Vierter Premier in kürzester Zeit: Die französische Regierung steht erneut vor dem Aus

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Die französische Regierung unter Ministerpräsident François Bayrou steht vor dem Aus. Am Montagnachmittag um 15 Uhr wird der 74-jährige Politiker, der erst seit Dezember 2024 im Amt ist, die Vertrauensfrage in der französischen Nationalversammlung stellen und diese aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren. Bayrous Scheitern dürfte die französische Staatskrise erneut verschärfen – es droht die Unregierbarkeit Frankreichs.

Die kaum zu verhindernde Abwahl von Bayrou am Montagnachmittag droht für Frankreich und Präsident Emmanuel Macron erneut zur Zäsur zu werden – und für Frankreich und Europa zum ernsthaften Risiko. Denn wie bei Bayrous gescheiterten Vorgängern geht es erneut um dieselbe Problematik: den französischen Haushalt.

Frankreich ist massiv überschuldet und droht in eine unlösbare Wirtschaftskrise zu stürzen. Schon im Dezember bei Bayrous Amtsantritt überstiegen die Risikoaufschläge auf französische Staatsanleihen zeitweise die griechischen Werte. Auch die EU-Kommission hatte bereits ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet und fordert einen Plan zur Senkung des Haushaltsdefizits.

Frankreich muss 2025 dennoch erneut 300 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen. Jetzt, so zeigen die Statistiken, ist Frankreichs Schuldenstand auf rund 114 Prozent der französischen Wirtschaftskraft gewachsen. Der europäische Stabilitätspakt erlaubt nur die Hälfte davon – 60 Prozent. Frankreich hat nach Zahlen des Internationalen Währungsfonds mit rund 3.300 Milliarden Euro den höchsten Schuldenstand im Euroraum, bei gleichzeitig den höchsten Staatsausgaben.

Bayrou hatte also seit seinem Amtsantritt die Pistole auf der Brust: Seine Regierung muss unpopuläre Reformen durchsetzen – mithilfe der politischen Rechten oder der politischen Linken. Seit der Auflösung des Parlaments im Juni 2024, nachdem Macrons zentristisches Lager gegen das RN und „Nouveau Front Populaire“ verloren hatte, fehlt Macron die Mehrheit in der Nationalversammlung.

Die Parteien, die Macron unterstützen und damit auch Bayrou, stellen nur 213 der 577 Sitze im Parlament. Bayrou konnte im Dezember keine der Parteien aus dem linken Parteienbündnis „Nouveau Front Populaire“ überzeugen, eine Mehrheit zu bilden. Genau darauf hatte Macron mit der Benennung von Bayrou gehofft – Bayrou galt als altgedienter Vermittler. Dennoch waren seine Verhandlungen mit den Vertretern der anderen Parteien erfolglos.

Denn die Einsparungen, die er mit Macron treffen muss, sind in Frankreich offenbar nicht mehrheitsfähig: Bayrou plant, im kommenden Jahr 2026 44 Milliarden Euro im Haushalt einzusparen, Feiertage sollen gestrichen werden. Auch an die Rente will Bayrou herangehen, so ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ein denkbarer Schritt, um finanziellen Spielraum zu schaffen. In der Bevölkerung bringt das Vorhaben Wut hervor: Unter dem Slogan „Blockieren wir alles“ wollen am 10. September linksgerichtete Organisationen zur Komplettblockade in Frankreich aufrufen. Gewerkschaften haben zu Streiks aufgerufen, ziviler Ungehorsam soll Teil der Aktionen werden.

Die größte linke Partei, LFI, geführt von Jean-Luc Mélenchon, unterstützt das Vorhaben und sprach von „Solidarität“. Gegen die rechte RN von Le Pen steht derweil die französische Brandmauer. Die aktuelle Wirtschaftskrise verhalf ihrer Partei zuletzt zu vielversprechenden Umfrageergebnissen. Das Rassemblement National liegt mit 33 Prozent derzeit in den Umfragen vom Umfrageinstitut Ifop vor dem linken Bündnis NFP, das auf 24 Prozent kommt, das Ensemble-Bündnis von Präsident Emmanuel Macron rangiert bei 15 Prozent.

Der Abstand von RN gegenüber seinen Konkurrenten wäre also noch stärker als in der ersten Runde der Parlamentswahl Ende Juni 2024: 33,15 Prozent erreichte die Partei von Marine Le Pen damals, knapp vor dem NFP mit 27,99 Prozent. Macrons Ensemble kam damals noch auf 20,04 Prozent.

„Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit von Schwierigkeiten viel größer ist als die Erfolgschancen“, hatte Bayrou zu Beginn seiner Amtszeit im Dezember zu seiner Aufgabe gesagt. Jetzt, neun Monate später, hat Bayrou es tatsächlich nicht geschafft, die politischen Kräfte zu bündeln, um gemeinsam dringend notwendige Wirtschaftsreformen auf den Weg zu bringen. Seine Abwahl ist der klare Fingerzeig der Linken und der Rechten, dass sie nicht interessiert sind, Macrons Wirtschaftsreformen zuzustimmen.

Auf Bayrous Abwahl wird Macron vermutlich mit der Einsetzung eines neuen Premierministers reagieren. Das Linksbündnis kündigte an, unter der Bedingung, die Einsparungen massiv zu verkleinern, einen neuen Ministerpräsidenten mitzutragen. Macrons Alternative, erneut das Parlament aufzulösen und Neuwahlen durchzuführen, gilt derweil eher als unwahrscheinlich. So oder so sieht es danach aus, dass Frankreich aller Wahrscheinlichkeit nach am Montagabend ohne Regierung dasteht – in Zeiten einer Wirtschaftskrise und der zentralen Bedeutung Frankreichs für die europäische Außen- und Sicherheitspolitik ein eigentlich untragbarer Zustand.

Bayrou wäre bei einem negativen Ergebnis seiner Vertrauensfrage bereits der vierte von Macron eingesetzte Premierminister binnen zwei Jahren, der abgewählt werden würde. Auch mit dem nächsten Kandidaten müsste Macron erneut politische Kompromisse an das rechte Rassemblement National oder das links-sozialistische Bündnis „Nouveau Front Populaire“ machen. Gerade Letzteres wittert eine historische Chance, Macron nachhaltig zu einer linksgerichteten Politik zu zwingen. Frankreich steht so politisch und wirtschaftlich inmitten einer heftigen Staatskrise.

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