
Am Freitag treffen sich Donald Trump und Wladimir Putin in Anchorage, Alaska. Könnte das der Anfang vom Ende des russisch-ukrainischen Krieges sein? Die Erwartungen sind gedämpft, von einem „historischen“ Treffen wollen insbesondere die Europäer nicht sprechen.
Bewegt sich diplomatisch etwas im nun schon fast dreieinhalb Jahre andauernden Krieg zwischen Russland und der Ukraine? Donald Trump und Wladimir Putin treffen sich am Freitag in Anchorage, Alaska. Es ist das erste amerikanisch-russische Treffen auf höchster Ebene seit mehr als vier Jahren. Unter Trumps Vorgänger Joe Biden war der diplomatische Draht zwischen den Großmächten weitgehend gekappt worden.
Trump sowie US-Außenminister Marco Rubio dämpften die Erwartungen selbst. Der US-Präsident wolle sich einen Eindruck davon verschaffen, ob mit Putin eine Friedensvereinbarung oder doch erst einmal mindestens ein Waffenstillstand zu machen sei. Rubio beschrieb den Gipfel als „ein Treffen zum Abtasten, um ehrlich zu sein“: „Der Präsident hat drei oder vier Mal mit Putin telefoniert, okay? Und es ist nichts dabei herausgekommen – oder zumindest sind wir nicht dort angekommen, wo wir hinwollen. Und deshalb denkt der Präsident: ‚Ich muss mir diesen Mann gegenüber am Tisch ansehen. Ich muss ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Ich muss ihn unter vier Augen hören. Ich muss ihn mir ansehen, um mir ein Urteil zu bilden.‘“
„Der Präsident hat auf Ersuchen von Präsident Putin diesem Treffen zugestimmt“, erklärte Caroline Leavitt, Sprecherin des Weißen Hauses, am Dienstag gegenüber der Presse. „Das Ziel dieses Treffens ist es, dass der Präsident ein tieferes Verständnis dafür gewinnt, wie dieser Krieg beendet werden kann.“ Erst im Juli hatte Donald Trump Putin eine Frist von 50 Tagen gesetzt, um einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erreichen, erklärte jedoch später, er werde diese Frist auf eine „kürzere Zeitspanne“ verkürzen und sei „sehr enttäuscht“ von Putin, da Moskau seine Angriffe auf die Ukraine nicht eingestellt habe.
Nun, nach einem Treffen des US-Sondergesandten Steve Witkoff mit Putin, zeigte er sich optimistischer. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er: „Es wurden große Fortschritte erzielt! Anschließend habe ich einige unserer europäischen Verbündeten auf den neuesten Stand gebracht. Alle sind sich einig, dass dieser Krieg beendet werden muss, und wir werden in den kommenden Tagen und Wochen darauf hinarbeiten.“
Da sich Putin in vielen Ländern wegen des vom Internationalen Strafgerichtshof erlassenen Haftbefehls nicht blicken lassen kann, waren eine Weile mehrere Orte für den Gipfel erwogen worden. Auch Ungarn war im Gespräch, zumal Regierungschef Viktor Orbán sowohl zu Trump als auch zu Putin einen guten Draht hat. Überraschenderweise ließ sich der Kreml-Chef auf Alaska ein – ein Gebiet, das einst zum russischen Reich gehörte, bis der amerikanische Außenminister William H. Seward es im Jahre 1867 für 7,2 Millionen Dollar erwarb.
Nur die Joint Base Elmendorf-Richardson am nördlichen Rand von Anchorage erfüllt die Sicherheitsanforderungen für das historische Treffen, obwohl das Weiße Haus gehofft hatte, den russischen Präsidenten und sein Gefolge nicht in einer US-Militäranlage empfangen zu müssen.
Die Luftwaffenbasis Elmendorf-Richardson in Anchorage ist Schauplatz des Treffens.
Er strebe keinen Friedens-Deal mit Putin an, so Donald Trump, so schon einmal die Befürchtungen der die Ukraine unterstützenden Europäer ausräumend, Kiew könnte über die Köpfe der Ukrainer hinweg ein Diktatfrieden aufgezwungen werden. Einen Verhandlungsfrieden müssten die Kriegsparteien miteinander verhandeln, meinte Trump am Montag. Praktisch hat Europa bisher keine Schritte hin zu einer Friedenslösung unternommen, setzt wohl weiterhin auf eine militärische Lösung, die jedoch immer unwahrscheinlicher zugunsten der Ukraine ausgehen wird.
