
Javier Blas, Kolumnist für Energie und Rohstoffe bei Bloomberg, fand deutliche Worte für den Blackout in Spanien: „Der erste große Blackout der Ära grünen Stroms“. Dies ist sicherlich nicht übertrieben, denn dieser spektakuläre Zusammenbruch der Stromversorgung des Landes ist untrennbar mit der „grünen“ Transformation verbunden, bei der der Solarstrom zulasten versorgungssicherer, konventioneller Erzeugungsquellen stark ausgebaut wurde. Die Ursachenanalyse wird die Fachwelt mit Sicherheit noch länger beschäftigen und eine detaillierte Beschreibung des aktuellen Erkenntnisstands zu diesem Ereignis findet der Leser in dem hervorragenden Artikel von Dr. Björn Peters (hier zu lesen).
Betrachtet man das große Bild, so sind drei wesentliche Ebenen zu betrachten: Was hat unmittelbar den Blackout ausgelöst, was sind die tieferen Ursachen und warum war das spanische Stromnetz nicht in der Lage, mit diesen Ursachen zurechtzukommen, sodass es zu diesem tragischen Ereignis kam, das nicht zuletzt vier Todesopfer forderte.
Die erste Frage nach dem Auslöser des Blackouts ist auf heutigem Informationsstand nicht sicher beantwortbar. Der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica war sichtlich um Transparenz bemüht und berief direkt am Folgetag eine Pressekonferenz ein, in der er die Ereignisse wenige Sekunden vor dem Zusammenbruch des Stromnetzes rekonstruierte.
Es gab in kurzem Zeitabstand zwei Erzeugungseinbrüche, der erste im Südwesten des Landes, wo die Solarerzeugung dominiert. Die erste vorsichtige Schlussfolgerung, dass es sich hierbei um einen signifikanten Ausfall der Solarstromerzeugung handeln könnte, rief die spanische Politik auf den Plan: Der sozialistische Premierminister Sanchez verkündigte noch gleichtägig apodiktisch vor der Presse, dass der „Stromausfall nicht durch erneuerbare Energien verursacht“ worden sei. Eine bemerkenswerte, aber auch beunruhigende Entwicklung, da die Politik in einer laufenden, ergebnisoffenen Analyse Vorgaben setzt, welches Ergebnis für sie nicht akzeptabel ist – und welches nicht.
So wird die Klärung des auslösenden Ereignisses weiter auf sich warten lassen und wohl ein Spielball politischer Interessen bleiben. Im Grunde genommen ist dies aber auch weniger relevant, denn spontane, exogene Bedrohungen eines Stromnetzes wie Cyberattacken oder Naturkatastrophen lassen sich grundsätzlich nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen. Viel relevanter ist die Beobachtung, dass sich schon deutlich vor dem Blackout eine bedenkliche Instabilität im spanischen Stromnetz zeigte und es zu mehreren Stromausfällen kam:
Ein Stromausfall hat am 22. April mindestens zehn Hochgeschwindigkeitszüge nahe Madrid zum Anhalten gezwungen. Der spanische Verkehrsminister sagte hierzu, dass überhöhte Spannungen im Stromnetz zu Abschaltungen geführt hätten. Am selben Tag musste in der Raffinerie Cartagena der Betrieb aufgrund von Problemen mit der Stromversorgung eingestellt werden.
Antonio Turiel, ein leitender Forscher beim Nationalen Forschungsrat erklärte hierzu, dass das Netz in den Tagen vor dem Unglück unter erheblicher Instabilität litt. Der Blackout ist eine Folge davon, dass „zahlreiche erneuerbare Energien ohne geeignete Stabilisierungssysteme in das spanische Stromnetz integriert wurden“.
Ein Schlüssel zum Verständnis dieser Instabilität ist die Tatsache, dass das spanische Stromnetz wie auch sein deutsches Pendant vor allem in den Mittagsstunden von einem wiederkehrenden Stressor betroffen ist, der erst seit Kurzem unter dem Begriff „Hellbrise“ diskutiert wird.
