
Für den schokobraunen Genuss müssen die Verbraucher immer tiefer in die Tasche greifen, denn die Schokoladenpreise kennen derzeit nur eine Richtung: bergauf. Die einstige „Schallgrenze“ von einem Euro für eine 100-Gramm-Tafel ist längst Geschichte. Heute kostet eine Tafel Milka-Vollmilchschokolade bis zu 2 Euro, fast gleichauf mit Ritter Sport, einem anderen deutschen Klassiker.
Wer genau hinschaut, erkennt schnell, warum Milka die Zwei-Euro-Grenze nicht reißt: Die Tafel wiegt nur noch 90 Gramm. Weniger für mehr Geld, eine beliebte und erfolgreiche Masche der Lebensmittelindustrie. Die Tafeln von Ritter Sport bringen dagegen noch 100 Gramm auf die Waage, allerdings muss man hier leichte Abstriche bei der Qualität machen. Die hat eben ihren Preis!
Grund für die Preissteigerungen sind allerlei Wetterunbilden und Pflanzenkrankheiten in Westafrika, einem der wichtigsten Herkunftsländern von Kakao, die zum Teil dem „Klimawandel“ zugeschrieben werden. Dazu kommen natürlich die allgemeine Inflation infolge gestiegener Energiekosten, spekulative Aktivitäten auf dem Kakaomarkt sowie die steigende Nachfrage nach Schokolade in Asien.
Bei der allgemeinen Klage über die hohen Kakaopreise sollte man nicht vergessen, dass die niedrigen Preise der Vergangenheit den schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Kakaobauern nicht gerecht wurden. Der Druck zur Erweiterung der Anbauflächen führte dazu, dass Kakao auch dort angebaut wurde, wo die Bedingungen nicht die besten sind, was wiederum Missernten begünstigt. Wer Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit möchte, muss dafür blechen. So einfach ist das! Doch die Moral und die Parolen von sozialer Gerichtigkeit verstummen meist an der Kasse.
Schokolade besteht im Wesentlichen aus Kakaomasse – fein gemahlenen Kakaobohnen – Kakaobutter, Zucker, im Falle von Milchschokolade, Milch bzw. Milchpulver sowie Vanille(aroma). In welchem Verhältnis die Zutaten in Beziehung zueinanderstehen, bedingt zu einem erheblichen Anteil die Qualität: Je höher der Kakaoanteil und der Anteil an Kakobutter, desto mehr Geschmack.
Außerdem wird Schokolade umso zarter, je länger die Schokoladenmasse conchiert wird, ein 1879 von Lindt erfundenes Verfahren, bei dem die Schokoladenmasse bis zu mehreren Tagen bei unterschiedlichen Temperaturen homogenisiert wird und sich auf diese Weise der berühmte Schmelz entwickelt.
Wir haben deutsche Schokoladen-Klassiker getestet, dazu einige Produkte aus der Schweiz, und kommen zu dem Ergebnis: Der Mythos „Schweizer Schokolade“ ist nicht ganz unberechtigt.