Schon weil nach europäischer Lesart Putin in der Ukraine gestoppt werden muss, weil er sonst auch die baltischen Staaten, Moldawien oder Polen ins Visier nehmen könnte. Eine Art neue Domino-Theorie, ähnlich der von US-Präsident Eisenhower, der 1954 verkündete, Länder, die sich geografisch in der Nähe eines kommunistischen Landes befänden, könnten ebenfalls kommunistisch werden. Entsprechend würden nach und nach alle Länder einer Region wie bei einer Kette von Dominosteinen umfallen und sich damit vom Westen abwenden.
Was Putin noch alles vorhaben könnte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Konkret geht es jetzt darum, dass Trump die Vereinigten Staaten nicht weiter für den ukrainischen Verteidigungskampf zahlen lassen will. Sicherheitsgarantien nach einem möglichen Waffenstillstand oder Friedensabkommen sollen die Europäer selbst übernehmen. „Wir werden sehen, was er vorhat“, sagte Trump über Putin. Wenn es ein „fairer Deal“ sei, werde er ihn der EU, der NATO und Selenskyj vorstellen. „Vielleicht sage ich: Viel Glück, kämpft weiter. Oder vielleicht sage ich: Wir können einen Deal machen.“
Militärisch gerät die Ukraine derzeit weiter in Bedrängnis, sodass das Treffen zwischen Trump und Putin zur rechten Zeit kommen könnte. Sicher ist, dass die Ukraine am Ende einen hohen Preis zahlen muss. Die russische Armee hält heute etwa 20 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt. Moskau betont immer wieder, dass die Ukraine für Frieden diese Gebiete an Russland abtreten müsse.
Der Frontverlauf im Februar dieses Jahres
Das ist wohl mit dem „Gebietstausch“ gemeint, den Donald Trump ansprach. Russland fordert die volle Kontrolle über die ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk, die teilweise seit 2014 besetzt sind und nach Scheinreferenden 2022 von Moskau als russisches Staatsgebiet deklariert wurden. Eine Abtretung würde bedeuten, dass die Ukraine strategisch wichtige Städte wie Slowjansk, Kramatorsk und Kostjantyniwka aufgeben müsste, was ihre Verteidigungsposition erheblich schwächen würde.
Ein „Austausch von Gebieten zum Wohl beider Seiten“, den Trump ins Spiel brachte, ohne ihn näher zu erläutern, ließ Spekulationen aufkommen, dass Russland kleine Brückenköpfe in ukrainischen Gebieten wie Sumy, Charkiw oder Dnipropetrowsk zurückgeben könnte. Die Ukraine beansprucht zudem, noch Truppen im russischen Gebiet Kursk zu haben, was Teil eines solchen „Tauschs“ sein könnte. Allerdings bleibt unklar, ob und welche russischen Territorien tatsächlich zur Disposition stehen, da die Ukraine kaum Gebiete kontrolliert, die für Russland von strategischem Wert wären. Offen bleibt das Schicksal der südukrainischen Gebiete Saporischschja und Cherson, die Russland ebenfalls teilweise annektiert hat. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Russland bereit wäre, diese Gebiete oder die Krim zurückzugeben. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Kreml darauf besteht, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt.
Wolodymyr Selenskyj ist der Ansicht, dass die Ukraine nicht auf ihre Gebiete im Osten verzichten wolle und könne. Der Donbass würde Russland zu einem späteren Zeitpunkt nur als „Sprungbrett“ für einen neuen Krieg dienen – so wie schon die Krim als Sprungbrett für Moskaus Angriffe gegen die Südukraine gedient habe. Außerdem verbiete die ukrainische Verfassung Gebietsabtretungen. Gleichwohl zeigte sich Selenskyj überzeugt, dass es zu einem Dreiertreffen zwischen Trump, Putin und ihm kommen werde, um den Krieg zu beenden.
Zerstörungen in der Ukraine
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat solchen Überlegungen eine Absage erteilt. „Gewalt darf keine Grenzen verschieben“, schrieb er auf X. Deutschland unterstütze Trumps Ziel, den russischen Angriffskrieg zu beenden. Das Ergebnis müsse ein gerechter und dauerhafter Friede sein. Im ZDF-„heute journal“ sagte Wadephul aber auch, die Ukraine wisse, dass die Verhandlungen mit Russland schwierig würden. Kiew werde „möglicherweise auch Verzichte“ zu erwarten haben. „Aber das ist später zu entscheiden.“
Klar ist, dass Trumps Initiative endlich Bewegung in die verfahrene Situation bringt. Die Strategie der Europäer, in einen endlosen Krieg immer weiter zu investieren, ist erkennbar gescheitert, ein „Sieg“ der Ukraine ohnehin nicht möglich. Dennoch hielt man bisher stur daran fest, die Ukraine mit viel Geld und Waffen zu unterstützen; die Russen aus dem Land zu werfen, wurde als alternativloses Ziel angegeben. „Die gute Nachricht ist: Es wird nicht schon am ersten Tag der Frieden ausbrechen in dieser Region“, sagte der ZDF-Experte Elmar Theveßen Mitte Januar im Talk bei Maybrit Illner angesichts der damals anstehenden Amtseinführung Trumps.
