Gewaltandrohungen, Disziplinarverfahren, selbstherrliche Führung: Schwere Vorwürfe gegen Thüringens Verfassungsschutz-Präsidenten Stephan Kramer

vor 5 Monaten

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Das Nachrichtenportal Apollo News erhebt schwere Vorwürfe gegen Thüringens Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer. Interne Dokumente würden zeigen, wie autokratisch der SPD-Politiker seine Behörde führe. Es geht um ein Disziplinarverfahren gegen Kramer und seinen Umgang mit der AfD. Zudem soll er einem Mitarbeiter Gewalt angedroht haben.

Die Geschichte beginnt mit einem sechsseitigen Schreiben. Dieses soll die Abteilung 1 des Thüringer Innenministeriums am 27. Juli 2019 an das Landesamt für Verfassungsschutz verschickt haben, wie Apollo News berichtet. Es geht darin um ein Disziplinarverfahren gegen den Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, der seit 2015 im Amt ist.

Im Schreiben steht die Frage im Raum, ob Kramer „streng vertrauliche Informationen über ernsthafte Funktionsstörungen und innerdienstliche Spannungen im AfV weitergegeben“ hat. Zudem wird der Verdacht geäußert, Kramer habe die „allgemeine beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht“ gebrochen. Weiter ist die Rede vom „Verdacht eines schweren Dienstvergehens“ und schließlich dem Vorwurf, Kramer stelle ein „ernsthaftes Sicherheitsrisiko“ dar.

Es wird hinzugefügt, dass eine solche Pflichtverletzung auch eine „gewichtige Straftat“ darstellen würde. Kramer soll sich mit Journalisten über Mitarbeiter ausgetauscht haben – das Ministerium fordert die Aushändigung von Befragungsprotokollen des Amtes in der Affäre.

Der Vorgang, der dieses Schreiben des Innenministeriums begründet, beginnt 2015, kurz bevor Kramer Chef des Verfassungsschutzes wird. Kramer ist in der Motorrad-Rockerszene aktiv. 2015 nimmt er an einer Kranzniederlegung für Gefallene der Roten Armee teil – auch dabei: die Nachtwölfe, eine als Putin-nahe geltende ausländisch-extremistische Organisation. Ein Foto davon wird erst Jahre später öffentlich bekannt. Laut Apollo News wurde die Veranstaltung, an der Kramer teilnahm, vom Verfassungsschutz observiert.

2018 soll ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes versucht haben, mit diesem Foto in die Öffentlichkeit zu gehen. Er habe 2018 die MDR-Investigativjournalisten Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia kontaktiert, berichtet Apollo News. Doch Kendzia und Hemmerling hätten die für die Presse geltende Verschwiegenheitspflicht zum Schutz journalistischer Quellen ignoriert und den Mitarbeiter direkt an dessen Vorgesetzten ausgeliefert – Stephan Kramer. Das Ganze sei in Chatverläufen belegt.

Kramer habe diese Chatverläufe ins Innenministerium gegeben. Kurze Zeit später sei der Mitarbeiter nicht mehr im Amt für Verfassungsschutz tätig gewesen. Doch aufgrund des in den Chatverläufen dokumentierten Austauschs von Kramer mit beiden Journalisten über einen seiner eigenen Mitarbeiter und über weitere Interna wird ein Disziplinarverfahren gegen Kramer selbst eröffnet, heißt es im Bericht.

Daraufhin seien die Journalisten Kendzia und Hemmerling im Verfassungsschutz befragt worden. Die Protokolle davon habe das Innenministerium schließlich angefordert. Zum Ausgang des Verfahrens wolle sich das Innenministerium nicht äußern, schreibt Apollo News. Weder Axel Hemmerling, Ludwig Kendzia noch Stephan Kramer hätten den Vorgang auf Anfrage dementiert. Der MDR wollte sich nicht äußern, da ihm die in Rede stehenden Chatverläufe nicht vorliegen würden.

Auch an anderer Stelle steht der Thüringer Präsident des Verfassungsschutzes im Mittelpunkt: 2018 lässt Kramer die AfD als Prüffall einstufen und verkündete die Entscheidung – entgegen dem Rat des Bundesamtes und des internen Controllings – öffentlichkeitswirksam auf einer Pressekonferenz.

In einer Mail, die der fachlich zuständige Referatsleiter des Thüringer Verfassungsschutzes geschrieben haben soll, wird Kritik am Vorgehen Kramers laut. Darin heißt es beispielsweise, dass Kramer bei der Prüfung der für die Einstufung entscheidenden Sachverhalte das zuständige Referat „bewusst außen vor gelassen“ habe.

Die öffentliche Verkündung kam für das Fachreferat, im Gegensatz zu Presse und Journalisten, überraschend, so heißt es in der E-Mail. Demnach war es „weder unterrichtet – geschweige denn beteiligt – worden“.

Für eine Prüffalldeklarierung gab es zudem, aus Sicht des Mitarbeiters, keinerlei Vermerke im Amt, die einem solchen Vorgehen als Grundlage hätten dienen können.