Jahrelang wurden die Bedrohungen der Stromversorgungssicherheit durch den zunehmenden Ausbau von Wind und Solar stets unter dem Begriff der „Dunkelflaute“ thematisiert. Diese bezeichnet einen Zustand des Strommangels, verursacht durch fehlende oder nahezu bei null liegender Wind- und Solarerzeugung, auf den die Netzbetreiber aber sofort reagieren können, indem sie den Verbrauch durch kontrollierten Lastabwurf senken.
Die Hellbrise stellt jedoch eine deutlich gefährlichere und schwieriger zu bewältigende Herausforderung dar: Sie beschreibt ein Überangebot an Strom aus Solar- und Windquellen insbesondere zu Mittagszeiten, das der Netzbetreiber nicht einfach reduzieren kann, da viele Dach-Photovoltaik Anlagen nicht steuerbar sind.
Die Folge ist ein immer wieder auftretender Angebotsüberhang an Solarerzeugung, für die Abnehmer gefunden werden müssen – sei es durch negative Strompreise und/oder Export in Nachbarländer. Letzteres ist aber für Spanien und Portugal wesentlich schwieriger als für zentral gelegene Länder wie Deutschland. Grenzüberschreitender Stromaustausch besteht nur mit Frankreich und Marokko. Fallen dann die Leitungen zu Frankreich aus, wie kurz vor diesem Blackout geschehen, so ist das Land mit diesen Solarüberschüssen auf sich allein gestellt, die Netzinstabilität verstärkt sich und Erzeuger schalten sich automatisch ab. Ab diesem Moment war die Kaskade für den spanischen Netzbetreiber offenkundig nicht mehr aufzuhalten.
Die dritte und wichtigste Fragestellung ist, warum es offenkundig nicht mehr möglich war, Instabilitätssituationen und plötzliche Ausfälle im Stromnetz zu kompensieren. Hier kommt eine wichtige Eigenschaft von konventionellen Kraftwerken – Wasser, Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerke – ins Spiel: Ihre netzsynchronen Schwungmassen, die die Generatoren dieser Anlagen antreiben. Diese sind mit der Frequenz des Stromnetzes synchronisiert und wirken über ihre Massenträgheit stabilisierend gegen Frequenzschwankungen. Dieses wichtige Korrektiv fehlt Solar- und Windkraftanlagen, weshalb die verstärkte Substitution konventioneller Kraftwerke durch erneuerbare Erzeuger dem System eine zentrale Stabilisierung entzieht und es insgesamt anfälliger macht.
Eine in diesem Zusammenhang wichtige Beobachtung ist, dass es durch den Zusammenbruch der Netztrennung mit Frankreich auch in Südfrankreich zu temporären Stromausfällen gekommen ist. Dass sich daraus jedoch kein flächendeckender Blackout wie in Spanien entwickelte, liegt an der hohen Verfügbarkeit von Kernkraft und ergänzender Wasserkraft in Frankreich. Diese bereitgestellten Schwungmassen spielten eine entscheidende Rolle, während sie Spanien im gleichen Moment fehlten. So kam es in Spanien zum Blackout, während das französische Netz stabilisiert werden konnte – und damit ein Übergreifen des iberischen Blackouts auf das europäische Stromnetz, einschließlich Deutschland, verhindert wurde.
Damit kommen wir bei der Frage an, ob eine solche Situation auch in Deutschland eintreten kann. Diese Überlegung drängt sich insbesondere deshalb auf, weil die Problematik der zeitweiligen Solarstromüberproduktion und damit das Auftreten von Hellbrisen durch den rasanten PV-Ausbau auch hierzulande zunehmend relevant wird.
Besonders deutlich lässt sich dies in Bundesländern mit hoher installierter Solarstromleistung wie Bayern beobachten. In den Mittagsstunden müssen immer mehr Anlagen abgeregelt werden: Waren dies in Bayern im Jahre 2023 noch 382 GWh, so stieg diese Menge im Jahre 2024 auf 981 GWh, was etwa ein Achtel des Stromverbrauchs des Saarlands entspricht.