Doch sind nun im Weißen Haus die Realpolitiker am Ruder, die nicht weiter Milliarden Dollar in ein Fass ohne Boden stecken wollen. Selenskyj hat das erkannt und hütet sich, allzu widerstrebend aufzutreten: „Witkoff sagte, dass es auf beiden Seiten territoriale Zugeständnisse geben sollte. So klang es jedenfalls. Und dass Putin wahrscheinlich möchte, dass wir den Donbass verlassen. Es klang also nicht so, als wolle Amerika, dass wir gehen“, sagte Selenskyj. „Ich glaube nicht, dass Putins Vorschlag Trumps Vorschlag ist. Ich glaube, dass Trump die Vereinigten Staaten von Amerika vertritt. Er agiert als Vermittler, er steht in der Mitte – nicht auf der Seite Russlands.“
In der Vermittlerrolle: US-Präsident Donald Trump
Der ukrainische Geopolitik-Analyst Viktor Kovalenko sagte am Montag gegenüber Newsweek, der Gipfel sei „ein entscheidender diplomatischer Durchbruch sowohl für die USA als auch für die Ukraine“. Der russische Politikwissenschaftler Sergei Markov sagte der Washington Post hingegen, dass Russlands Hauptinteresse an dem Gipfeltreffen darin bestehe, die Ukraine und Europa und nicht Russland als Hindernisse für eine Einigung darzustellen. Und der ehemalige nationale US-Sicherheitsberater John Bolton argwöhnt, dass Putin Trump auf seine Seite ziehen und weitere Sanktionen abwenden wolle, während es Trump bloß auf den Friedensnobelpreis ankomme.
Selenskyj traf heute in Berlin ein, um am Videocall mit Donald Trump und Vizepräsident J. D. Vance teilzunehmen. Zugeschaltet sind die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Finnland, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Merz hatte die Schalte initiiert, um mit Trump eine gemeinsame Linie abzustimmen.
Kanzler Friedrich Merz empfängt Wolodymyr Selenskyj in Berlin.
Nach dem Gespräch mit Donald Trump erklärte Friedrich Merz in der Pressekonferenz, man habe sich vorher untereinander abgestimmt und sich dann mit Trump sowohl „in der Bewertung der Ausgangslage“ als auch in der „Vereinbarung des Ziels“ einig gewesen: „Wir wollen, dass der Friede in Europa wiederhergestellt wird.“Fünf Bedingungen, so Merz, müssten akzeptiert werden: „Die Ukraine muss mit am Tisch sitzen.“ „Zweitens: Wir wollen, dass der Waffenstillstand am Anfang steht.“ Drittens: „Die Ukraine ist über territoriale Fragen zu verhandeln bereit.“ Dann kam jedoch das große Aber: „Eine rechtliche Anerkennung russischer Besetzungen steht nicht zur Debatte.“ Viertens: „Robuste Sicherheitsgarantien für Kiew. Ukrainische Streiftkräfte müssen in Stand sein und bleiben.“ Und fünftens: „Verhandlungen müssen Teil einer transatlantischen Strategie sein“, die auf „starke Unterstützung für die Ukraine und notwendigen Druck gegen Russland“ setze.
Sollte es bei Trumps Verhandlungen mit Putin keine Ergebnisse geben, müsse der Druck der EU und USA auf den Kreml erhöht werden. Trump teile die Positionen „weitgehend“, meinte der Bundeskanzler in der Pressekonferenz. Das darf insbesondere mit Blick auf den verständlichen, jedoch unrealistischen Punkt 3 („Eine rechtliche Anerkennung russischer Besetzungen steht nicht zur Debatte“) bezweifelt werden; Trump hatte ja vorher bereits von Gebietsabtretungen gesprochen. Selenskyj antwortete einem Reporter, dass diese laut Verfassung auch ausdrücklich nicht erlaubt seien. Putins Argumente, wie Gebietsgewinne und die angeblich nicht wirkenden Sanktionen, seien ein „Bluff“.
„Wir haben ihm [Trump] Glück gewünscht“, sagte Friedrich Merz. Man hoffe „auf Bewegung, auf Frieden in der Ukraine“. Trump soll richten, was Europa bisher versäumt hat.
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