Wahl wegen knappem BSW-Ergebnis „nicht unproblematisch“, meint der Ex-Verfassungsgerichtspräsident

vor 2 Monaten

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Bildquelle: Apollo News

Nur etwa 13.000 Stimmen fehlten dem BSW für den Einzug in den Bundestag. In Anbetracht der Versäumnisse bei der Briefwahl von Auslandsdeutschen nennt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, die Bundestagswahl gegenüber der Berliner Zeitung „verfassungsrechtlich nicht unproblematisch“. Denn: „Alle Staatsbürger sollen grundsätzlich an der Wahl teilnehmen können.“

Doch diese, in Artikel 38 des Grundgesetzes festgeschriebene Wahlgleichheit, konnte offenbar nicht erfüllt werden (Apollo News berichtete). Vor der Bundestagswahl häuften sich die Meldungen über fehlende Unterlagen für die Briefwahl im Ausland. In einer Pressemitteilung erklärte die Bundeswahlleiterin am Freitag, 213.000 Auslandsdeutsche hätten sich für die Wahl registriert – einige hätten sich wegen fehlender Unterlagen an die Behörden gewendet.

Die Wahl sei jedoch nach den rechtlichen Vorgaben organisiert und die Gemeindebehörden angewiesen worden, „für einen vorrangigen Versand der Unterlagen an Deutsche im Ausland zu sorgen“. Doch Papier ist der Meinung, trotz der vom Grundgesetz vorgegebenen Frist für Neuwahlen, wonach diese 60 Tage nach der Auflösung des Bundestages abgehalten werden müssen, hätte die Rahmenordnung geändert werden können.

Das Wahlverfahren für Auslandsdeutsche, so der von 2002 bis 2010 amtierende Verfassungsgerichtspräsident, hätte „rechtzeitig diesen Zeitvorgaben und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden können, damit diese Gruppe von Wahlberechtigten ihr Wahlrecht auch tatsächlich ausüben kann“.

Die möglicherweise nicht rechtzeitig bei den Gemeindebehörden eingetroffenen Stimmen könnten also als mandatsrelevant eingestuft werden, weil sie das Ergebnis des BSW und somit die Sitzverteilung im Bundestag noch einmal hätten verändern können. Unter den 213.000 Wählern im Ausland hätten ungefähr 24.000, also etwa zwölf Prozent der für die Wahl registrierten Auslandsdeutschen, das BSW wählen müssen. Eine hohe, aber dennoch nicht vollends unwahrscheinliche Summe.

Ob die ausbleibenden Stimmen tatsächlich als mandatsrelevant angesehen werden können, wollte Papier nicht vorwegnehmen. Sollte das BSW, wie angekündigt, gegen das Ergebnis vorgehen, eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundestag einreichen, so könnte das Bundesverfassungsgericht sich in einem Verfahren mit den Abläufen beschäftigen. Für das BSW ist dieser Weg jedoch nicht ganz einfach.

„Die Wahlprüfung ist zunächst Sache des Bundestags, der gewissermaßen in eigener Sache entscheidet“, erklärt Papier. „Erst gegen die Entscheidung des Bundestags ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig. Zeitnahe Entscheidungen im Rahmen einer Wahlprüfung sind daher kaum zu erwarten.“

Ein weiteres Problem: die Probleme bei der ausländischen Briefwahl traten offenbar vor allem im außereuropäischen Ausland auf. Auch Apollo News erreichten Zuschriften aus Kanada und den USA. Weitere Fälle aus Kenia, Mexiko oder Australien sind ebenfalls bekannt. Dabei ist davon auszugehen, dass im außereuropäischen Ausland nicht nur weniger Auslandsdeutsche leben, sondern sich auch seltener für die Wahl registrieren.

Eine konkrete Zahl von nicht angekommenen Wahlbriefen der Auslandsdeutschen konnte die Bundeswahlleiterin am Montag gegenüber Apollo News nicht nennen. Sollte es sich um eine größere Zahl handeln, könnte die Wahl dennoch noch einmal interessant werden. Angenommen, das BSW wäre mit einer Wahlprüfungsbeschwerde erfolgreich, so würde sich die Sitzverteilung im Bundestag zu Ungunsten der SPD verändern.

Momentan kommen Unionsparteien und die Sozialdemokraten auf 208 und 120 Sitze, stellen somit die Mehrheit der 630 Sitze und können eine Regierung bilden. Würde das BSW mit etwa fünf Prozent den Sprung in den Bundestag schaffen, hätten die Parteien keine Mehrheit mehr. Dann wäre nur eine Dreierkoalition aus Schwarz-Rot-Grün möglich – die mit sehr schwierigen Verhandlungen verbunden wäre – oder eine konservative Regierung aus Union und AfD.

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