
Sahra Wagenknecht ist offen für eine Zusammenarbeit – das hatte die BSW-Vorsitzende bereits im Juni offenbart. Bei einer Visite bei der thüringischen Landtagsfraktion ihrer Partei unterstrich die ehemalige Linken-Politikerin diese Haltung am Montag noch einmal und machte deutlich: „Ich finde, dass man durchaus auch mit wechselnden Mehrheiten regieren könnte.“
Zwar hielt sie mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt fest, nicht als Juniorpartner mit der AfD koalieren zu wollen. Aber der Umgang mit der Partei müsse sich ändern. „Die sogenannte demokratische Mitte ist keine demokratische Mitte, wenn sie gegenüber demokratisch gewählten Parteien undemokratische Umgangsformen pflegt. Und sie hilft der AfD damit.“
Bezogen auf Sachsen-Anhalt riet sie der Union zu einer Koalition mit der AfD und betonte: „Wenn immer mehr Parteien sich verbünden, um die AfD von der Macht fernzuhalten, die Politik dieser Koalition dem Bürger aber nichts merklich bringt, dann wird die AfD immer stärker und braucht irgendwann keinen Koalitionspartner mehr.“
Wagenknecht erklärte in Erfurt außerdem, der AfD politisch nicht zu begegnen, „ist eine Ohrfeige für die Wählerinnen und Wähler.“ Dahingehend verteidigte sie ein zwischen den thüringischen Landtagsfraktionsvorsitzenden von BSW und AfD für diese Woche geplantes Treffen. Dass der eigene Koalitionspartner in Thüringen, die SPD, ein derartiges Format ablehne, sei überdies „albern“.
Bereits vor wenigen Wochen hatte Wagenknecht gegenüber Table.Media angedeutet, auf die AfD zugehen zu wollen (Apollo News berichtete). Auch am Montag sagte sie: „Wo wir besser werden müssen, und da sind wir uns auch einig, ist, den Menschen deutlich zu machen, was unser Profil in dieser Koalition ist, und was wir gegen die Koalitionspartner durchgesetzt haben und auch in Zukunft durchsetzen müssen.“
Über das Auftreten des BSW in der sogenannten Brombeer-Koalition mit SPD und CDU gab es bereits in den vergangenen Monaten immer wieder Streit in der Partei. Der von der ehemaligen Linken-Politikerin Katja Wolf geführte Landesverband hatte bereits bei der Entscheidung über den Koalitionsvertrag mit 25 Prozent gegen das Papier gestimmt (mehr dazu hier).
Vermehrt gab es Berichte über den Versuch seitens Wagenknecht, Einfluss auf den Landesverband zu nehmen. Bei der Wahl der Landesvorsitzenden unterstützte die Parteichefin Wolf explizit nicht – dennoch wurde die aktuelle thüringische Finanzministerin wiedergewählt. Diese, schon nach der Landtagswahl im vergangenen September offensichtlich gewordenen, Differenzen hatten der Partei dann offenbar auch im Bundestagswahlkampf geschadet.
„Wir sind uns einig, dass wir da besser werden wollen und müssen. Und dass wir Vertrauen, das in Thüringen und bundesweit verloren gegangen ist, zurückgewinnen können“, erklärte dahingehend am Montag die Landesvorsitzende Wolf und zeigte sich einsichtig.
Seit der Landtagswahl war sie von Wagenknecht immer wieder ermahnt worden, sich klar an die Parteilinie zu halten. In den thüringischen Koalitionsverhandlungen hatte sie beispielsweise auf eine Friedenspräambel im Koalitionsvertrag verzichten wollen, woraufhin es zum internen Streit mit Wagenknecht kam, die unbedingt auf die schriftliche Forderung nach einer diplomatischen Beendigung des Ukraine-Krieges drängte.
Jetzt könnte sich Wolf also wieder mehr an Wagenknecht und der vorgegebenen Parteilinie orientieren – möglicherweise mit einer Öffnung zur AfD. Denn CDU, BSW und SPD sind regelmäßig auf die Stimmen der Linksfraktion angewiesen. Mit 44 von 88 Sitzen hat die Brombeer-Koalition keine klare Mehrheit im Landtag. Aber auch dieses Drei-Plus-Eins-Format steht auf der Kippe – eine Zusammenarbeit mit der AfD könnte sich unter anderem bei migrationspolitischen Themen anbahnen.