
Den europäischen Staaten würden ohne die US-Militärpräsenz derzeit circa 300.000 Soldaten fehlen, um für die eigene militärische Sicherheit sorgen zu können. Das haben das Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel und das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) in einer Analyse berechnet, die im Kontext zu den gegenwärtigen Drohungen des US-Präsidenten Donald Trump erstellt wurde. Die neue US-Regierung scheint wenig gewillt, Europa im Ernstfall zu verteidigen.
Der Analyse zufolge müsste Europa, wolle man sich alleine gegen Russland verteidigen, derzeit 300.000 neue Soldaten ausbilden, auch müssten mehr Panzer produziert werden. Die Institute rechnen dafür mit zusätzlichen Wehrausgaben von etwa 250 Milliarden Euro in der Europäischen Union, wenn man dieses Ziel angehen möchte.
Die Panzerproduktion müsste besonders gestärkt werden: Damit man die benötigten neuen 50 Brigaden mit 300.000 Soldaten verteidigungsfähig halten möchte, bräuchte die EU der Analyse zufolge 1.400 neue Kampfpanzer und 2.000 Schützenpanzer mehr als bisher. Eine Zahl, die die Dimension des Rückstands zeigt: 1.400 Kampfpanzer und 2.000 Schützenpanzer sind mehr, als die großen Nationen Westeuropas (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) derzeit zusammen ins Feld führen können. Darüber hinaus müsste Europa laut der Analyse jährlich rund 2.000 Langstreckendrohnen produzieren.
In ihrer Analyse betonen die Institute die Dringlichkeit dieser Anschaffungen und Ausgaben. Aufgrund russischer Aufrüstung müssten sich die EU-Mitglieder auf eine gemeinsame Beschaffung und eine effizientere Koordination ihrer Armeen verständigen, um russischer Militärgewalt wirksam entgegentreten zu können, so klingt es in der Analyse an. Die Wehrausgaben sollten demnach ebenfalls EU-weit von derzeit 2 auf 3,5 oder 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Für Deutschland bedeutet dies 60 Milliarden Euro mehr für Militärausgaben als bisher.
Der Grund ist die militärische Bedrohung aus Russland: „Russland könnte in den nächsten drei bis zehn Jahren die militärische Stärke haben, um die EU-Staaten anzugreifen. Wir müssen dies als reale Gefahr einstufen. Auch deshalb ist es im größten europäischen Interesse, einen Sieg Russlands in der Ukraine zu verhindern, der die Aggression Russlands nochmals beflügeln dürfte“, so Professor Guntram Wolff, Mitautor der Analyse und Senior Fellow am Kiel Institut für Weltwirtschaft, in der Analyse.
Ein krasser Aufschlag, der sich laut den Instituten allerdings ökonomisch realisieren ließe. „Auch wenn die Größenordnungen zunächst erheblich sind: Ökonomisch ist das relativ zur Wirtschaftskraft der EU überschaubar, die zusätzlichen Kosten liegen nur bei circa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Das ist weit weniger, als etwa zur Krisenbewältigung während der Covid-Pandemie mobilisiert werden musste“, so Wolff weiter.