
Die 2021 veröffentlichte Autobiografie von Italiens heutiger Regierungschefin Giorgia Meloni liegt nun auch in deutscher Übersetzung vor. Sie verwebt darin persönliches Erleben mit den politischen Überzeugungen und Entscheidungen, die immer in Wechselwirkung zueinander stehen.
Am 19. Oktober 2019 hielt Giorgia Meloni in Rom eine Rede über Identität und Werte, die sie mit den Worten beendete: „Ich bin Giorgia. Ich bin eine Frau. Ich bin eine Mutter. Ich bin Italienerin. Ich bin Christin. Und das werde ich mir nicht nehmen lassen.“ Drei Jahre später wurde sie Ministerpräsidentin Italiens, die erste Frau in diesem Amt. Und in der Zwischenzeit schrieb sie ihre Autobiografie, in der sie ihren persönlichen Lebensweg beschreibt und sie zu ihren Überzeugungen kam, die sie politisch vertritt.
Sie schildert ihre Kindheit in Rom, wie der Vater sich, als sie noch sehr klein war, aus dem Staub machte. Und den sie fortan nur in den Sommermonaten auf La Gomera, seiner neuen Heimat, besuchte, bis sie endgültig mit ihm brach. Ihre Jugend im Stadtteil Garbatella und wie sie mit 15 ihr politisches Engagement in der Jugend- und Studentenbewegung begann, in der Movimento Sociale Italiano (MSI) und nebenbei als Babysitter und Barkeeperin jobbte. Wie sie Journalistin wurde und Abgeordnete des Parlaments und mit 31 Jahren zur jüngsten Ministerin in der Geschichte Italiens. Schließlich die Fratelli d’Italia gründete, deren Vorsitzende sie ist.
Meloni liebt es, zu den Menschen zu sprechen – und immer ohne Manuskript.
Das Buch erschien im September 2021, also gut ein Jahr vor ihrem Wahlsieg, der sie an die Spitze der neuen Regierung katapultierte. Die Italiener konnten also wissen, wen sie da wählten, denn in ihrem Buch erzählt Meloni viel Persönliches und verknüpft damit die Schilderung ihrer politischen Ansichten. Und sehr bald, schon auf den ersten der 380 Seiten, wird einem klar, dass hinter dem Erscheinungsbild einer durchsetzungsstarken, ja kämpferischen Frau von nur 1,60 m Körpergröße eine empfindsame Seele steckt, was insbesondere in den Passagen über geliebte Menschen wie ihre Schwester Arianna und ihre Tochter Ginevra zum Ausdruck kommt. Dabei macht sie nie auf „Superwoman“, sondern zeigt auch offen ihre Sorge und ihr schlechtes Gewissen, zu wenig Zeit für Ginevra zu haben.
Ihre empathische Ader zeigt sich aber auch, wenn sie über ihre Empfindungen in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad VaShem spricht oder geradezu zärtlich über ihre Liebe zur westlichen, besonders der europäischen Kultur spricht, die sie nicht überrannt sehen möchte, was sie auch ganz deutlich sagt. Dann wiederum schildert sie immer wieder, wie Rückschläge im Leben ihre Resilienz stärkten. So war sie in ihrer Kindheit übergewichtig und ständigem Mobbing ausgesetzt, lernte aber so, sich zur Wehr zu setzen.
Oft wird Giorgia Meloni als „Postfaschistin“ oder „Rechtsextremistin“ geschmäht, doch lassen sich aus ihren Ausführungen weder ideologische Verbohrtheit noch radikale Rhetorik destillieren. Vielmehr erscheint sie als reflektierte Person, die sich über Gott und die Welt Gedanken macht und daraus ihre Überzeugungen ableitet.
Als da sind: Wieder mehr Kinder in die Welt zu setzen, ist unerlässlich. Familie ist wichtig. Prinzip der Freiheit muss wesentlich sein. Europäische Identität beruht auf einer langen Geschichte der klassischen und christlichen Zivilisation. Der freiheitsfeindlichen Ideologie der Linken und der Islamisten muss man entschlossen entgegentreten. Und Konservative müssen zu ihren Ansichten stehen: „Wenn die Linke dir übers Haar streicht und dich zu deinen ‚präsentablen‘ Positionen beglückwünscht, dann bedeutet das, dass du was falsch gemacht hast. Das ist der Grund, warum ich daran festhalte, dass ich diesen Leuten gar nicht gefallen will. Ihre Feindseligkeit ist für mich wie der Polarstern, der mir bestätigt, dass der Kurs stimmt.“
Ihre Identität, so Meloni, setzt sich aus vielem zusammen: Sie ist „Frau, Giorgia, Mutter, Christin, Italienerin, Europäerin, so vieles auf einmal“. Dementsprechend heißen die Kapitel in ihrem Buch, noch ergänzt durch „Ich bin rechts“.
„Ich fordere eine Gesellschaft, in der klar ist, dass jede Entscheidung auch Konsequenzen hat. Freiheit braucht Verantwortung. Bei uns dagegen verwandelt sich Egoismus leicht in eine ganze politische Agenda. Ich will mit 70 ein Kind zur Welt bringen, ich will Mutter werden, obwohl ich ein Mann bin, ich will Bürgergeld, obwohl ich arbeiten könnte, ich will die italienische Staatsbürgerschaft, obwohl ich gerade erst in Italien angekommen bin. Ich könnte die Liste dieser Forderungen, aus denen am Ende politische Anträge werden, wenn nicht gar Gesetze, noch problemlos verlängern.“
Für Italiens Linke ist Meloni natürlich ein rotes Tuch, aber das beruht auf Gegenseitigkeit. In ihrem Buch macht die Römerin immer wieder deutlich, dass sie von der Linken, mit deren Ideologie sie sich gründlich beschäftigt hat, nichts hält. Immer wieder kriegt dabei Beppe Grillo sein Fett ab, der linke Polit-Clown, der eine Weile mit seiner linkspopulistischen Bewegung Movimento 5 Stelle erfolgreich war.