Lindt Milch extra Die in der Schweiz produzierte Vollmilch-Schokolade wirbt mit „Milch extra“. Was genau und wie viel „extra“ sich dahinter verbirgt, bleibt ein Rätsel der Schweizer Traditionsfirma. Die klassische Vollmilch-Schokolade bringt es jedenfalls auf mindestens 31 Prozent Kakao, immerhin 56 Gramm Zucker, dazu kommen Voll- und Magermilchpulver, ebenso eine Prise Salz und Gerstenmalzextrakt. Dass daraus eine herrlich feine Textur entsteht, die sich wollig im Gaumen breitmacht und Kakao in feinster Aromatik präsentiert, ist Schweizer Schokoladen-Kunst auf hohem Niveau. Aber noch nicht auf dem Gipfel. 100 Gramm für rund 3 Euro. Note 2+
Faverger Chocolat au Lait Eine Manufaktur-Schokolade aus Versoix der Schweiz am Genfersee, zehn Kilometer von Genf entfernt. Das Unternehmen existiert seit 1826. Die Tradition schmeckt man in diesem Fall: feiner Schokoladengeschmack, nicht zu süß, die Textur hinreichend schmelzend. Vor allem im Abgang sehr deutliche Kakaonote. Auch der Preis kann sich sehen lassen: die 100 Gramm-Tafel kostet 4,29 Euro. Dafür bekommt man bei kleinen deutschen Chocolatiers eine mindestens ebenso gute Qualität. Note 2
Lindt Maitre Chocolatier Schweizer Schokolade made in France für den deutschen Markt. Lindt macht es möglich und fährt gut damit. Die Vollmilch-Schokolade hat zwar auf der ersten Blick mit 54 Gramm zu viel Zucker, und mit 30 Prozent auch noch relativ wenig Kakao aufzuweisen. Auch die Milch wird in Pulverform beigemischt, selbst vor Magermilchpulver und Gerstenmalzextrakt schreckt man nicht zurück. Dass sich am Ende der Gaumen mit zartschmelzender Schokolade füllt, die dazu intensiv nach Kakao schmeckt, durchaus mit leichter Süße, ist umso verwunderlicher. Eine geschmackliche Belle-Alliance zwischen Schweizer und Franzosen, von denen die deutschen Schokofans profitieren. 100 Gramm für rund 2,80 Euro. Note 2
Swiss Confisa (Bio) Feinste Milchschokolade Echte Schweizer Schoggi aus einem deutschen Bio-Supermarkt. Bei Swiss Confisa handelt es sich um die Eigenmarke eines Tochterunternehmens der Schweizer Handelskette Coop. Auf der Innenseite der Pappverpackung erfährt man wieder, was man durch den Kauf dieser Tafel alles Gutes macht für Böden, Bauern und Klima. Deswegen schmeckt die Schokolade allerdings nicht besser. Der relativ bescheidene Kakaoanteil von 34 Prozent macht sich in einer gewissen geschmacklichen Unbedarftheit bemerkbar. Trotz 49 Gramm Zucker auf 100 Gramm schmeckt die Schokolade jedoch nicht zu süß, dazu entfalten die dünn gegossenen, quadratischen Stücke im Mund einen angenehmen Schmelz. 100 Gramm für 2,79 Euro. Note 3
Milka Alpenmilch Von dem Schweizer Zuckerbäcker Philippe Suchard 1825 gegründet, wurde die Marke Milka erst im Jahr 1901 eingetragen. Die lila Kühe tauchten erst 1972 auf der Verpackung auf. Schokolade aus 100 Prozent Alpenmilch verspricht der Klassiker, vermischt mit 33 Prozent Kakao, 55 Gramm Zucker, Butterreinfett und Aroma. Wer nicht weiß, wie Alpenmilch schmeckt, wird es auch bei Milka nicht erfahren. Die Schokolade ist ab dem ersten Biss vor allem süß, tatsächlich zartschmelzend, aber wenig milcharomatisch und im Nachgang geschmacklich relativ dünn. Das geht gerade so, kann man mal essen. Ist aber keine Schokoladen-Offenbarung und geschmacklich weit entfernt von der einprägsamen lila gefärbten Werbung. 90 Gramm rund 1,99 Euro. Note 3
Fine Carré Alpenmilch „Fine Carré“ ist eine Schokoladen-Eigenmarke von Lidl, die in rund zehn verschiedenen Sorten angeboten wird. Für die Vollmilch-Variante soll Kakao aus nachhaltigem Anbau und fairem Handel verarbeitet worden sein. So jedenfalls die Infos von Lidl. Rund 30 Prozent Kakao und fast 57 Gramm Zucker stecken in der 100 Gramm Tafel, das alles zu einem Preis von unter einem Euro. Die Schokolade bricht relativ weich, ist zartschmelzig auf der Zunge, drückt aber neben dem Milch-Kakao-Geschmack eine ordentliche Portion Süße in den Gaumen. 100 Gramm für rund 70 Cent. Note 3
