
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat eine unabhängige Untersuchung gegen seinen Gründer Klaus Schwab eingeleitet. Hintergrund ist ein anonymer Whistleblower-Brief, der schwere finanzielle und ethische Vorwürfe gegen den langjährigen Vorsitzenden und seine Ehefrau Hilde erhebt. Laut Wall Street Journal (WSJ) wurde das Schreiben vergangene Woche an das Board of Trustees des Forums geschickt und wirft der Schwab-Familie unter anderem vor, private Interessen systematisch mit Ressourcen der Organisation vermischt zu haben.
Klaus Schwab, der das Forum 1971 gründete und über Jahrzehnte als prägende Figur des Treffens in Davos galt, hatte kurz vor Bekanntwerden der Vorwürfe aus heiterem Himmel seinen Rücktritt erklärt. „Zu Beginn meines 88. Lebensjahres habe ich beschlossen, mich zurückzuziehen“, zitierte ihn das WEF. Ursprünglich sollte der Übergang bis 2027 laufen – die Vorwürfe beschleunigten diesen Prozess nun erheblich, berichtet das WSJ.
Nach Informationen der NZZ soll Schwab für den Hauptsitz in Cologny bei Genf sogar ein Hausverbot erteilt worden sein. Außerdem sei es ihm aufgrund der laufenden Untersuchung verboten worden, frühere Mitarbeiter zu kontaktieren und auf Unterlagen zuzugreifen.
Die interne Revision des Forums arbeite inzwischen mit externen Juristen zusammen, um die Vorwürfe zu prüfen. „Das Forum nimmt diese Vorwürfe ernst. Es betont jedoch, dass sie unbewiesen sind“, heißt es in einer Stellungnahme aus Genf.
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, mit Klaus Schwab
Konkret beschuldigt der Autor des Briefs, Schwab solle unter anderem junge Mitarbeiter dazu gebracht haben, Tausende Dollar an Bankautomaten abzuheben – mutmaßlich für private Zwecke. Außerdem soll er Forumsgelder genutzt haben, um Massagen in Hotelzimmern zu bezahlen. Seine Ehefrau Hilde Schwab habe angeblich „Alibi-Termine“ ansetzen lassen, um Luxusreisen auf Kosten des Forums zu rechtfertigen, heißt es weiter.
Die anonyme Quelle behauptet, es habe jahrelang ein Klima mangelnder Kontrolle und systematischer Machtmissbräuche unter Schwabs Leitung gegeben. Auch Fälle von sexueller Belästigung und diskriminierendem Verhalten seien unter seiner Führung nicht ausreichend geahndet worden. Derartige Vorwürfe hatte das Forum bereits in der Vergangenheit geprüft und öffentlich bestritten.
Ein weiterer zentraler Punkt der Anschuldigungen betrifft die sogenannte Villa Mundi – ein renoviertes Anwesen am Genfer See, das dem Forum gehört. Laut WSJ wurden für Kauf und Umbau rund 50 Millionen US-Dollar ausgegeben. Der Brief kritisiert, dass Teile der Villa offenbar für die private Nutzung der Schwabs reserviert seien. Diese weisen den Vorwurf zurück. Hilde Schwab erklärte, das Gebäude sei ein „Modell für nachhaltige Architektur“ und diene ausschließlich Forum-Zwecken.
Trotz aller Vorwürfe betonen Klaus und Hilde Schwab, dass sie sämtliche Anschuldigungen entschieden zurückweisen. Ein Sprecher kündigte eine Klage gegen die Urheber der anonymen Vorwürfe und gegen „jede Person, die diese Unwahrheiten verbreitet“ an. Auch auf die Massagekosten angesprochen, sagte der Sprecher, Schwab habe die Auslagen stets an das Forum zurückgezahlt.
Der frühere Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe übernimmt vorerst kommissarisch Schwabs Rolle beim WEF.
Wie das WSJ weiter berichtet, habe Schwab gegenüber dem Vorstand betont, die Vorwürfe seien „unfair und unzutreffend“ – er habe sich eine Gelegenheit gewünscht, diese persönlich zu entkräften. Dazu kam es jedoch nicht: Der Vorstand habe ihn nicht zur Sitzung zugelassen. Aus Protest gegen den Verlauf habe Schwab laut seines Sprechers auf eine Pensionszahlung von fünf Millionen Schweizer Franken verzichtet.
Zum Übergang übernahm der frühere Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe kommissarisch den Vorsitz. Eine Kommission soll nun einen neuen Vorsitzenden suchen. Das Weltwirtschaftsforum kündigte an, erst nach Abschluss der Ermittlungen weitere Stellungnahmen abzugeben.