Der Verfassungsschutz will Maaßen mit Antisemitismusphantasien schaden

vor 3 Monaten

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Wo er nichts beweisen kann, beginnt der Verfassungsschutz auch schon mal zu phantasieren. Das BfV sagt nicht, Maaßen sei ein Antisemit. Damit vertrüge es sich nicht, dass Maaßen ständig den importierten Antisemitismus kritisiert. Aber das BfV behauptet, er verbreite „antisemitische Narrative und Topoi“. Er nutze „tradierte antisemitische Erzählmuster und Assoziations- und Argumentationsketten“. Und er greife auf „klassische, mehr oder weniger codierte, antisemitische Stereotype“ zurück. Er bediene und fördere dadurch antisemitische Ressentiments. Das sei darauf gerichtet, „die Menschenwürde als Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu beseitigen beziehungsweise außer Geltung zu setzen“. Begründet wird dies damit, dass Maaßen vor einem neuen Totalitarismus warne, der durch verbündete sozialistische und globalistische Kräfte angestrebt werde. Die politische Ideologie einer Verschmelzung der vormals sozialistischen Linken mit dem Wirtschaftsliberalismus bedrohe und zersetze nach Maaßens Meinung die westlichen Gesellschaften und Staaten. Dieser Prozess sei seiner Ansicht nach von „Pseudolinken“ und kleinen „globalen Vermögenseliten“ beziehungsweise „Wirtschaftsglobalisten“ getragen, die eine „neue Weltordnung“ schaffen wollten – zulasten der „produktiven bürgerlichen Eliten“, der „normalen, regional verwurzelten Menschen“, die „in eine anonyme, atomisierte Masse“ verwandelt würden, „die leicht zu kontrollieren und zu manipulieren“ sei.

Das sind kulturkritische Äußerungen, über die man – wie über alles, was jemand über die großen Weltzusammenhänge sagt – streiten kann. Aber warum soll das antisemitisch sein? Weil das Narrativ, es gebe eine global agierende, mächtige und vermögende Elite, die Politik und Medien beeinflusst, um Macht und Vermögen zu erlangen, deckungsgleich mit antisemitischen Erzählungen sei und „daher auch ohne explizite Benennung von Juden als Akteure im Hintergrund eindeutig als antisemitisch erkennbar“ sei. Des von Maaßen beschriebenen Vorgehens, „also des zielgerichteten und kombinierten Einsatzes der Ordnungssysteme, um traditionelle gesellschaftliche und nationalstaatliche Strukturen zu zerstören und daraus eigenen (materiellen) Vorteil zu ziehen“, seien Juden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in der antisemitischen Schrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“ bezichtigt worden.

Wie soll Maaßen sich gegen eine solche Argumentation eigentlich wehren? Was der Verfassungsschutz ihm vorwirft, ist ein Antisemitismus ohne Juden. Er spricht von „globalen Vermögenseliten“, die bestimmte Ziele verfolgten, die er für schädlich hält. Es ist naheliegend anzunehmen, dass er sich dabei auf Schriften von Klaus Schwab bezieht und auf das World Economic Forum (WEF). Darf man das, was diese Leute in Schriften und Reden propagieren, nicht kritisieren? Natürlich darf man das, und man darf es auch scharf kritisieren. Indem das BfV eine Parallele zu „antisemitischen Erzählungen“ konstruiert, versucht es, Kritik an der Agenda des WEF unmöglich zu machen. Aber Kritik an allem, was weltweit politisch geschieht, muss in einer demokratischen und offenen Gesellschaft möglich sein. Nicht der Kritiker „globalistischer Eliten“ ist ein Verfassungsfeind, sondern derjenige, der ihm die Kritik verbieten will, liefert einen Anhaltspunkt dafür, die Meinungsfreiheit und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung abzulehnen.

Besonders grotesk ist es, dass das BfV Maaßen folgende Formulierung als angeblich antisemitisch vorwirft: „Man spricht von Globalisten, man spricht von Investoren, man spricht von Philanthropen.“ Dazu sagt das BfV: „Abermals handelt es sich um drei Begriffe, die, betrachtet man sie isoliert, keinen eindeutig antisemitischen Gehalt besitzen. In der vorgebrachten Reihung ist jedoch klar erkennbar, dass sie sich auf Georg Soros beziehen, und damit auf die aktuell wohl am häufigsten zur Zielscheibe antisemitischer Anwürfe und Projektionen gewordene lebende Person weltweit. Alle drei Begriffe beziehungsweise Charakterisierungen werden in vergleichbaren Kombinationen sowohl in seriösen wie in verfassungsschutzrelevanten Kontexten regelmäßig zur Beschreibung des in Ungarn geborenen, als Jude den Holocaust überlebenden, späteren US-amerikanischen Finanzunternehmers George Soros angeführt.“ Somit sei festzustellen, dass Maaßen „eine antisemitisch strukturierte und als solche erkennbare Argumentation vertrat“.

Als Globalist, als Investor und als Philanthrop könnte beispielsweise auch Bill Gates gemeint sein, und es gibt etliche weitere Milliardäre, die die Globalisierung befürworten, als Investoren ihr Vermögen vermehren und „philanthropisch“ NGOs finanzieren. George Soros ist bei weitem nicht der einzige. Warum das BfV es für „klar erkennbar“ hält, dass Maaßen sich auf Soros bezieht, kann man sich wohl nur damit erklären, dass das BfV es sich so wünscht. Es will den Mann, den es schon zum Rechtsextremisten gestempelt hat, auch als Antisemiten sehen. Nur nebenbei: Auch wenn Maaßen sich mit seiner Äußerung auf Soros bezogen hätte, wäre die Äußerung nicht antisemitisch. Natürlich darf man einen Unternehmer, der sein Vermögen auch zur Erreichung politischer Ziele einsetzt, im Hinblick auf diese Ziele oder im Hinblick auf die politische Macht, die Superreiche mit ihrem Vermögen ausüben können, kritisieren. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einen Unternehmer, der zufällig jüdischen Glaubens ist, gegen jede Kritik zu immunisieren, sofern er wegen seiner unternehmerischen oder politischen Tätigkeit und nicht im Hinblick auf seinen Glauben kritisiert wird.

Manches, was Maaßen in den letzten Jahren gesagt hat, mag man für befremdlich halten und seine Partei, die Werteunion, für chancenlos. Darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass der Verfassungsschutz mit seiner Diffamierung von Sprachmustern und Begriffen als angeblich rechtsextrem den politischen Diskurs beschädigt. Statt zu untersuchen, ob jemand die Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen oder beschädigen will, prüft das BfV, ob jemand in seiner politischen Rhetorik Versatzstücke verwendet, die auch von Rechtsextremisten verwendet werden. Das reicht dann aus, um ihn als Rechtsextremisten zu diffamieren.

Der Verfassungsschutz als Diffamierungsinstitution – so delegitimiert er sich selbst.

Eine Kurzfassung dieses Textes erschien am 8.1.2025 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). – Professor Dr. Dietrich Murswiek war bis zu seiner Emeritierung Geschäftsführender Direktor des Instituts für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg im Breisgau. Er ist Autor des Buches „Verfassungsschutz und Demokratie“ (2020).

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