
In einem gemeinsamen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) warnen vier SPD-Wirtschaftsminister vor den EU-Flottengrenzwerten. Gemeinsam haben alle, dass sich in ihren Bundesländern VW-Werke befinden. Verfasst wurde der Gastbeitrag von Franziska Giffey aus Berlin, Martin Dulig aus Sachsen, Olaf Lies aus Niedersachsen und Kaweh Mansoori aus Hessen.
Die vier Minister der SPD bekennen sich klar zum Klimaschutz und den Zielwerten. Es geht in dem Positionspapier also um die Frage, wie diese Werte erreicht werden sollen. Die Wirtschaftsminister kritisieren, dass die CO2-Flottenziele in ihrer jetzigen Form jahresweise gemessen werden und es daher zu Strafzahlungen in Milliardenhöhe kommen kann, die weitere Investitionen erschweren. Sie stellen fest, dass dieses Vorgehen „Unternehmen in der Transformation gegenüber Unternehmen, die neu als Hersteller von reinen E-Autos gestartet sind“, benachteilige. Die Bundesregierung und die EU-Kommission werden aufgefordert, das abrupte Absenken des Grenzwertes durch ein flexibles Modell zu ersetzen, das auf Durchschnittswerte setzt. So ist vorgesehen, dass nächstes Jahr das Flottenemissionsziel von 115 Gramm je Kilometer auf 98 Gramm je Kilometer sinkt und bis 2029 auf diesem Niveau verharrt. In ihrem Gastbeitrag fordern die Wirtschaftsminister, dass der Durchschnittswert der kommenden fünf Jahre bei 98 Gramm je Kilometer liegen soll. Dieses flexible Absenken würde helfen, Strafzahlungen zu verringern und die Standorte zu erhalten.
Außerdem fordern sie, dass es ein „[v]erlässliches Bekenntnis zur Elektromobilität“ gibt. In der Elektromobilität liege die Zukunft, schreiben sie. „[R]eflexartige Debatten um ein Zurück zum Verbrenner“ würden Unternehmen und Kunden verunsichern. Stattdessen müsse die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, damit Menschen sich trauen, ein E-Auto zu kaufen. Zweitens fordern sie, dass der Bund wieder eine Kauf- und Leasingpräme für E-Autos einführen soll. Des Weiteren sollen die Energiepreise gesenkt werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das soll erreicht werden, indem Netzentgelte aus dem Strompreis gestrichen werden.
Die Minister schreiben, dass die Probleme in der Autobranche die Probleme in der Wirtschaft wie unter einem Brennglas vergrößern. „Die Automobilindustrie als Pfeiler der deutschen Wirtschaft“ befinde sich in einer „herausfordernden Lage“. Sie wollen passende Rahmenbedingungen setzen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland und insbesondere die Autobranche als wichtigen Arbeitgeber zu erhalten. In den vier Bundesländern gibt es insgesamt zehn große VW-Standorte. In Sachsen gibt es drei Standorte, in Berlin einen, in Hessen zwei. In Niedersachsen gibt es vier Volkswagen-Werke.
Die vier Wirtschaftsminister der Bundesländer setzen sich dafür ein, alle zehn VW-Werke „vollumfänglich zu erhalten“. Einzelne Werke dürfen „nicht gegeneinander ausgespielt werden“. „Bestehende Strukturen mit vielen guten, tarifgebundenen Arbeitsplätzen müssen langfristig gestärkt und gesichert werden“, schreiben sie.
Die Richtlinie zu Flottengrenzwerten wurde 2019 verabschiedet und legt die neuen CO₂-Flottengrenzwerte fest, die ab 2025 beziehungsweise ab 2030 gelten. Der Flottengrenzwert bedeutet, dass der Durchschnitt aller Fahrzeuge, die in einem Jahr in der EU zugelassen werden, einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf. Der aktuelle Wert liegt bei 115,1 Gramm CO₂ pro Kilometer und Fahrzeug. Ab 2025 soll ein Wert von 93,6 Gramm und ab 2030 ein Wert von 49,5 Gramm gelten.
Mitte September warnte die europäische Automobilindustrie in einem internen Dokument vor dem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen in ganz Europa wegen der Flottengrenzwerte. Da die Autobranche nicht in der Lage sei, die verschärften Anforderungen zu erfüllen, müsse man die Produktion drosseln, um Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu entgehen. „Es gibt keine reinen Verbrennungsmotoren, die weniger als 95,6 g CO₂/km ausstoßen“, heißt es in dem Schreiben. Selbst Wagen mit Hybridantrieben seien kaum in der Lage, die geforderten Grenzwerte nicht zu überschreiten. Um die Grenzwerte einhalten zu können, müsste auf vier zugelassene Verbrennerautos ein Elektroauto kommen. Andernfalls drohen Strafzahlungen in Höhe von 13 Milliarden Euro (Apollo News berichtete).