Verfassungsrechtler Boehme-Neßler entsetzt über Kramer-Vorwürfe: „Macht mich sprachlos“

vor 6 Monaten

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Bildquelle: Apollo News

Apollo News berichtete am Montag exklusiv über schwere Vorwürfe gegen den thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten Stephan J. Kramer. Diesem werden Verfehlungen in der Amtsführung, insbesondere gegenüber seinen eigenen Mitarbeitern und den Einstufungen der AfD durch den Verfassungsschutz, vorgeworfen. Der renommierte Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler nahm gegenüber Apollo News Stellung bezüglich der Enthüllungen um die Person Stephan Kramer.

Das Vorgehen des Thüringer Verfassungsschutzchefs während der Einstufung der AfD Thüringen als „gesichert rechtsextrem“ kritisiert der Jurist scharf. Denn für die Einstufung ließ Kramer ein etwa 600-seitiges Gutachten anlegen. Ein Zusatzgutachten, das auf Meinungsfreiheit und die Indemnität von Abgeordneten hinweist, ließ er beispielsweise mit dem Argument, man wolle „dem Gegner“ keine Argumente liefern, außen vor (Apollo News berichtete auch hier ausführlich).

Dabei hätte das Gutachten die bisherige Arbeit des Verfassungsschutzes bei der Einstufung ernsthaft in Zweifel gezogen. Boehme-Neßler sieht das eindeutig: „Indemnität heißt, dass den Abgeordneten keine staatliche Stelle einen Strick aus ihren Äußerungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Abgeordnete drehen darf. Die Indemnität schützt die Freiheit der Abgeordneten und die freie Arbeit des Parlaments.“

Dass der Verfassungsschutz trotz der Frage der Indemnität Material von AfD-Abgeordneten sammelt und es für die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ nutzte, hält Boehme-Neßler für ein „gravierendes Problem“. Denn so „riskiert der Verfassungsschutz, dass ihm Gerichte später die Verwendung des Materials untersagen.“

Auch die Frage der Meinungsfreiheit wird aus Sicht des Verfassungsrechtlers zu Unrecht von Kramer außer Acht gelassen. „Die Meinungsfreiheit ist das Grundrecht, das konstituierend für die Demokratie ist. Natürlich können manche Aussagen doppeldeutig sein.“

Doch der Verfassungsschutz darf die Aussagen nicht negativ interpretieren, so Boehme-Neßler: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts müssen mehrdeutige Aussagen immer so ausgelegt werden, dass sie von der Meinungsfreiheit geschützt sind.“ Das Vorgehen des Thüringer Verfassungsschutzes nennt er in diesem Zusammenhang „völlig inakzeptabel“.

Zusätzlich würde auch Kramers Umgang mit seinen Mitarbeitern die Rechtmäßigkeit der Einstufung in Zweifel ziehen, so Boehme-Neßler: „Der Verfassungsschutz muss im Inneren rechtsstaatlich korrekt arbeiten. Wenn er das nicht tut, dann verletzt er die Rechte der Bürger und dann ist er kein tragbarer Geheimdienst in einem demokratischen Rechtsstaat.“

2018 tauschte sich Kramer dann mit zwei MDR-Journalisten, Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia, über einen seiner eigenen Mitarbeiter aus. Zuvor hatte sich der in Rede stehende Mitarbeiter an Hemmerling und Kendzia gewandt, um auf Kramers brisantes Foto mit den Putin-nahen Nachtwölfen aufmerksam zu machen (Apollo News berichtete auch hier ausführlich).

Für diesen Bruch des Quellenschutzes zeigt Boehme-Neßler kein Verständnis: „Ohne wirksamen Quellenschutz gibt es keinen effektiven Journalismus. Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt den Quellenschutz besonders. Es ist bemerkenswert, wenn Journalisten diesen Quellenschutz freiwillig aufgeben, das gibt es eigentlich nicht. Was wir in diesem Fall gesehen haben, macht mich sprachlos.“

Es ist eindeutig, dass Kramers Amtsführung und öffentliches Auftreten umstritten sind. Boehme-Neßler sieht die Rolle des Verfassungsschutzpräsidenten kritisch: „Man kann in den letzten Jahren eine Tendenz beobachten: Der Verfassungsschutz wird immer politischer. Das ist eine Kompetenzüberschreitung. Dafür steht insbesondere Stephan Kramer. Er war einer der ersten, der seine beamtenrechtliche Stellung politisch ausgelegt hat und entsprechend öffentlich aufgetreten ist.“

Der Verfassungsrechtler sieht auch die öffentliche Darstellung der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ als zweifelhaft an: „Das ist auch das Missverständnis in der Öffentlichkeit, dass man denkt, wenn der Verfassungsschutz die Partei als ‚gesichert rechtsextrem‘ einstuft, dann wird das auch so sein. Das stimmt nicht, eine Partei ist dann verfassungsfeindlich, wenn das Bundesverfassungsgericht das festgestellt hat.“

Deshalb würden die Etikettierungen des Verfassungsschutzes in der Öffentlichkeit als „amtliches Siegel“ missverstanden werden, so Boehme-Neßler. Doch das müsste Kramer klar sein: „Da überschreitet er seine behördenrechtlichen Kompetenzen, das ist politischer Aktivismus.“

In einer monatelangen Recherche konnte Apollo News mit Insidern sprechen und dutzende Seiten interner Dokumente einsehen. Es geht um schwere Vorwürfe: Manipulation, Bedrohung, Intrigen. Die ganze Recherche lesen Sie hier:

Die Recherche

Max Mannhart • 261

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