
Mit der Meldung, dass der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ einstuft, hat die scheidende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ihren Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) kalt erwischt und in eine heikle politische Lage gebracht.
Entsprechend schmallippig fiel Dobrindts Reaktion am 2. Mai aus: „Frau Faeser hat mich heute über die Veröffentlichung des Gutachtens informiert. Ich gehe davon aus, dass es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Einstufung kommen wird. Unabhängig davon führt das Gutachten zwingend dazu, dass eine weitere Beobachtung der AfD stattfinden wird.“
Dass ein designierter Bundesinnenminister lediglich die Kenntnisnahme bestätigt und auf rechtliche Folgen verweist, ist mehr als kühl. Seit dem gibt man sich im BMI erkennbar zugeknöpft. „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das BMI zu dem Gutachten oder zur Hochstufung der AfD für die Dauer des Rechtsschutzverfahrens nicht öffentlich“, sagte eine Sprecherin zu NIUS. Der Hintergrund ist einfach: Handwerklich halten die Experten des Ministeriums das gut 1100 Seiten starke Dossier (lesen Sie hier, was drin steht) für streckenweise geradezu stümperhaft und vor allem juristisch angreifbar.
Intern ist deshalb durchweg vom „Faeser-Gutachten“ die Rede, um die Verantwortlichkeit klarzumachen und maximale Distanz zu signalisieren.
Politisch bringt der Bericht Dobrindt in eine heikle Lage: Trotz der juristischen Bedenken kann er das Papier nicht zurückziehen, ohne den Eindruck zu hinterlassen, mit der SPD-Vorgängerin und deren „Kampf gegen Rechts“ zu brechen und damit die AfD zu verharmlosen, zumal auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) immer wieder erklärt hat, dass es mit der Partei keine Kooperation geben könne. Eine fachlich noch so gut begründete Rücknahme des Gutachtens würde beim Koalitionspartner SPD und in der Öffentlichkeit den Eindruck hinterlassen, die Union bewege sich auf die AfD zu und wolle sie „normalisieren“.
So wartet Dobrindt vorerst einfach die gerichtliche Auseinandersetzung der AfD mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ab und hofft, damit elegant aus der Mitverantwortung zu kommen. Dass das BfV inzwischen auf die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ verzichtet, läuft bereits in diese Richtung.
Auch Merz äußerte sich in der Zeit skeptisch gegenüber dem Gutachten. „Ich bin nicht glücklich mit dem Ablauf dieses Verfahrens“, sagte er. „Da wird von der alten Regierung ohne sachliche Prüfung ein Bericht vorgestellt, der gleichzeitig als Verschlusssache eingestuft ist. Die AfD klagt dagegen. Ich kenne den Inhalt dieses Berichtes nicht, ich will ihn ehrlich gesagt auch nicht kennenlernen, bevor nicht das Bundesinnenministerium daraus eine Bewertung abgeleitet hat.“ Bis das erfolgt sei, werden nach seiner Einschätzung Wochen und Monate vergehen.
Auch die Rufe nach einem AfD-Verbotsverfahren sieht der Jurist Merz „sehr skeptisch“: „‚Aggressiv kämpferisch‘ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten, das muss nachgewiesen werden. Und die Nachweispflicht liegt ausschließlich beim Staat“, so Merz. „Und ich habe mich innerlich immer dagegen gewehrt, aus der Mitte des Bundestages heraus Verbotsverfahren zu betreiben. Das riecht mir zu sehr nach politischer Konkurrentenbeseitigung.“
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