Vier Jahre Würzburg – gegen das Vergessen

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Apollo News

„Hier wurden am 25. Juni 2021 drei Menschen ermordet und mehrere schwer verletzt und traumatisiert.“ – diese Worte auf einer kleinen Stele sind alles, was vier Jahre nach der Messerattacke in der Würzburger Innenstadt von Christiane, Johanna und Stefanie bleibt. Den drei Frauen, die Opfer eines psychisch schwerst kranken, mutmaßlich islamistischen Mannes wurden; von dem damals 24-jährigen Somalier Jibril Abdurahman. Wir sollten ihre Namen nicht vergessen – genau wie die Tatsache, dass diese Tat nur durch dreifaches, eklatantes Staatsversagen möglich wurde.

Abdurahman wurde 1997 in Mogadischu geboren und kam 2015 im Rahmen der Flüchtlingskrise nach Deutschland. Der junge Mann lebte zunächst in Sachsen, ab 2019 dann in einer Würzburger Obdachlosenunterkunft. Sein Asylantrag wurde von den deutschen Behörden abgelehnt, doch der Somalier wurde trotzdem nicht abgeschoben – wegen seines subsidiären Schutzstatus. Der Status wird Menschen zuerkannt, die zwar keine Asylberechtigung haben, denen in ihrem Heimatland aber trotzdem ein ernsthafter Schaden droht.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Abdurahman den subsidiären Schutz wirklich zu Recht genoss. Es müsste bei ihm wohl eine explizite, individuelle Bedrohung bei der Rückkehr nach Somalia vorgelegen haben – von der zumindest offiziell nichts bekannt oder bestätigt ist. Es gibt nämlich Gerichtsentscheidungen zu ganz ähnlichen Fällen, in denen klar gegen den Schutzstatus entschieden wurde: Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Jahr 2020 zum Beispiel gegen eine 23-Jährige, die ebenfalls aus Mogadischu kam. Das Gericht befand, dass eine schlechte Sicherheitslage und die mangelhaften humanitären Bedingungen allein nicht ausreichen würden, um in Deutschland bleiben zu können.

Doch das ist nicht das Einzige, was einem am Fall von Würzburg stutzig machen muss – Jibril Abdurahman war den Behörden nämlich wegen Gewalt-Delikten bekannt. 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Abdurahman ermittelt, nachdem er in seiner Asylunterkunft einen anderen Bewohner verletzt hatte – er fügte ihm Schnittverletzungen zu. Fünf Monate vor seiner Tat wurde ihm „wegen Bedrohung“ ein Messer von der Polizei abgenommen. Doch es folgte nichts. Er wurde weder abgeschoben noch anderweitig von den Behörden beobachtet.

Hätte man damals gehandelt, wäre es vielleicht nie zu der Bluttat in Würzburg gekommen – oder wir wüssten zumindest, was den Somalier wirklich getrieben hat. Nach der Tat lag für viele zunächst ein islamistisches Motiv nahe – nach Zeugenaussagen soll Abdurahman während der Tat „Alluha Akbar“ (zu Deutsch: Gott ist groß) gerufen haben. Bei seiner Vernehmung machte er Aussagen, die auf „religiösen Fanatismus schließen“ ließen und in seiner Wohnung fand man nach Bild-Informationen IS-Propaganda-Material. Doch Kontakte zu „militanten Islamisten“ gab es nicht. Dafür eindeutige Hinweise auf eine schwere psychische Erkrankung.

Psychiatrische Gutachten zeigen, dass Abdurahman an einer paranoiden Schizophrenie leidet – einer der schwersten psychischen Erkrankungen, die mit völligem Realitätsverlust, Wahnvorstellungen und Verfolgungswahn einhergehen kann. Menschen, die sich in einer solchen akuten psychotischen Phase befinden, können Realität und Wahn nicht mehr trennen – sie haben oft Todesangst und sind unberechenbar. Aliens, Agenten und völlig irrationale Bedrohungen durch wahllos ausgewählte Passanten sind für den Kranken echt. Und in genau so einem Zustand befand sich Jibril Abdurahman offenbar zum Zeitpunkt der Tat.

Laut Zeugenaussagen redete er mit Vögeln, er war barfuß und verwirrt. In der Obdachlosenunterkunft habe er nach Aussagen von Bewohnern oft geschrien, gegen die Wände geschlagen und lauthals Selbstgespräche geführt. Ein Imam aus einer Moschee, in die Abdurahman gegangen ist, berichtete zudem, dass er behauptet habe, für den russischen und den amerikanischen Geheimdienst zu arbeiten und Millionär zu sein. Ein klassisches Beispiel für die abstruse Gedankenwelt und Wahrnehmung bei paranoid Schizophrenen.

