Strategie ist klar: Er will vermeiden, über die verheerende Migrationspolitik zu sprechen und Linnemann darauf festnageln, dass sich Merz niemals mit den Stimmen der AfD zum Kanzler wählen lässt. Woraufhin Linnemann sagt, „mit diesen Typen“ werde man „nicht eine Sekunde zusammenarbeiten“. Merz werde eine stabile Mehrheit haben. Woher auch immer die kommen soll.
Um den Inhalt des Antrags geht es erstmal gar nicht. Die große Erzählung ist nicht Magdeburg und Aschaffenburg und erst recht nicht die Frage, ob jetzt nicht endlich was passieren muss, sondern nur, ob es unverzeihlich ist, mit der AfD gestimmt zu haben (oder umgekehrt die Stimmen der AfD in Kauf genommen zu haben). Dabei war doch eindringlich an SPD und Grüne appelliert worden. Hätten die nicht einfach zustimmen können?
Nein, sagt Habeck („Sie zerstören die demokratische Mitte! Sie arbeiten mit Rechtsradikalen zusammen!“), die Union habe nämlich eine „Erpressungssituation“ hergestellt, nach dem Motto: Wenn Ihr nicht mit uns stimmt, dann eben die AfD. Ja, und? Wenn man eine Sache für richtig hält, ist man dann auf die Gnade eines Robert Habeck angewiesen?
Es dauert geschlagene 20 Minuten, bis die Morde von Aschaffenburg, die ja nur stellvertretend für so viele über die Jahre stehen, zum ersten Mal erwähnt werden. Von Linnemann natürlich. Ja, sagt di Lorenzo, wir haben ein Problem, das „die Mitte behandeln muss“, sonst würden „die Ränder zu stark“.
Habeck wiederholt den Vorwurf der „Erpressung“ und behauptet, Zurückweisung an den Grenzen sei verfassungswidrig – wohl weil er §16 kennt, §16a aber nicht. Im Übrigen könne man eine Notlage „nicht einfach so“ (Fingerschnippen) beschließen – einen „Klima-Notstand“ aber schon, oder?“, möchte man Habeck zurufen –, es gebe nur die „Behauptung einer Notlage“, als wären tägliche Messerangriffe und Vergewaltigungen Petitessen. Er behauptet auch, dass sich Abschiebungen nicht umsetzen lassen, wenn die Herkunftsländer ihre Staatsangehörigen nicht zurücknehmen wollen. Dass Trump eben bewiesen hat, dass das sehr wohl geht, wenn man den Kooperationsverweigerern ein paar Folterwerkzeuge zeigt, etwa dem Regime in Afghanistan die Einstellung der Entwicklungshilfe andeuten könnte – es interessiert einen Robert Habeck nicht.
Aschaffenburg interessiert Robert Habeck nicht – nur der Lager-Wahlkampf
Linnemann fragt, was denn noch passieren muss angesichts der Überlastung der Kommunen. 300.000 Kita-Plätze fehlen, 15.000 Lehrer, beim Arzt bekommt man keine Termine, die öffentliche Sicherheit erodiert. Keine Antwort.
Habeck, der gefühlt 50 Prozent Redezeit in der Runde für sich beansprucht, ist höchstens bereit, darüber zu sprechen, dass „die Praxis im Moment nicht mit den Problemen mithält“, aber mit mehr Geld und mehr Personal geht das schon. Und natürlich bleibt er dabei: Der Asylantrag müsse immer (und in Deutschland) geprüft werden, und der Familiennachzug fördere die Integration und helfe letztendlich der Sicherheit.
„Wir sind am Ende einer aufregenden Sendung“, sagt Illner nach 65 Minuten Geschwafel. „Wir sind am Ende“ hätte auch gereicht.
