Verhandlungen mit Bündnis Wagenknecht: Warum CDU-Anhänger schweigend (ver)zweifeln

vor 6 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Hoffnung und Verzweiflung liegen in der Union ganz dicht beieinander in diesen Tagen. Umfragen verheißen einen fast schon sicheren Durchmarsch ins Kanzleramt (Allensbach, FAZ: 36 Prozent) bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr, gleichzeitig treiben die Verhandlungen der CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht in Thüringen und Sachsen viele altgediente Unioner zum Bruch mit der eigenen Partei.

Die Union macht ihre treuesten Anhänger politisch heimatlos. Wieder einmal. Als langjähriger Berichterstatter über die Union habe ich das immer wieder erlebt. Im Migrationsherbst 2015 verstanden viele Mitglieder und Wähler „ihre“ Partei nicht mehr. Jetzt ist es wieder so.

Sahra Wagenknknecht bei der Gründung des BSW-Landesverbandes in Erfurt (Thüringen)

„Für mich ist die CDU ein untrennbarer Teil meiner Biografie“, schreibt mir einer, der mal Bundesgeschäftsführer der Jungen Union war und sich sein Leben lang für die Partei engagiert hat. „Es tut einfach nur weh!“

Er verstehe nicht, warum der CDU-Bundesvorstand nicht einschreite und die erniedrigenden Gespräche mit SED-Nachfolgern und Ex-Kommunisten unterbinde. Wieder einmal ducken sich viele weg, weil sie den Parteichef und seine Chancen auf das Kanzleramt nicht gefährden wollen. Und ihre eigene Karriere wohl auch nicht.

CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach formuliert gegenüber NIUS diplomatisch: „Es ist für die CDU ohnehin problematisch und politisch nur mit größter Mühe vermittelbar, mit dem BSW Koalitionsverhandlungen zu führen. Aber ich habe zumindest Verständnis für die Gründe. Und ohne Kompromisse keine Koalitionen. Aber wenn Wagenknecht ihren örtlichen Truppen nunmehr befiehlt, es zur Bedingung zu machen, dass sich die CDU-Landesverbände von den politischen Grundsätzen und Überzeugungen der Bundes-CDU distanzieren, nur um mit dem BSW koalieren zu können, dann muss die CDU unmissverständlich ‚Nein!‘ sagen. ‚Wir lassen uns nicht erpressen!‘ (…) Wenn die CDU hier einknickt, wäre das eine riesige Belastung auch für den Bundestagswahlkampf. Es gibt Wichtigeres als Ämter.“

CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach

Es gibt Wichtigeres als Ämter, aber es gibt für die Union nichts Wichtigeres als die Macht, sagt der „Cicero“-Publizist und Buchautor („Die Kanzlermaschine. Wie die CDU funktioniert“) Volker Resing. „Die CDU ist eine antiideologische Machtpartei nach dem Motto: Es ist besser zu regieren, als in programmatischer Schönheit zu sterben.“ In seinem Buch „Die Kanzlermaschine. Wie die CDU funktioniert“ beschreibt er eine Partei, die „mehr Union ist als Partei“, die alle mitnehmen und Gegensätze – etwas zwischen Protestanten und Katholiken oder Arbeitnehmern und Arbeitgebern – vereinen will. „Die CDU ist in ihrem Wesenskern meist eine klassische Mainstreampartei“, sagt er im Gespräch mit NIUS. Gleichzeitig gebe es eine tiefe Angst vor Extremen und Extremismus.

Der frühere sächsische Landesminister und langjährige Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Arnold Vaatz (CDU), hat in einem offenen Brief seinen Landesverband offen zu Gesprächen mit der AfD aufgefordert: „Eine Koalition mit dem ‚Bündnis Sahra Wagenknecht‘ (…) lehnen wir ab und fordern Sie auf, nach den Regularien der sächsischen Verfassung eine CDU-Minderheitsregierung anzustreben.“

Strikt gegen gemeinsame Sache mit dem BSW: Der CDU-Abgeordnete Arnold Vaatz

Wurde man als Kritiker des offiziellen Kurses während der Merkel-Jahre etwa vom damaligen CDU-Generalsekretär Peter Tauber zum Teil offen angefeindet und angegriffen, so diszipliniert jetzt die Aussicht auf die Rückkehr ins Kanzleramt die meisten Unionsmitglieder ganz von selbst. Nicht wenige befürchten allerdings, dass die nahezu grenzenlose Anschlussfähigkeit der Partei zum schleichenden Untergang in die Beliebigkeit führen könnte. Warnendes Beispiel ist die italienische Demokratia Christiana, die zwischen 1945 und 1993 fast durchgängig die Ministerpräsidenten stellte und danach sang- und klanglos von der politischen Bühne verschwand.

Zweifel am Kurs der ostdeutschen Landesverbände gibt es auch bei den Akteuren selbst. „Manchmal frage ich mich, ob wir nicht einen riesigen Fehler machen“, sagt einer aus dem sächsischen Verhandlungsteam zu NIUS. Aber zitieren lassen will auch er sich nicht.

Es ist eine Zeit, von der später wieder einmal viele sagen werden, sie hätten schon damals gewusst, dass es ein Fehler sei. Nur gesagt haben sie es halt nicht.

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