„Wählertäuschung“, „Wortbruch“, „unfassbare Schamlosigkeit“: Das sagt die Presse über Merz' Wahlbetrug

vor etwa 2 Monaten

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Das mediale Echo auf den Wortbruch von Friedrich Merz beim Thema Schuldenbremse fällt unterschiedlich aus. Dass die Union ihre Wähler getäuscht hat, wird teilweise sogar von links kritisiert, ebenso wie das Vorhaben, die Grundgesetzänderung noch mit dem abgewählten Parlament durchzuziehen.

In der Bild spricht es Politik-Chef Jan Schäfer deutlich aus: „Für mich ist das Wählertäuschung!“ Fast eine Billion Euro Extra-Schulden seien eine „beispiellose Kredite-Keule“ und das „Gegenteil von solider (Finanz-)Politik“. Mit seiner Schulden-Offensive beschädige Merz „binnen weniger Tage die Glaubwürdigkeit der CDU – und seine eigene.“

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt fest, dass sich „so mancher Wähler sich da getäuscht fühlen dürfte – zu Recht“.

In der Welt kommentiert Nikolaus Doll: Man habe sich „auf die größte Kreditorgie in Deutschland seit Jahrzehnten“ geeinigt. Die CDU, die immer beteuert habe, die Schuldenbremse zu bewahren, gehöre „zur DNA der Union“, werfe nun, „noch bevor sie wieder in Regierungsverantwortung ist, alles über Bord, was die Christdemokraten zu den Grundwerten der Partei erklärt hatten: sparsam wirtschaften, die kommenden Generationen nicht weiter belasten. Mit dem Geld auskommen, das man hat.“ Die Schuldenbremse sei für die Union „Dogma, politische Taktik und zuletzt Wahlkampfinstrument“ gewesen. Doll stellt fest: „Die Sozialdemokraten können Wahlen in Serie verlieren, aber beim Thema Machterhalt und Durchsetzungskraft sind sie meisterhaft.“

Bild geißelt die nackte Wählertäuschung.

Der Focus spricht von einem „Paradies auf Pump“: „Es wird sehr, sehr, sehr teuer. Selbst unsere Enkel und deren Kinder werden das noch ausbaden müssen.“ Die SPD werde nun „alles als ‚Infrastruktur‘ deklarieren, was man immer schon mal haben wollte: Kliniken, Kindergärten, Parkgestaltung, Uni-Lehrstühle, Demos gegen rechts …“ Die Union habe ihre Wähler „nicht gerettet, sondern getäuscht“.

Das Handelsblatt sieht eine „180-Grad-Wende des Friedrich Merz“. Er habe im Wahlkampf zusätzliche Schulden als ökonomischen Unsinn gebrandmarkt. Außerdem sein das Infrastrukturpaket „ein gefährliches Zugeständnis an die SPD“. Die Frage stehe im Raum, ob es sich um „eine besondere Form der Wählertäuschung“ handle. Und: „Die Schulden können sich auch in den Preisen niederschlagen und die gerade überwundene Inflation wieder anheizen.“

Die Junge Freiheit konstatiert „unfassbare Schamlosigkeit“, nennt Wahlbetrug, fehlenden Sparwillen, Abschaffung der Schuldenbremse durch ein abgewähltes Parlament und die größte Schuldenmacherei aller Zeiten „unerhörte Skandale.“ Die Neue Zürcher Zeitung sagt: „Die Zeche zahlen zukünftige Generationen.“

Die Berliner Zeitung argwöhnt: „Der geplante Prozess wirft verfassungsrechtliche Fragen auf. (...)  Eine derart weitreichende finanzpolitische Weichenstellung durch ein Parlament, das keine demokratische Legitimation mehr genießt, ist nicht unumstritten.“ Und fragt: „Darf eine Entscheidung von dieser Tragweite in den letzten Wochen eines scheidenden Parlaments getroffen werden?“

Erstaunlicherweise hat sogar die taz Bedenken: Im Kommentar von Kersten Augustin wird Kritik von links geübt: Zwar hält der Autor die Schuldenmacherei für gerechtfertigt, sieht aber ein „erhebliches demokratisches Problem“: „Friedrich Merz und die Union waren nicht ehrlich.“ Man solle „die Union mit dieser Wahlkampflüge nicht davonkommen lassen“. Und das Volk habe einen neuen Bundestag gewählt, die neuen Fraktionen haben sich bereits getroffen. Es sei „nicht zu vermitteln, warum Abgeordnete, die 2021 und damit vor dem russischen Großangriff gewählt wurden, noch grundlegende Entscheidungen treffen sollen.“ Das sei „demokratisch fragwürdig“.

Bei Twitter bringt der Journalist Michael Bröcker es auf den Punkt: „Die Sozialdemokratie hat doch noch einen Kanzler bekommen: Er heißt halt jetzt Friedrich Merz.“

FDP-Mann Wolfgang Kubicki fragt: „Wie will Friedrich Merz mit Donald Trump erfolgreich verhandeln, wenn er sich schon von Saskia Esken über den Tisch ziehen lässt?“ Sein Parteikollege Marco Buschmann schreibt: „Die Wahl ist eine gute Woche her und Friedrich Merz kündigt an, die Schuldenbremse zu schleifen und linke Wirtschaftspolitik durch schuldenfinanzierte Staatsnachfrage zu machen. Die SPD setzt sich auf ganzer Linie durch. Die GroKo macht, wovon Rot-Grün immer geträumt hat.“ Die Influencerin Naomi Seibt schreibt: „Friedrich Merz hat seine Wähler belogen. Wenn es morgen Neuwahlen gäbe, würde die AfD einen Erdrutschsieg erringen.“

Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hingegen hat niemand Bauchschmerzen wegen Wahlbetrugs oder Entscheidungen eines abgewählten Bundestags. Im moma des ZDF spricht Theo Koll von den Sondierungsergebnissen als „so eine Art Adrenalinspritze für die Wirtschaft für die nächsten zehn Jahre“. Bei Spiegel online freut sich Marina Kormbaki in ihrem Kommentar: „Gut, dass Merz sein Wahlversprechen bricht.“

Im Deutschlandfunk kommt Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke zu Wort, der sich freut, das Union und SPD „die Gunst der Stunde genutzt“ hätten – durch Trumps angebliche Abkehr von Europa. Der Wahlbetrug werde Merz „nicht auf die Füße fallen“, so etwas müsse man, wie von Machiavelli vorgeschlagen, gleich am Anfang machen. Allerdings räumt selbst von Lucke die „durchaus fragwürdige Legitimation“ ein, wegen des abgewählten Parlaments.

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