
Mittwoch, 10. September 2025. Während Frankreich in den Generalstreik tritt und seine Regierung wankt, inszeniert sich Ursula von der Leyen im EU-Parlament als oberste Kriegsführerin Europas. In olivgrünem Blazer – militärisch, aber modisch – betritt sie die Bühne der jährlichen Rede zur Lage der Union. Was folgt, ist weniger ein politischer Bericht als vielmehr eine PR-Offensive, eine perfekte Inszenierung für Social Media, Influencer und das Narrativ von „Einheit im Kampf“.
Schon Tage vor der Rede war die PR-Maschinerie der Kommissionspräsidentin auf Hochleistung getaktet: Instagram-Videos mit wehenden EU-Fahnen in Zeitlupe, die institutionellen Social-Media-Teams, die sich in kindlicher Manier mit schlecht gebastelten Pappschildern durch die Gänge des Parlaments und damit in die Gehirne junger Menschen schleichen. Ein „Safe the Date“ auf von der Leyens Social-Media-Profil, die Parlamentspräsidentin mit TikTok-tauglichem „Ich klopfe an eurer Tür”-Clip.
„Europa ist im Kampf“, sagt von der Leyen gleich zu Beginn. Anfangs kein Wort zu Inflation, zu explodierenden Mieten, zu überlasteten Sozialsystemen oder einem Gesundheitswesen im Dauerstress. Dafür eine emotional aufgeladene Geschichte: Sasha, ein ukrainischer Junge, entführt von Russland, verletzt durch Bomben, gefangen in einem Lager. Er und seine Großmutter – live im Plenarsaal. Ringen um Fassung, Tränen, Betroffenheit. Reaktionen, die zeigen, wie gezielt inszenierte Moral instrumentalisiert wird.
Das Ziel ist klar: Kriegsbereitschaft. Europa wird vorbereitet auf mehr Waffen, mehr Rüstung, mehr Gehorsam. Passend dazu kündigt sie ein neues Verteidigungs-Support-Programm für die Ukraine an – und ein „Europäisches Semester“, das Mitgliedstaaten zur Rüstung verpflichtet. Wo früher Haushaltspolitik kontrolliert wurde, geht es jetzt um Panzer und Patronen.
Zwar äußert von der Leyen „Besorgnis“ über Israels Vorgehen im Gazastreifen – über Hunger, Zerstörung und das Leid palästinensischer Kinder. Aber eben nur das: Besorgnis. Es wird kein palästinensisches oder israelisches Kind und dessen Schicksal im Plenarsaal begrüßt. Kein Name, keine Geschichte. Die Empathie der EU ist selektiv, abhängig von geopolitischem Nutzen.
Von der Leyen kündigt an, Teile des Assoziierungsabkommens mit Israel im Bereich Handel auszusetzen und Sanktionen gegen extremistische israelische Minister vorzuschlagen.
Nach über 40 Minuten Krieg, Moral und Weltpolitik dann der harte Bruch: Wettbewerb, Bürokratieabbau, digitaler Euro, Made-in-Europe-Initiativen. Erst jetzt – weit nach der Hälfte der Rede – kommen Themen zur Sprache, die die Bürger täglich betreffen und selbst spüren: explodierende Lebenshaltungskosten, Mieten, Lebensmittelpreise.
An diesem Punkt hört sich die Rede wie eine Wahlkampfrede an. Angesichts eines möglichen weiteren Misstrauensvotums gegen von der Leyen nicht verwunderlich. Am Vortag der Rede hatten die Linken noch Unterschriften unter den Abgeordneten dafür gesammelt.
Fast beiläufig erwähnt von der Leyen, dass sie als Ärztin sehr besorgt sei über „Desinformationen im Medizinbereich“ – ein klarer Verweis auf impf- und regierungskritische Stimmen. Was nicht ins Narrativ passt, wird von ihr als Fake News gebrandmarkt. Kritik ist gefährlich geworden – sie wird gleichgesetzt mit Sabotage am europäischen Projekt.
Zur weiteren Kontrolle soll zukünftig eine Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien entstehen. Von der Leyen ist sich sicher, dass viele davor Angst haben und kann die Freude darüber zu Beginn dieser Ankündigung kaum verbergen.
Daher auch ihr Vorschlag eines „Europäischen Zentrums für demokratische Resilienz“ und eines „Programms für Medienresilienz“, das auf den Weg gebracht werden solle. Offiziell zur Stärkung der freien Presse. Inoffiziell ein weiteres Instrument zur Kontrolle unliebsamer Berichterstattung. Wer definiert, was Desinformation ist? Wer entscheidet, welche Stimmen gefördert – und welche zum Verstummen gebracht werden?
Erwartungsgemäß folgt Beifall aus den Regierungsfraktionen. Einige Zwischenrufe. Buhen. Ordnungsrufe von der Parlamentspräsidentin, die auch ein freundschaftliches Verhältnis zu Frau von der Leyen führt. So geht Streitkultur 2025.
Kinder sind das emotionale Rückgrat ihrer Rede. Sasha aus der Ukraine. Ankündigungen zum Kinderschutz in den sozialen Medien. Doch wie so oft: viel Gefühl, wenig Substanz. Keine konkreten Initiativen, keine ehrliche Debatte darüber, wie es Europas Kindern wirklich geht – psychisch, sozial, bildungspolitisch. Kein Wort darüber, wie sehr die junge Generation unter der Angst einer bedrohlicher werdenden Welt leidet. Es geht um tränenreiche Bilder, nicht um Lösungen.
Zum Ausklang der Rede das nächste große Symbolbild: brennende Wälder in Südeuropa. Applaus für einen griechischen Feuerwehrmann. Kein Wort darüber, dass Brände auch Folge von Einsparungen, schlechtem Katastrophenschutz und politischem Missmanagement sind. Schuld sind immer andere – oder das Klima. Trotz emotionaler Bemühung schafft es Frau von der Leyen mit dem Bericht des heldenhaften Feuerwehrmannes nicht, dass man sie als Präsidentin erkennt, die Krisen-Brände auf der ganzen Welt zu löschen vermag.
„Es lebe Europa“, schließt sie. Wie immer hat sie ihre Redezeit überzogen. Stehende Ovationen von vielen – andere sitzen still. Es folgen die Fraktionsvorsitzenden – nur wenige fraktionslose Abgeordnete bekommen eine Minute. Kein Scherz: eine Minute.
Was Ursula von der Leyen hier inszeniert hat, ist keine Rede zur Lage der Union. Es ist eine Generalmobilmachung: emotional aufgeladen, taktisch kalkuliert, PR-durchchoreografiert – und weit entfernt von den Lebensrealitäten der europäischen Bürger.
Ursula von der Leyen und die EU sind bereit. Sie sind bereit für Krieg und die Wegnahme der Freiheit. Die Frage ist nur: Sind wir Bürger es auch – und wollen wir das überhaupt? Ich kann das für mich mit einem klaren „Nein!“ beantworten.