Kramer soll ungewöhnlicherweise die Materialsammlung selbst angelegt und eigenes Material eingebracht haben. Auch gegenüber dem Fachreferat habe er nicht sagen wollen, woher das Material stamme, berichtet Apollo News. Intern gilt das Ganze als Kramers Privatentscheidung. Als der Behördenleiter die Sammlung an das Bundesamt für Verfassungsschutz weiterleitet, sorgt es aufgrund seiner merkwürdigen Struktur und des Inhalts für „Lacher, bis heute“, schreibt Apollo News unter Berufung auf eine interne Quelle beim BfV. In der Materialsammlung des Bundes sei die Sammlung aus Thüringen an keiner Stelle aufgenommen worden.

Als Kramer 2018 den Prüffall bekanntgab, zitierte er auf der Pressekonferenz minutenlang aus einem Essay des weit links stehenden Soziologen Andreas Kemper, das auch falsche Zitate von Höcke enthielt – Kramer macht aber nicht kenntlich, dass er zitiert und gibt das Ganze als seine eigene Leistung aus. Auch die Bild-Zeitung berichtet damals darüber. Später habe Kramer in internen Mails behauptet, dass er das Zitat auf seinem Sprechzettel korrekt vermerkt hätte. Laut Apollo News zeige dieser Sprechzettel jedoch, dass an keiner Stelle das Zitat erwähnt wird. Kramer wollte sich demnach zu diesem Vorwurf nicht äußern.

Kramers Aktion ist für ihn kein Erfolg – das Verwaltungsgericht in Weimar erklärt seine Prüffall-Verkündung später für rechtswidrig. Auch hier äußern sich weder der Verfassungsschutz noch das Innenministerium auf Anfrage.

Im März 2021 lässt Kramer die AfD als „gesichert rechtsextrem“ einstufen. Grundlage ist ein entsprechendes etwa 600 Seiten langes Gutachten. Ein rund 30-seitiges Ergänzungsgutachten führt laut Apollo News zu einer internen Debatte. Es enthält u.a. Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wie mit mehrdeutigen Aussagen im Kontext der Meinungsfreiheit umzugehen ist und dass hier tendenziell zugunsten des Betroffenen interpretiert werden muss.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Frage der Indemnität, die für die Argumentation des VS gefährlich werden könnte. Die Verfassung sieht vor, dass Aussagen von Abgeordneten, die diese als Abgeordnete tätigen, in keiner Weise außerhalb des Landtages belangt oder verfolgt werden dürfen. Das beinhaltet auch die Arbeit des Verfassungsschutzes. Genau das ist aber kaum abzugrenzen und insbesondere bei Höcke & Co. eine Frage, die entscheidende Teile der Arbeit des Verfassungsschutzes in gewisser Hinsicht in rechtliche Zweifel zieht. Das Ergänzungsgutachten hätte eine Überprüfung von Teilen der bisherigen Einstufung nach sich gezogen, sowie eine tiefergehende Evaluierung der Indemnitäts-Frage.

Doch Stephan Kramer habe zum Entsetzen von Mitarbeitern handstreichartig die Verwendung dieses Zusatzgutachtens unterbunden, die Indemnitäts-Frage sei ausgeklammert worden. Kramer soll das nach übereinstimmenden Zeugenaussagen damit gerechtfertigt haben, „dem Gegner keine Argumente liefern“ zu wollen. Auch diesen Vorwurf gegen ihn wollte Kramer gegenüber Apollo News nicht dementieren.

Drohte er einem Mitarbeiter mit Gewalt?

Gleichzeitig wird ein weiterer schwerer Vorwurf erhoben: Der zuständige Autor des Gutachtens sei beim Personalreferat des Innenministeriums vorstellig geworden und habe dort erklärt: Stephan Kramer habe ihm unter vier Augen körperliche Gewalt angedroht. Es gehe um eine Frage seines persönlichen Arbeitseinsatzes. Auch dieser Vorgang sei im Sande verlaufen. Kramer und das Innenministerium hätten sich dazu nicht geäußert.

Mit einem weiteren Zusatzgutachten unterstellt Stephan Kramer 2024 der Thüringer AfD eine „kämpferisch-aggressive“ Bestrebung gegen die Verfassung. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, AfD-Mitgliedern das Waffenrecht zu entziehen. Das Land unterliegt zweimal vor Gericht, doch auch hier macht Kramer weiter.

Anfang November wurden die Waffenbehörden in der Angelegenheit schließlich vom Landesverwaltungsamt nach Weimar zitiert. Ein Jurist des Verfassungsschutzes habe dabei eingeräumt, dass auch hier die Frage der Indemnität vom Landesamt nicht geprüft worden sei, berichtet Apollo News. Die Meinungsfreiheit habe er außerdem durch die Tätigkeit des Verfassungsschutzes grundsätzlich nicht tangiert gesehen. Die rechtliche Problematik der Indemnität wird von Kramer erneut ausgeklammert.

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