Von der Leyen übersteht Misstrauensvotum

vor etwa 8 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Das Brüsseler Beben blieb aus. Ursula von der Leyen ist am Donnerstag mit einem blauen Auge davongekommen. 175 der 720 EU-Parlamentarier stimmten für das Misstrauensvotum, 360 lehnten es bei 18 Enthaltungen ab – weit entfernt von der nötigen Zweidrittelmehrheit.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte der rumänische Abgeordnete Gheorghe Piperea von der rechtskonservativen EKR, der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer. Der Initiative hatten sich auch Abgeordnete von AfD und BSW angeschlossen. Piperea sah in dem Misstrauensvotum „einen notwendigen Schritt, um zu den Grundlagen der Demokratie zurückzukehren“. Der „Trend zur Zentralisierung der Macht“ sowie die „schrittweise Übernahme von Zuständigkeiten, die den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zustehen“ sollten gestoppt werden.

Piperea fungierte mit seinem Vorstoß als Sprecher für all jene, die sich eine Europäische Union wünschen, die eher die Rahmenbedingungen setzt und die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten respektiert, als sich zu einem supranationalen Überbau zu entwickeln, der in zunehmendem Maße autonom und ohne Kontrolle agiert.

Die deutliche Zurückweisung des Misstrauensvotums ist allerdings kein Zeichen substanzieller Stärke von der Leyens und ihrer Kommissionspräsidentschaft. Es ist den Mehrheitsfraktionen im Parlament lediglich gelungen, noch einmal die Reihen zu schließen und den Angriff der wachsenden Opposition rechtskonservativer Parteien in Europa abzuwehren und ihre Kommissionspräsidentin im Amt zu halten. Wie schwer der politische Schaden und der Vertrauensverlust im Nachgang dieser Krise wiegen, wird sich in den kommenden Wochen herausstellen.

Die Initiatoren des Misstrauensvotum zielten auf einen Presse-Coup und auf die Gelegenheit, die Öffentlichkeit über die Amtsführung von der Leyens und ihre zahlreichen Verfehlungen zu informieren. Die Vorwürfe greifen ein brisantes, von der EU-Presse weitgehend ignoriertes Thema auf: von der Leyens geheime SMS-Kommunikation mit Pfizer-Chef Bourla – intransparent, protokollfrei, vorbei an Parlament und Öffentlichkeit.

Verträge im Umfang von mehreren zehn Milliarden Euro wurden vereinbart, ohne Ausschreibung, ohne demokratische Kontrolle. Selbst der europäische Rechnungshof rügte den Vorgang, eine Offenlegung der Kommunikationsinhalte wurde von vornherein verweigert.

Als zweiter Vorwurf wurde das 150-Milliarden Euro teure Kreditpaket für eine gemeinsame europäische Rüstungsinitiative debattiert. Dieses wurde ohne parlamentarische Kontrolle auf den Weg gebracht und wirft die Frage nach der grundsätzlichen Finanzierung der Aktivitäten von Brüssel auf. Zur Erinnerung: Ohne Mandat des Europäischen Rates im Rahmen der EU-Haushaltsregeln und ohne Einbindung des Paralaments besteht für die EU-Kommission keine Möglichkeit, eigene Finanzierungsquellen auf dem Kreditmarkt zu erschließen. Gegen diese Regel verstieß die Kommission, da das Parlament nicht in ausreichendem Maße in die Debatte involviert war.

Schützenhilfe bekam von der Leyen von ihrem CDU-Parteifreund und EVP-Vorsitzenden Manfred Weber, der die Kritik an dem Kreditpaket kurzerhand vom Tisch wischte und die Verfechter des Misstrauensantrags als Putin-Freunde bezeichnete, die die Stabilität Europas in Frage stellten, wo Handlungsfähigkeit so dringend gebraucht werde.

Transparenz ist die Währung, die in Brüssel zunehmend entwertet wird.

Und dennoch ist von Einsicht keine Spur: Von der Leyen bezeichnete die Gruppe der 72 Antragsteller während der Plenardebatte unter der Woche als spalterische Extremisten, die versuchten zu polarisieren, um davon abzulenken, selber keine politischen Lösungen anbieten zu können.

Es ist das typische Verhalten einer enthemmten Machtelite: Uneinsichtig, unfähig zur Kritik. Mit diesem Verhalten schadet Von der Leyen der europäischen Idee und trägt maßgeblich zur Erosion des Restes von Vertrauen in die EU-Institutionen bei. Wir kennen dieses Muster auch aus der deutschen Innenpolitik: Die berechtigte Kritik einer dissidenten Opposition wird mit der Extremismuskeule delegitimiert. Es ist der billige Versuch, die öffentliche Meinung bereits im Vorfeld von Debatten zu manipulieren.

Jenseits des parlamentarischen Streits wächst der Widerstand gegen die Politik der EU-Kommission. Im Zentrum der Kritik: Die unübersehbaren autoritären Tendenzen Brüssels, die ihren gesetzlichen Niederschlag im Kampf gegen freie Medienplattformen wie X oder Facebook finden. Der offene Angriff auf die Meinungsfreiheit der Bürger, auf den offenen Diskursraum durch Gesetze wie das Digital Services Act oder das korrespondierende Digital Markets Act fallen in die Verantwortung von der Leyens.

Ihre Politik hat auch international für Wirbel gesorgt. Unvergessen die harsche Kritik des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance, der soweit ging, den Europäern die Partnerschaft aufkündigen zu wollen, wenn diese in ihrem Kampf gegen die Meinungsfreiheit nicht den Kurs änderten.

Ursula von der Leyen verließ die deutsche Innenpolitik als gescheiterte Familienministerin und hinterließ das Verteidigungsministerium in einem desolaten Zustand. In ihren politischen Ämtern gelangen ihr keine entscheidenden Reformen. Politisch wirksam war sie nur in einem Punkt: Das „Weiter-So“ zu organisieren und gegen Kritik zu immunisieren. Diese Linie setzt sie in Brüssel fort. Als Präsidentin der EU-Kommission treibt sie den sogenannten Green Deal mit missionarischem Eifer voran – eine Transformationspolitik mit fatalen Konsequenzen: Deindustrialisierung, Energieverknappung, Verarmung breiter Bevölkerungsschichten – von der Leyen steht für eine Politik, die ökonomisch verbrannte Erde hinterlässt.

Ein Kurswechsel? Ausgeschlossen. Von der Leyen duldet keinen Widerspruch – das ist ihr Stil. Und der wird sie stürzen.

Ursula von der Leyens Amtsführung, ihr Verständnis von Demokratie, Parlamentarismus und Volkssouveränität bilden die Quintessenz der gegenwärtigen Brüsseler Linie. Ihre Präsidentschaft ist Ausdruck des wachsenden Europaternalismus, der die fundamentale Bedeutung von Transparenz, nationaler Souveränität und individueller Freiheitsrechte in zunehmendem Maße negiert.

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