
In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung warnt Christian Drosten indirekt vor einer tiefgreifenden Aufarbeitung der Corona-Krise und kritisiert solche Bestrebungen als Versuch, „einen ganzen Abschnitt der jüngsten Geschichte umzudeuten und ganz verdreht noch einmal zu erzählen.“ Stattdessen verteidigt er das Vorgehen „der Wissenschaft“ während der Pandemie.
„Was der Gesellschaft fehlt, ist aber nicht ‚die Wissenschaft‘. Sie ist präsent in unseren Autos und Smartphones, sie ist das Aushängeschild von politischen Regionen, und sie hat uns vor noch längeren Jahren der pandemischen Entbehrungen bewahrt“, schreibt Drosten, der während der Corona-Zeit der wichtigste wissenschaftliche Berater der Bundesregierung und ein gern gesehener Mediengast war.
Es ist interessant, dass Drosten versucht, den Begriff von „der Wissenschaft“ positiv umzudeuten, nachdem er und andere Wissenschaftler für die Nutzung des Begriffs immer wieder kritisiert wurden – auch weil maßnahmenkritische Virologen und andere Gesundheitsexperten dadurch als „unwissenschaftlich“ abgestempelt wurden.
Drosten widmet sich in seinem Text eben dieser „Wissenschaft“ und attestiert ihr ein „eiskaltes Händchen“: „Wenn man sich an irgendeiner Stelle irrt, wird sich das gnadenlos herausstellen, ohne Rücksicht auf menschliche Motivation oder politische Ziele.“
Eben dass das ist bei den von ihm empfohlenen Maßnahmen immer wieder passiert: Egal ob das Sachverständigengutachten zur Corona-Krise oder die vor einiger Zeit öffentlich gemachten RKI-Files – sie zeigen, dass Drosten, der immer wieder Maßnahmen wie die Maskenpflicht, Lockdowns oder auch Impfdruck und allgemeine Impfpflicht empfohlen hatte, immer wieder falsch gelegen hat. Er selbst bezeichnete eine Stellungnahme aus dem November 2021, in der er sich unter anderem für eine stufenweise Impfpflicht ausgesprochen hatte, als „größte Fehleinschätzung“.
Doch Drosten holt in seinem Gastbeitrag dennoch zum Rundumschlag gegen seine Kritiker aus. So empfiehlt er einen Aufsatz, in dem behauptet wird, dass die Gesellschaft „ihre Vernunft“ verloren hätte. Das führt der Wissenschaftler auf „den Verlust der Orientierung an Tatsachen“ zurück. „Was fehlt, ist das Wissenschaftliche, das Faktische im Alltag, eine nicht infrage zu stellende Kenntnis von Tatsachen und Naturgesetzen“, kritisiert Drosten weiter.
Nicht etablierte Medien lehnt er gleichzeitig ab. So warnt er vor dem durch Elon Musk popularisierten Begriff von „you are the media“ (Ihr seid die Medien), der sich an Bürgerjournalisten und alternative Medienangebote richtete. Dadurch verliere man die Achtung vor der Leistung anderer.
In dem Zusammenhang unterstellt Drosten, dass Bürger nicht ohne die Hilfe von Experten zu einer informierten Meinung gelangen könnten: „Die scheinbar direkte Verfügbarkeit von Informationen (freilich ohne Qualitätsüberprüfung) und die Verwechslung von Alltagsverstand mit methodischer Kompetenz werden zur Gewohnheit für diejenigen, die ihre Informationen zu großen Teilen aus sozialen Medien beziehen. All dies gipfelt in der Auffassung, jeder habe die Macht und die Kraft, ohne Respekt vor Spezialisten zu eigenen Schlüssen über die Welt zu gelangen.“
Einsicht, dass auch er als von den Medien und der Regierung anerkannter „Spezialist“ sich immer wieder geirrt hatte und auf dessen Basis freiheitseinschränkende Entscheidungen getroffen wurden, zeigte der Wissenschaftler jedoch nicht. Daran und an einer Aufarbeitung der Corona-Zeit scheint Drosten sogar kein Interesse zu haben.