
Am Morgen hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann angekündigt, dem neu zu bildenden Kabinett um Friedrich Merz nicht angehören zu wollen. In einem bemerkenswerten Video erklärte er auf X: „Es geht mir um die Sache“. Den versprochenen „Politikwechsel“ wolle er nun weiter in seiner Rolle als Generalsekretär forcieren. In direkter Regierungsverantwortung hält er es offenbar nicht für möglich, tatsächliche Reformen umzusetzen.
Für die Union ist die Entscheidung ein Paukenschlag. Dass Linnemann einen Ministerposten übernehmen würde, galt seit der Bundestagswahl als gesetzt. Linnemann wird innerhalb der CDU als ausgewiesener Wirtschaftsexperte wahrgenommen. Er war von 2013 bis 2021 Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) und damit der wichtigste Vertreter des konservativen Wirtschaftsflügels der Union. In dieser Funktion drängte er schon zu Zeiten Merkels auf eine konservativere und liberalere Politik.
Durchweg stimmte Linnemann etwa gegen die Euro-Rettungspakete. Im August 2019 forderte Carsten Linnemann (CDU) verpflichtende Sprachtests für Vierjährige und eine Vorschulpflicht für Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen. Konkret erklärte er: „Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen. Hier muss eine Vorschulpflicht greifen, notfalls muss seine Einschulung auch zurückgestellt werden. Das kostet Geld, aber fehlende Integration und unzureichende Bildung sind am Ende viel teurer.“ Seine Forderungen wurden auch in der CDU teils scharf kritisiert.
In den innerparteilichen Machtkämpfen trat Linnemann immer wieder als Unterstützer von Friedrich Merz auf. Nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 knapp die Wahl um den Parteivorsitz für sich entscheiden konnte, drängte Linnemann darauf, Merz und seine Unterstützer spürbar in die weitere Parteiarbeit einzubinden. In Richtung von Kramp-Karrenbauer erklärte er, dass sie „Signale senden“ müsse „an diejenigen, die Friedrich Merz gewählt haben.“
Nachdem Kramp-Karrenbauer nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens zurücktrat, sprach sich Linnemann abermals für die Wahl von Friedrich Merz zum Parteichef aus. Nachdem Merz ein weiteres Mal unterlag, sprang Linnemann wieder für Merz in die Bresche. An den neuen Parteivorsitzenden gerichtet erklärte er: „Wir würden uns freuen, wenn Friedrich Merz in der neuen Führungsmannschaft von Armin Laschet eine wichtige Rolle spielt.“ Und weiter: „Die Union braucht seine Erfahrung und seine Kompetenz.“
Nach der Bundestagswahl-Niederlage im September 2021 gehörte Linnemann zu den ersten Stimmen, die einen schnellen Neuanfang unter Merz forderten. In einer Mitgliederbefragung sprach sich dann eine Mehrheit für Merz aus und auf dem Parteitag 2022 wurde Merz zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Karriere-technisch wurde dies auch für Linnemann ein Sprungbrett. 2023 wurde Carsten Linnemann zum Generalsekretär gewählt und Merz machte ihn zu einem seiner engsten Vertrauten.
Es hätte auf der Hand gelegen, dass Linnemann nun im Jahre 2025 auch einen Ministerposten unter der Regierungsführung von Friedrich Merz übernehmen würde. Stattdessen erklärte er, ein entsprechendes Angebot abgelehnt zu haben und sich weiter auf die Parteiarbeit konzentrieren zu wollen. Linnemann ist offenbar zu der Erkenntnis gekommen, dass der vielbeschworene „echte Politikwechsel“ auch mit Friedrich Merz nicht machbar ist.
Für Merz ist der Rückzug von Linnemann eine riesige Hypothek. Noch nicht einen Tag im Bundeskanzleramt hat er hinter sich gebracht und dennoch hat ihm schon jetzt einer seiner wichtigsten Vertrauten das Vertrauen entzogen. Merz findet derweil eine CDU im absoluten Umfragetief und eine enttäuschte Parteibasis vor. Als Kanzler könnten seine Tage schon jetzt gezählt sein. In diesen absehbaren Abwärtsstrudel will Linnemann sich nicht ziehen lassen.