Ritter Sport Edel-Vollmilch Seit 1912 produziert der Familienbetrieb Schokoladen, im Segment der 100-Gramm-Tafeln hat das Unternehmen im deutschen Markt einen Anteil von rund 22 Prozent und liegt damit knapp hinter dem ewigen Konkurrenten Milka. Seit 1932 ist die von der Firmengründerin Clara Ritter erfundene quadratische Schokolade das Kernstück der Kollektion und macht rund 90 Prozent des Umsatzes aus. Im Vollmilch-Klassiker stehen sich rund 35 Prozent Kakao, 21 Prozent Vollmilch-Pulver und 47 Gramm Zucker gegenüber, das Ganze wippt im Mund auf die süße Seite. Ein wenig zarter Schmelz nach einigen Kaubewegungen gibt dem geschmacklichen Gesamteindruck doch noch eine halbwegs positive Note. 100 Gramm für rund 1,99 Euro. Note 3-
Cailler Schweizer Alpenmilchschokolade Cailler ist die älteste noch existierende Schokoladenmarke der Schweiz, 1819 begründet von François-Louis Cailler in Corsier bei Vevey. Heute unter dem Dach des Lebensmittelmultis Nestlé. Cailler ist „stolz darauf“, ausschließlich Milch von Bauern aus einem Umkreis von 30 Kilometern um die Schokoladenfabrik in Vevey am Genfersee zu verwenden. Klingt gut, aber wie schmeckt das Traditionsprodukt? Enttäuschend! Cailler-Schoggi hat zwar einen schönen Schmelz, ist jedoch viel zu süß. Zucker kommt auf einen Gewichtsanteil von stolzen 51,1 Prozent, der Kakaoanteil dümpelt bei mageren 31 Prozent. Ach ja, die regionale Milch findet als gezuckerte Kondensmilch ihren Weg in die Schokomasse. Note 3-
Schogetten Es gibt sie seit 1962 und man findet sie in fast jedem Supermarkt. Schogetten, jene 18 kleinen praktischen Quadrate, die aus der Trumpf Schokoladen-Imperium kommen. Man muss sie mögen, um sie zu mögen. Idealerweise hat man seine Kindheit in den späten 1960er und 1970er Jahren verbracht, dann nämlich schwingen in jedem Bissen Schogetten, die immer schmecken, als habe man sie für Jahre in einer Schublade vergessen, auch Kindheitserinnerungen mit. Der erste Biss ist ein wenig hart. Haben es die Zähne geschafft, bröselt das kleine Quadart aus viel Zucker, rund 55 Gramm und zirka 30 Prozent Kakao, splitternd auseinander. Von Schmelz kann keine Rede sein, man muss einfach weiter kauen. Retro-Schoko, 100 Gramm für rund 1,99 Euro. Note 4
GEPA Vollmilch Mascobado Bio & Fair Viele bunte Label und viel Information prangt auf der Verpackung: Milch von Bauern aus dem bayerischen Voralpenland, Kakao aus dem bolivianischen Regenwald, Vollrohrzucker von einer philippinischen Kooperative. „Das ist rundum zart-schmelzender Schokoladen-Genuss, von dem alle etwas haben.“ Schön getextet. Aber wie steht’s nun um den Genuss? Erstmal passt es irgendwie nicht zum Öko-Image, wenn die Schokolade unter der Papierhülle mit Plastik umwickelt ist. Der Biss ist bröselig und weit weg von „zart-schmelzend“. Trotz 38 Prozent Kakaoanteil überwiegt das etwas aufdringliche Karamell-Aroma von Mascobado-Zucker mit einem Gewichtsanteil von 43 Gramm. Vor allem im Abgang ziemlich nichtssagend. Note 4
Alpia Vollmilch Von der 1839 in Köln gegründeten Manufaktur Stollwerck als Marke platziert, gibt es Alpia seit 1906. Auch dieser Klassiker prahlt mit „echter Alpenmilch“, was immer das ist. Die ziemlich bruchfeste, fast bröselige Schokolade entwickelt am Gaumen erst nach und nach zumindest etwas Schmelz. Ansonsten ist „Alpia“ vor allem süß, der Kakao-Geschmack kaum wahrnehmbar. Dafür kosten 100 Gramm auch nur rund 1,30 Euro. Wer sich unnötige Kalorien zuführen möchte, kann das gerne essen, Spaß macht „Alpia“ nicht. Note 5