
„IMMUNE 2 INFODEMIC zielt darauf ab, die EU-Bürger gegen die Desinformation und Fehlinformationen zu ausgewählten Themen zu immunisieren“, so lautet die Beschreibung des Projekts „Immune 2 Infodemic“. Dieses wird seit Januar 2023 von der EU mit 643.700 Euro gefördert. Mit zahlreichen Informationsbroschüren und Projektangeboten klärt das Projekt unter anderem darüber auf, dass Migranten keine Gefahr für die Sicherheit darstellen, sondern eher Opfer von Gewalt sind, und dass die EU die Souveränität der Mitgliedsländer keinesfalls einschränkt – gegenteilige Meinungen seien „Falschinformationen“.
Konkret zielt das Projekt darauf ab, „gefährdete Bürger“, darunter die „Jugendgeneration und Senioren (65+ Jahre)“, vor einer aktuellen „Infodemie“ mittels „Impfstoffen“ (Methoden) und „Boostern“ (Themen) zu „immunisieren“. Mit „Impfstoffen“ sind Methoden gemeint, wie die Förderung von digitaler Alphabetisierung, Medienkompetenz und kritischem Denken, um Falschinformationen zu erkennen. Dabei legt „Immune 2 Infodemic“ den Hauptfokus auf die Themen Migration, Corona-Pandemie und die EU-Wahlen. Mehrere Broschüren sollen die Themen und entsprechende „Falschinformationen“ aufklären.
So sei beim Thema Migration die Ansicht, dass Zuwanderer die europäische Kultur bedrohen würden, falsch. Als Begründung wird in der Broschüre aufgeführt, dass lediglich 6,1 Prozent der europäischen Bevölkerung aus dem Ausland kommen. Auch die Sorge, dass Migranten die öffentliche Sicherheit besonders gefährden würden, sei eine falsche Behauptung. Die meisten Terrorattacken würden nämlich von EU-Bürgern ausgehen. Es seien eher die Migranten, die Opfer von Gewalt sind, legt die Broschüre nach. Zudem sei die Sorge, dass Migranten das Gesundheitssystem ausnutzen würden, ebenfalls falsch.
Auch anlässlich der EU-Wahlen im Juni 2024 deckt die Broschüre vermeintliche Desinformationen auf. So sei die Meinung, dass die EU-Mitgliedschaft die Souveränität der Länder bedrohe, falsch. „Die EU trägt nur Verantwortung in bestimmten Bereichen“, heißt es in der Begründung. Diese Meinung sei gefährlich, weil dadurch die Anti-EU-Bewegung dazugewinne, wird in der Broschüre gewarnt.
Das Projekt erklärt zudem die Ansicht, dass Mitgliedstaaten nicht von der EU profitieren würden, für falsch. Die Behauptung würde ein „geschwächtes Vertrauen in die Fähigkeiten der EU, wirtschaftliche Vorteile zu bieten“, bewirken, problematisiert man in dem Flyer. Falsch sei die Meinung, weil die EU schließlich versuche, regionale Ungleichheiten aufzuheben.
Zudem versucht man in der Broschüre die Kritik aus dem Weg zu räumen, dass Brüssel, der Sitz der EU-Institutionen, den Bezug zum normalen Bürger verloren habe. Dagegen wirft die Broschüre ein, dass die Bürger schließlich das Recht hätten, ihre Ansichten zur EU-Politik zu äußern. Die EU sei zudem transparent, da Dokumente öffentlich zugänglich seien.
„Immune 2 Infodemic“ veröffentlichte zudem mehrere Broschüren zu Desinformationen zu dem Corona-Virus. So soll eine Infografik die Entwicklung von Desinformations-Narrativen im Internet darstellen, die vor allem zu Beginn des Jahres 2022 gestiegen sein sollen. Dabei bezieht sich das Projekt auf Daten des European Digital Media Observatory, das die Entwicklung der Falschinformationen über das Coronavirus seit Dezember 2021 gemessen hat.
Doch wie die Aufschlüsselung der als „Falschinformation“ registrierten Fälle zeigt, zählt unter anderem die Behauptung, dass das Virus aus einem chinesischen Labor stammt, als Desinformation. Ebenfalls eine Desinformation sei die Behauptung, dass ungeimpfte Menschen bei Demonstrationen brutal unterdrückt wurden. Auch die Einschätzung, dass das Coronavirus nicht extrem gefährlich ist, wurde als Desinformation in die Statistik aufgenommen.
Eigentlich sollte „Immune 2 Infodemic“ die EU-Bürger aufklären, doch bei näherem Hinsehen wird klar: Das Projekt selbst verbreitet strittige und in Teilen falsche Informationen und präsentiert diese unkommentiert als Fakten und die reine Wahrheit. Die undifferenzierten und vereinfachten Broschüren des von der EU geförderten Projekts dienen mehr der Meinungsmache als der sachlichen Auseinandersetzung – und das teils zur EU-Wahl 2024.