
In Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben die Wähler entschieden: ohne das neue Bündnis Sahra Wagenknecht keine realistische Koalition gegen die AfD. Bald wird klar werden, ob die „Brombeere“, eine Koalition aus BSW, SPD und CDU, wirklich reifen kann. In Sachsen deutet einiges darauf hin.
Bei der Regierungsbildung in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen wichtige Entscheidungen an. In allen drei Ländern suchen CDU und SPD Koalitionen ohne die AfD – in Sachsen kommen die Verhandlungsführer der Union am Bündnis Sahra Wagenknecht nicht vorbei. Eine sogenannte Brombeer-Koalition wären für Deutschland etwas völlig Neues.
Umworbene Frau: BSW Chefin Sahra Wagenknecht
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hält sich nach wie vor bedeckt. Mal klingt sie zuversichtlicher, mal setzt sie Spitzen gegen die möglichen Partner. So sagte Wagenknecht zuletzt im Deutschlandfunk, nach den Wahlen vom September habe sie noch das Gefühl gehabt, CDU und SPD hätten die Ergebnisse verstanden. Nun habe sie den Eindruck, die Parteien wollten weitermachen wie bisher. Doch wollten die Wählerinnen und Wähler „Veränderung“. CDU und SPD müssten sich bewegen, so Wagenknechts Botschaft. Sonst gehe das BSW eben in die Opposition.
Koalitionsverhandlungen sind in der parlamentarischen Demokratie das Mittel der Wahl. Sondierungen werden manchmal vorgeschaltet. In Sachsen aber ging man es nach der Landtagswahl vom 1. September noch vorsichtiger an: Die potenziellen Partner CDU, BSW und SPD beraumten zunächst „Kennenlerngespräche“ an. Es wurde ein gemeinsames Papier erarbeitet, das NIUS vorliegt.
Es ist ein Papier der kleinen Schritte. So schreiben die Parteien etwa zum Kernthema Migration:
Das Grundrecht auf Asyl für politisch verfolgte Menschen ist eine wichtige Errungenschaft nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Für dieses Grundrecht stehen wir in Sachsen ein. Irreguläre Migration wollen wir wirksam begrenzen.
Desweiteren heißt es in dem Papier, dass wer kein Bleiberecht habe, „das Land auf schnellstem Weg wieder verlassen“ müsse. Zudem wollen die drei Parteien die Asylverfahren beschleunigen. Instrumente zur freiwilligen Ausreise und verstärkten Rückführungen unmittelbar Ausreisepflichtiger möchte zudem „konsequenter“ durchsetzen.
Insgesamt soll in Sachsen zudem die Präsenz der Polizei verstärkt werden. Auf die Einführung einer Grenzpolizei Sachsens einigten sich die Beteiligten aber nicht. Auch der Ausbau einer sogenannten Bürgerpolizei und die stärkere Fokussierung auf Brennpunkte in den Innenstädten sind noch Gegenstand von Verhandlungen.
Die frühere Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann und BSW-Chefin Wagenknecht in Dresden
Darüber hinaus halten sich die gemeinsamen Positionen schwammig: Man möchte den Mangel an Lehrkräften bekämpfen und in Krankenhäuser und Gesundheitszentren investieren. Eine nachhaltige Finanzpolitik soll sicherstellen, dass Investitionen in die Zukunft weiterhin möglich sind, ohne die Schuldenbremse zu umgehen. So weit, so gut.
Sachsens BSW-Chefin Sabine Zimmermann betont, dass die Namensgeberin und Parteichefin nicht Teil der Gespräche ist. Es gebe weder eine Standleitung nach Berlin, noch sitze Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine im Hintergrund. Man verhandele autonom, ein Vetorecht Wagenknechts gebe es nicht.
Trotzdem bleiben starke Vorbehalte in der CDU gegenüber dem BSW. Frühere CDU-Funktionäre aus dem Leipziger Raum hatten für einen Dialog mit der AfD geworben, die in Sachsen knapp hinter der CDU auf Platz zwei landete. Auch Forderungen nach einer Minderheitsregierung gibt es.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält davon nichts. Er will den Pakt mit BSW und SPD. Er hat auch außerhalb von schwarz-blau keine anderen Optionen mehr, um seinen Platz als Ministerpräsident und damit möglicherweise sein politisches Überleben zu sichern.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf dem Weg zur letzten Landtagssitzung in der abgelaufenen Legislaturperiode.
Überraschend sind die Entwicklungen vor allem, da sie von Merz Richtungsanweisungen gänzlich abweichen. Beim Parteitag der CSU in Bayern stellte der Parteichef klar: „Wir würden die Seele der Union verkaufen. Das gilt auch für das so genannte BSW“.
Merz warnte auf dem CSU-Parteitag die Unionsanhänger vor Bündnissen mit der Partei von Sahra Wagenknecht.
Sachsens CDU-Chef Kretschmer sieht das wohl anders.