Im Zweiten hat Markus Lanz geradezu eine Sensation parat: Der Vater eines Opfers der Migrationspolitik, Michael Kyrath, ist eingeladen, erstmals im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Vor fast genau zwei Jahren sind seine Tochter Ann-Marie und ihr Freund Danny P. von einem Palästinenser in einem Regionalzug bei Brokstedt (Schleswig-Holstein) ermordet worden.
Der Täter, Ibrahim A., war den Behörden bekannt, Dutzende Verfahren liefen gegen ihn. Als Kyrath, so erzählt er, sich wegen des Umgangs mit dem Täter an die Hamburgische Bürgerschaft gewandt habe, habe man ihn dort einen „Hardliner“ genannt. Und wird sarkastisch: „Ich habe demjenigen dann angeboten, mich in Elmshorn zu besuchen. Der kriegt dann einen Spaten in die Hand, kann meine Tochter ausgraben und ihr das gerne erzählen. Sie wird da bestimmt Verständnis für haben.“
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Warum ausgerechnet Wohnungsbauministerin Klara Geywitz (neben der Journalistin Kerstin Münstermann von der Rheinischen Post und Migrationsforscher Gerald Knaus) eingeladen ist – es bleibt ein Rätsel. Auf das beharrliche Nachfragen des Moderators „Warum schieben wir nicht ab?“, flüchtet sich die SPD-Politikerin in die üblichen Phrasen: Abschiebungen seien aufgrund der Rechtslage in der Vergangenheit schwer zu organisieren gewesen, und überhaupt – Obacht! – sei die Situation schuld, „die Horst Seehofer als Innenminister hinterlassen hatte“. Lanz erfrischend basiert: „Nee, nee, Frau Geywitz, sind Sie mir nicht böse, das macht die Leute wahnsinnig, diese Parteipolitik“.
Markus Lanz im Clinch mit Klara Geywitz: „Das macht die Leute wahnsinnig!“
Auch Michael Kyrath ist es leid. Das Wahlkampf-Getöse der Politik „bringt aber meine Tochter nicht wieder zurück – und andere auch nicht“. Kyrath weiß, wovon er spricht, er ist mit über 300 Elternpaaren in Kontakt, die so denken wie er: „Was uns alle eint“, sagt Kyrath, „es ist immer dasselbe Täterprofil, es ist dasselbe Tatwerkzeug, es ist der nahezu selbe Tathergang, es sind nahezu dieselben Tatmotive“. „Wir haben dieses Problem ja schon länger.“ Doch „wir reden seit etlichen Jahren, aber es handelt ja keiner“.
Er lasse nicht mehr gelten, dass die Politiker sich weigerten, Abhilfe zu schaffen, „sondern weiter nach Ausflüchten suchen und alles auf die komplizierte Lage schieben“. „Da müssen sich viele Leute schämen.“ Und: „Es wird immer gesagt, die Zukunft des Landes sind unsere Kinder und dann werden unsere Kinder auf dem Altar irgendwelcher Eitelkeiten geopfert. Das passt alles nicht zusammen.“ An die Adresse der Politiker sagt der Familienvater: „Fangt an, unsere Kinder zu schützen!“
„Da müssen sich viele Leute schämen“, sagt Michael Kyrath über die Politik.
Wer letztlich dafür sorge, dass das Problem ernsthaft angegangen wird, ist Ann-Maries Vater gleichgültig. „Man muss mit allen sprechen“, sagt er in Hinblick auf die Zustimmung der AfD zum Asyl-Antrag der CDU. „Es geht um die Sicherheit unserer Kinder und ich glaube, da muss man vielleicht manchmal auch über seinen Schatten springen.“ Das solle nicht heißen, dass es notwendigerweise zu neuen Koalitionen kommen müsse, jedoch: „Wenn das Ergebnis stimmt, ist es eigentlich im Endeffekt egal, wer da zugestimmt hat oder nicht.“
Traurig, dass eine solche Selbstverständlichkeit heute noch betont werden muss.
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