Mit diesen Abregelungen, die unsere Stromkosten nebenbei bemerkt erheblich nach oben treiben, da die abgeregelten Betreiber über die Netzumlagen entschädigt werden müssen, ist es den Netzbetreibern aber technisch möglich, kritischen Netzzuständen entgegenzuwirken.
In den letzten Jahren hat sich jedoch in Deutschland das Problem weiter zugespitzt, dass durch den beschleunigten Ausbau der Dach-Photovoltaik inzwischen rund 40 GW nicht steuerbarer Erzeugungsleistung entstanden sind. Dies stellt vor allem an sonnigen Wochenenden und Feiertagen eine zunehmende Herausforderung dar, da Netzbetreiber Schwierigkeiten haben, diese Überschüsse einer Nachfrage zuzuführen. Ist dies nicht mehr möglich, so können sie nur noch ganze Ortsnetze oder größere Einheiten vom Netz nehmen – ein Vorgang, der als Brownout bezeichnet wird.
Dieses Szenario dürfte uns in den kommenden Jahren weiterhin begleiten, denn auch das neue Solarspitzengesetz, das in diesem Jahr in Kraft trat, schafft keine wirkliche Abhilfe: Es schreibt zwar die Fernsteuerbarkeit von Solaranlagen ab 7 kWp vor, jedoch nur für neue Anlagen, während die große Menge nicht steuerbarer Bestandsanlagen unverändert bestehen bleibt.
Während ein Brownout wenigstens ein kontrollierter Vorgang ist, wirft nun der Blackout in Spanien die Frage auf, ob sich ein solcher unkontrollierbarer Vorgang auch in Deutschland wiederholen könnte. Diese Frage wurde dem Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, in der Tagesschau gestellt. Seine Behörde versicherte, dass „ein großflächiger, langanhaltender Blackout in Deutschland unwahrscheinlich ist.“ Diese Aussage lässt jedoch Interpretationsspielraum, insbesondere auf die Definition von „langanhaltend“.
Die Techniker des spanischen Netzbetreibers schafften es in einem Kraftakt, das Stromnetz über Nacht wiederherzustellen, sodass der Blackout für viele spanische Bürger etwa 18 – 20 Stunden dauerte. Ist dies für die Bundesnetzagentur bereits „langanhaltend“? Falls nicht, bleibt die Aussage vage und liefert keine wirkliche Einschätzung zur Wiederholbarkeit des spanischen Blackouts In Deutschland.
Noch bemerkenswerter sind die beiden Argumente, die Klaus Müller im Interview für diese scheinbar beruhigende Einschätzung der Bundesnetzagentur anführte. Zum einen verwies er auf die redundante Auslegung des deutschen Stromnetzes, die sog. N-1 Struktur. Dies gilt jedoch auch für das spanische Netz und ist daher als Vergleich wenig aussagekräftig.
Zum anderen verwies er darauf, dass Deutschland über ausreichend schwarzstartfähige Kraftwerke verfüge. Darunter versteht man Kraftwerke, die in der Lage sind, nach einem Blackout ohne externe Stromquelle wieder hochzufahren. Doch dieses Argument bezieht sich nicht auf die Vermeidung eines Blackouts, sondern leidglich darauf, wie ein solcher behoben werden kann – eine Fähigkeit, die Spanien ebenfalls besaß, indem es beim Schwarzstart auf 15 GW Wasserkraftwerke zurückgreifen konnte und so über Nacht die Stromversorgung wiederherstellte.
Zusammenfassend darf man feststellen, dass Müllers als beruhigend präsentierten Aussagen einer genaueren Analyse nicht standhalten und eine Wiederholung des spanischen Blackouts auf dieser Argumentationsbasis in Deutschland nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann. Man kann daher vermuten, dass solche Aussagen auch politisch beeinflusst sein könnten, insbesondere im Hinblick auf die Fortführung des Solarausbaus im vorgesehenen Rahmen.
