
Die einen halten alles, was Trump tut und von sich gibt, für nahezu göttlich. Die anderen können beim besten Willen kein gutes Haar an Friedrich Merz finden. Alles toll oder bäh. Damit fehlt es beiden Seiten an Urteilskraft. Wahrscheinlich wollen sie sich keine abgewogene Meinung bilden. Bilden strengt sowieso an. Sie suchen die Wärme der Gesinnung. Zu finden ist sie in der Blase, in der sie sich aufhalten.
Die einen klagen am liebsten über die Spaltung der Gesellschaft. Es sind die Korrekten, Angepassten, die sich im Untertanendasein mehr oder weniger wohlig eingerichtet haben. Die glauben, da wo sie sind, sei die Mitte der Gesellschaft, mehr noch, das demokratische Kraftfeld des Wahren, Guten und womöglich auch noch Schönen. Sie leiden daran, dass es die Anderen gibt, die Abgespalteten, die Unfolgsamen, die Quertreibenden – also die Unzumutbaren, Auszugrenzenden, Abzulehnenden. Diejenigen, die am lautesten über die Spaltung klagen, die ständig Zeichen setzen und die einzig zulässige Haltung einnehmen, sind also selbst die größten Spalter. Im Grunde möchten sie dasselbe wie die anderen. Alles soll sich ändern, nur nicht sie sich selbst.
Der Konformist als Spalter. Die Dialektik besteht darin, dass beide Seiten das Gegenteil dessen bewirken, was sie zu beabsichtigen behaupten. Konformisten träumen von der totalen Ordnung. Vom Staat als Friedhofswärter. Von Ängsten getrieben, töten sie die Freiheit in sich ab – am liebsten auch die aller anderen. Sie fürchten, dass die Zivilisation stirbt, der Planet unbewohnbar wird, solange nicht alle einsehen, dass die Sonne im Sommer ein Nazi ist. Der Konformist weiß es immer besser. Der deutsche Besserwisser lädt alle Besserwisser der Welt dazu ein, das deutsche Wesen als seine Heimstatt zu begreifen. Das ist der Kern der missratenen Willkommenskultur. Deutschland als Heimat der Welt und des Weltgewissens. Diese Staats(ange)hörigen planen eine neue Ordnung durch Unordnung. Den wirklich Freiheitlichen werfen sie die Neigung zur Disruption vor. Das heißt: Für sie ist alles in Ordnung, was das Ordnungsverständnis der Freiheitlichen stört.
Aber umgekehrt ist es kaum anders. Alle Konformisten klagen über Konformismus, den Konformismus der jeweils anderen, der Manipulierten, der von Massenmedien verblödeten, derer, die am liebsten falschen Propheten folgen. Konformisten verachten Konformisten. Alle tun so, als seien sie frei, obwohl sie doch alle ihren jeweiligen Propheten blind folgen. Die einen suchen Erlösung im Wokismus, die anderen halten den Lärm von Kettensägen für Musik und bewundern autoritäre Machthaber. Vereinfacht ausgedrückt: Es gibt in Wahrheit zu viele Konformisten in diesem Land, nur eben (mindestens) zweierlei Art. Sie sind darin konform, dass alles Elend nur im Konformismus zu suchen ist – im Konformismus der anderen.
Die beiden Seiten mit Rechts und Links zu bezeichnen, fällt zunehmend schwer, weil beide Seiten zum Kollektivismus neigen. Der echte, leider unerkannte Kulturkampf verläuft zwischen denen, die alles geregelt haben wollen, und denen, die erkannt zu haben glauben, dass in der Regel selbst das Chaos lauert. Paraphrase: Es ist jene Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft. Der Geist, der stets bejaht, ist der Ursprung allen Elends. Der Geist, der stets verneint, ist aber auch nicht die Lösung. Was fehlt, ist die Tugend der Skepsis, des Misstrauens, der Distanz!
Hier liegt der Grund dafür, dass die Streitkultur, die Wesen jeder freien Gesellschaft sein sollte, beschädigt ist. Statt echtem Diskurs, statt Austausch, statt Ringen um die bessere Lösung dominieren die Ablehnung und das Einigeln im eigenen Weltbild. Noch einmal: Konformisten haben sich darauf verständigt, dass alle anderen Spalter sind. Beide verschanzen sich in ihren Blasen. Sie möchten nur noch hören, sehen, sagen, was in die jeweilige Blase passt, alles andere wird verschmäht und verachtet. „Social media“ trägt entscheidend zu dieser Blasenbildung bei. Die Alternative, für die sich viele halten, wird zum einzig Wahren erklärt – und damit das jeweils Andere alternativlos zum Feind. Es ist die Dialektik der Selbstzerstörung. Daran leidet mittlerweile nicht nur diese Gesellschaft, sondern das ganze, gute alte Abendland. Nennen wir diese Krankheit Blasenentzündung! Es ist das Leiden der Demokratie an sich selbst.