Schon im Januar 2021 wurde Abdurahman mithilfe der Polizei in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, nachdem er in einer Obdachlosenunterkunft mehrere Personen mit einem Messer bedroht hatte. Wenige Tage vor der Tat soll Abdurahman erneut zwangseingewiesen worden sein, nachdem er sich in das Auto eines Fremden gesetzt hatte und sich geweigert hatte, es wieder zu verlassen. Dazu muss man wissen, dass eine Zwangseinweisung in Deutschland nur in wirklich schweren Fällen, bei akuter Eigen- und Fremdgefährdung eingeleitet wird.

Abdurahman verließ die Klinik am nächsten Tag auf eigenen Wunsch wieder – doch das hätte nicht möglich sein dürfen. Dass der Mann trotz offensichtlich immer noch vorliegendem Gefährdungspotenzial entlassen wurde, ist nur der Antipsychiatrie-Politik der letzten Jahrzehnte zu verdanken. Sie macht es durch immer schärfere Gesetzgebung beinahe unmöglich, jemanden längerfristig gegen seinen Willen festzuhalten – ihn zu behandeln und so den Betroffenen, aber auch die Gesellschaft zu schützen (lesen Sie hier mehr).

Unabhängig davon, ob Abdurahman nun islamistische Wahninhalte hatte oder ob er radikalisiert wurde, bevor die Krankheit bei ihm ausbrach: Unser Staat hat gleich auf dreifacher Ebene versagt – und Jibril Abdurahman so ermöglicht, drei Menschen zu töten und fünf schwer zu verletzen.

Sein erstes Opfer war die brasilianische Lehrerin Christiane H. Sie starb bei dem Versuch, ihre kleine Tochter vor dem psychisch gestörten Mann zu schützen. Die 49-Jährige war erst Anfang des Jahres mit der 11-jährigen Akines nach Deutschland gekommen, wollte ihrer Tochter hier wahrscheinlich ein besseres Leben ermöglichen. Mutter und Tochter waren an jenem Tag bei Woolworth einkaufen, als Akines plötzlich von Abdurahman angegriffen wurde. Der Somalier hatte sich ein großes Messer aus dem Geschäft gestohlen und ging damit auf das Kind los. Christine H. warf sich schützend auf ihre Tochter, doch der Somalier stach durch ihren Körper hindurch auf das Kind ein und verletzte es schwer.

Christiane gab ihr Leben dabei, ihre Tochter zu schützen und erhielt dabei Hilfe von der 82-jährigen Seniorin Johanna H. – sie griff völlig selbstlos in die Szene ein und ermöglichte dem Kind so die Flucht. Während Johanna an Abdurahmans Messerstichen starb, rannte Akines blutend aus dem Laden, wobei sie „ich will noch nicht sterben“ geschrien haben soll. Zu diesem Zeitpunkt sind zwei Menschen tot, doch der Somalier ist noch nicht fertig.

Jibril Abdurahman trifft in der Woolworth-Filiale auf Stefanie Wagner, die sich gerade ein Kleid für die Hochzeit ihrer besten Freundin kaufen wollte. Steffi sollte Trauzeugin werden, stattdessen erlag sie ihren schweren Verletzungen nach einer kurzen Flucht auf den Tramgleisen. „Wir fühlen uns ohnmächtig, ratlos und stehen vor einer Wand“, schreibt ihre Familie knapp zwei Wochen später in der Traueranzeige der 24-Jährigen – sie „wollte noch so viel von der Welt sehen“. Doch Stefanie starb etwas mehr als einen Monat vor ihrem Geburtstag, dem 1. August.

Unweit von Stefanie findet die Polizei am 25. Juni 2021 einen 16-jährigen schwerverletzten Jungen und die 73-jährige Ingrid L., auf die Abdurahman 13 Mal eingestochen hatte. Sie hatte Stichwunden im Hals- und Rückenbereich, ihre Halsschlagader wurde nur knapp verfehlt. Ingrid überlebte nur dank einer Notoperation. Noch zwei weitere Frauen im Alter von 39 und 52 Jahren werden schwer, eine 26-Jährige und ein 57-jähriger Mann leicht verletzt. Sie überleben – doch keiner von ihnen wird diesen traumatischen Tag je vergessen. Und das sollten wir auch nicht.

Dieser Artikel erschien in leicht abgewandelter Form auch im letzten Jahr bei Apollo News. Wir wollen den Opfern des Politikversagens in Bezug auf die Migrationspolitik und Psychotiker ein Gesicht und einen Namen geben – ihre Geschichten erzählen. Der Beitrag hat nicht an Aktualität verloren. Das zeigten zuletzt unter anderem auch die Messerangreiferin in Hamburg oder die Frau, die 30 Minuten nachdem sie aus Polizeigewahrsam entlassen wurde, in München zwei Menschen niederstach (mehr dazu hier und hier).

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