Eine belastbare Einschätzung darüber, ob uns das spanische Szenario ebenfalls treffen könnte, kann seriöserweise erst dann erfolgen, wenn eine umfangreiche Analyse durch den Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E vorliegt – was einige Monate dauern kann. Basierend darauf müsste geprüft werden, ob in Deutschland ähnliche Rahmenbedingungen existieren, die einen Blackout begünstigen könnten.
Bis dahin wird die sozialistische Regierung Spaniens sicherlich ihre Linie fortsetzen, jegliche Thematisierung der sogenannten Erneuerbaren Energien als mögliche Faktoren für diesen Blackout aus öffentlichen Stellungnahmen herauszulassen und den Ausbau von Wind- und Solarkraft voranzutreiben. Auch die neue deutsche Regierung wird wohl – ihrem Koalitionsvertrag folgend – den gleichen Weg bestreiten. Die Konsequenzen dieser Entscheidung bleiben dann abzuwarten.
Notwendig wäre jedoch, stattdessen aus den Erfahrungen Spaniens zu lernen, die Abschaltung konventioneller Kraftwerke zu überdenken und die zuletzt außer Betrieb genommenen Kernkraftwerke, soweit sinnvoll, wieder ans Netz zu holen. Das Beispiel Frankreich zeigt eindrucksvoll, dass die träge Masse konventioneller Kraftwerke einen wirksamen Schutz gegen Blackouts bieten kann.
Ob die neue Bundesregierung sich zu solchen notwendigen Korrekturen bekennt, erscheint mehr als fraglich. Zu stark wirkt das jahrelange Trommelfeuer einflussreicher NGOs aus der Klimaszene in den Medien, die immer wieder die Botschaft vermittelt haben, dass eine dezentrale Stromerzeugung mit unzähligen, wetterabhängigen Erzeugungsanlagen genauso sicher sei wie eine Versorgung mit Großkraftwerken. Der erste grüne Blackout zeigt nun aber auch empirisch klar und deutlich, dass diese These nicht haltbar ist. Er verdeutlicht, wie falsch und gefährlich der deutsche Ausstieg aus gesicherter Erzeugung ist.
Mit der Erfahrung Spaniens wäre es nun geboten, den Ausbau der weniger verlässlichen Solar- und Windstromerzeuger zu pausieren und während des notwendigen Analyse- und Erkenntnisprozesses alle Möglichkeiten zu nutzen, die versorgungssichere Kernkraft, die gerade in dieser Krise auf französischer Seite ihren Wert gezeigt hat, zu reaktivieren.
Wenn sich die Bundesregierung diesem Kurs entgegenstellt und stattdessen die Habeck’sche Politik des beschleunigten EE-Ausbaus fortsetzt, kann sie auf Basis der derzeitigen Erkenntnisse nicht schlüssig darlegen, dass sie sämtliche Maßnahmen ergreift, um einen solchen Blackout in Deutschland zu verhindern. Eine Bundesregierung, die diesen Weg verfolgt, riskiert nicht weniger als eine Wiederholung dieses Ereignisses – mit potenziellen Milliardenschäden und Todesopfern.
Eine abschließende Bemerkung:
Der Verband ENTSO-E hat Spanien noch im April aufgefordert, die ab 2027 geplante Abschaltung der zwei Kernreaktoren des Kernkraftwerks Almaraz zu überdenken, da sich die Spezialisten der Organisation zunehmend besorgt über das steigende Risiko von Blackouts zeigten. Madrid antwortete, dass kein Blackout-Risiko bestehe und der Netzbetreiber eine stabile Versorgung garantieren könne.
Dr. Christoph Canne ist Dipl.-Chemiker, Dipl.-Kaufmann, Vorstand und Pressesprecher der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT e.V. www.vernunftkraft.de