
Wohl keine Blume war in letzter Zeit mehr in der Öffentlichkeit zu sehen als die Rose. Und sie war meistens weiß. Die Farbe Weiß – ein Zeichen der Unschuld. Und ein Zeichen der Trauer.
So war es gestern, als Politiker wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) der beiden Toten von Mannheim gedachte. Leider mussten in letzter Zeit viele weiße Rosen als Zeichen des stillen Gedenkens auf Tatorte und Grabstätten gelegt werden.
Es besteht die Neigung mancher Linken, die andere Weiße Rose – die historische – wieder zum Leben zu erwecken: zu ihrem politischen Zweck. So zitierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Hans Scholl, den Bruder von Sophie Scholl, bei einer Demo gegen Rechts vor 13.000 Menschen: „Wir sind das Licht in der Dunkelheit.“
Welche Vermessenheit!
Zur Erinnerung: Das Geschwisterpaar Sophie und Hans Scholl und andere junge Leute gehörten zu der Widerstandsgruppe, die während des Zweiten Weltkrieges gegen den Nationalsozialismus rebellierte. Sie verfassten Flugblätter gegen Hitler und verbreiteten sie – jedes unter Todesgefahr. Es ist eine Geschichte von Zivilcourage und Tapferkeit, die uns noch heute bewegt.
Hans und Sophie Scholl mit ihrem Mitstreiter Christopher Probst in München. Die drei waren Mitglieder der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ . © George (Jürgen) Wittenstein / akg-images
Sophie Scholl, ein zartes, musisch begabtes Mädchen aus Forchtenberg im Nordosten Baden-Württembergs. Sie sah, was Millionen hätten sehen können. Und sie tat, was sonst kaum einer tat: Widerstand gegen Willkür unter Todesgefahr. Sophie Scholl sagte die Worte: „Es fallen so viele Menschen für das Regime. Es wird Zeit, dass jemand dagegen fällt.“ Und ihr Bruder Hans sagte vor dem berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofes Roland Freisler: „Was ich damit auf mich nahm, wusste ich, habe auch damit gerechnet, dadurch mein Leben zu verlieren.“
Diese Sätze sind heute in ihrer Tiefe und Bedeutung nur schwer zu fassen. Da kleben junge Leute nachts Plakate an die Wände, obwohl sie wissen, wie gefährlich das ist. Und: Sie wissen, dass sie vielleicht ein Zeichen setzen können, das Mordregime aber nicht stürzen können. Ist das ein Leben wert?
Heute zeigt sich die eigentliche Größe der Mitglieder der Weißen Rose, sagt mein gesunder Menschenverstand. Sophie Scholl ist tapfer und entschlossen geblieben, buchstäblich bis zur letzten Sekunde. Obwohl man ihr Leben schonen wollte, wenn sie sich als „Mitläuferin“ ihres Bruders bekennen und von der Weißen Rose lossagen würde. Sie hat es nicht getan.
Die Geschwister Scholl sind die häufigsten Namensgeber deutscher Schulen. Bei der letzten Zählung trugen 187 Lehranstalten diesen Namen. Jedes Jahr kommen zwei neue dazu.
Die Weiße Rose ist ein Solitär, einmalig und unvergessen. Sie lässt sich nicht hinbiegen in die eine oder andere Richtung. Wer das versucht, verhöhnt sie.