
Die Sommerpause geht zu Ende, die Zeit der Sommerinterviews damit auch. Na endlich, dürften viele denken, Höhepunkte journalistischen Schaffens waren und sind diese freundlichen Plaudereien bekanntlich nicht. Einen Aufschluss, warum die Stimmung bei uns ist, wie sie ist, geben sie trotzdem.
In keinem Interview ging es um konkrete Vorschläge zur Sanierung des Gesundheitssystems oder der Rente. Die Medien sind voll von immer dringenderen Mahnungen, jetzt zu handeln, die Politik duckt sich weg und will irgendwann Kommissionen einsetzen. Bei den weltweiten Konflikten – Ukraine, Gaza etc. – wird immer deutlicher, dass Europa allenfalls zur Finanzierung herangezogen wird, aber echte Lösungsbeiträge nicht liefern kann. 2022 hat Scholz die Zeitenwende ausgerufen, 3 Jahre später ist die Bundeswehr noch immer überfordert, würde sie gebeten, sich an einer denkbaren Friedenstruppe in der Ukraine zu beteiligen.
Die Menschen spüren, dass das, was sie in ihrem Umfeld oder in den Medien an Problemen wahrnehmen und das, was die Politik an Vorschlägen macht, nicht mehr zusammenpasst. In der Ampel war das so, und jetzt ist es auch nicht besser, das frustriert. Die Koalition ist schlecht gelaunt in die Sommerpause gestartet und kommt genauso stimmungsgetrübt wieder raus.
Das Weidel-Sommerinterview wurde von linken Aktivisten gestört.
Das Interview, das am meisten Aufsehen erregt hat und den Menschen in Erinnerung geblieben sein dürfte, war das ARD-Gespräch mit Alice Weidel, einer der AfD-Vorsitzenden. Nicht, weil sie besonders Überraschendes verkündet hätte, sondern weil die ARD es für klug gehalten hat, das Interview so zu führen, dass Frau Weidel kaum zu verstehen war, ein lautstarker Protest dafür umso mehr. In Berlin ist man heute noch überrascht, wie innerhalb der Bannmeile, in der keine Kundgebungen stattfinden dürfen, mittels eines technisch hochgerüsteten Randale-Busses während des gesamten Interviews gestört werden konnte und die Polizei angeblich keine Möglichkeit des Eingreifens fand. Darüber, dass das Interview bereits am Nachmittag aufgezeichnet wurde, waren die Demonstranten jedenfalls unterrichtet. Und das weltweit höchstbezahlte öffentliche Fernsehen sah sich technisch dann nicht in der Lage, Geräusche auszublenden. Viele Überraschungen also. Keine Überraschung ist, dass diese Aktion mal wieder nach hinten losging. Frau Weidel blieb souverän und die öffentlich-rechtlichen Journalisten begreifen offenbar auch nach 10 Jahren nicht, dass der mediale Umgang mit der AfD diese nicht schwächt, sondern stärkt, weil er dem Fairnessempfinden der Menschen massiv widerspricht.
Wirklich kritische Fragen stellen jedenfalls die öffentlich-rechtlichen Journalisten den Vertretern der Regierungen schon längere Zeit nicht mehr. Weil man auf keinen Fall in der Nähe der Kritiker der Regierungen verortet werden möchte. Man sieht sich vielmehr an der Seite der Regierungen in der Auseinandersetzung mit der Opposition. So verstanden wird Journalismus langweilig. Siehe Sommerinterviews.
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