Lieblingsfeind Melonis: der linke Polit-Clown Beppe Grillo.
Giorgia Meloni hat ihren politischen Weg an die Spitze Italiens inzwischen gemacht, allerdings ohne, dass es dazu irgendwelcher Quoten bedurft hätte. Auch dazu äußert sie sich in ihrem Buch:
„Ich bin überzeugt, dass eine stärkere Präsenz von qualifizierten Frauen auf allen Entscheidungsebenen dazu beitragen würde, das moralische Niveau und die Produktivität unserer Führungsschicht zu heben, die zuweilen schlaff, träge und geneigt ist, jegliche Arbeitsmoral mit Füßen zu treten. Mit größerer Präsenz meine ich jedoch nicht bloße Zahlen. Verstehen wir uns richtig: Ich lehne Frauenquoten ab. Gleiche Bedingungen für alle am Start, das ist okay; wenn man aber glaubt, das Problem mithilfe von Quoten lösen zu können, die die Qualifikation und Leistung der einzelnen Personen völlig außer Acht lassen, erreicht man lediglich eine Nivellierung nach unten.“
Das Buch ist keine Abrechnung mit politischen Gegnern oder früheren Weggefährten, mit denen sie nichts mehr zu tun hat, weder mit Gianfranco Fini, dem letzten Vorsitzenden der MSI, noch mit Silvio Berlusconi, der Meloni zur Ministerin machte. Selbstbewusst genug, ihren Weg auch gegen den Widerstand mächtiger Mann zu gehen, hat sie das auch nicht nötig.
Melonis Patriotismus speist sich nicht aus Überlegenheitsfantasien, sondern aus der tiefen Liebe zur italienischen Kultur. Feindseligkeit gegen Migranten lässt sich aus ihrem Buch auch nicht herauslesen, vielmehr hat sie durchaus Verständnis dafür, dass etwa viele Afrikaner den Verhältnissen dort entfliehen wollen, macht dafür aber die Zustände dort verantwortlich, die nicht zuletzt darauf beruhen, dass der an Bodenschätzen reiche Schwarze Kontinent von Chinesen, aber auch Europäern wie etwa den Franzosen ausgebeutet wird. Dennoch plädiert sie dafür, dass Europa nicht derart mit Migranten geflutet wird, dass die eigene Identität darüber verloren geht.
Als italienische Patriotin ist Giorgia Meloni aber keine Antieuropäerin, im Gegenteil. Nur eben nicht im Sinne der Europäischen Union, vor deren Vorhaben von Resettlement-Plänen bis zur Bargeldabschaffung sie Europa zu bewahren trachtet. Seit 2020 ist Meloni Vorsitzende der europäischen Konservativen und Reformisten (ECR Party), einer der bedeutendsten Parteifamilien Europas, die mehr als 40 europäische und außereuropäische Parteien wie etwa den israelischen Likud Benjamin Netanjahus in sich vereint. In Meloni haben jene, die finden, dass Europa keine Seele mehr zu haben scheint und in dem der Kulturrelativismus alles und jeden auf die gleiche Stufe stellt, eine entschlossene Verbündete.
Italienische Patriotin – und überzeugte Vertreterin westlicher Werte: Giorgia Meloni.
Nicht wenige haben den Eindruck, dass Giorgia Meloni zu denen gehört, die den Kampf für Europa und das, was es ausmacht, („Europa als Vaterland der Vaterländer, nicht als Superstaat“) anführen können. Und nicht zuletzt nach der Lektüre dieses Buches erscheint sie dem Leser als selbstbewusst und kämpferisch genug, in vorderster Reihe zu stehen. Das traut sich Meloni auch selbst zu:
„Erstens habe ich vor nichts und niemandem Angst, das Einzige, wovor ich mich fürchte, ist, dass ich, wie aus diesem Buch zu erfahren ist, mich selbst und die, die an mich glauben, enttäusche. Zweitens bin ich nicht erpressbar, denn ich tue nichts, wofür ich mich schämen müsste, und ich nehme keine Hilfe an von Leuten, die eine Gegenleistung von mir verlangen könnten. Drittens bin ich nicht allein, und diejenigen, die sich entschieden haben, mich in diesem Kampf zu begleiten, sind mir sehr ähnlich. Viertens und letztens bin ich immer unterschätzt worden, und das ist unterm Strich ein großer Vorteil.“
Im Kulturkampf gegen das links-grüne Establishment werden Konservative mit klarem Kompass wie Viktor Orbán und Giorgia Meloni dringend benötigt. Der Weg Giorgia Melonis ist also noch lange nicht zu Ende, er hat gerade erst begonnen. Die heute 47-jährige Römerin hat mit ihrem Buch 2021 nicht die klassische Autobiografie geschrieben, in der sie auf ihr Leben zurückblickt, sie hat noch viel vor. Und sie ist entschlossen, zu ihren Überzeugungen zu stehen und andere dafür zu gewinnen. Als stolze Frau, Mutter, Italienerin, Christin – und Rechte. „Ich bin Giorgia“ ist auch eine Ermutigung, offen und selbstbewusst für konservative Werte einzutreten.
Giorgia Meloni: Ich bin Giorgia. Meine Wurzeln, meine Vorstellungen“Europaverlag, 26,00 €
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