
Nachdem das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße den Ausschluss des AfD-Politikers Joachim Paul bei der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen bestätigte, wirft die Rolle der aktuellen Amtsträgerin weitere Fragen auf. Die parteilose, aber bis 2023 in der SPD aktive Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck hatte offenbar Kontakt zu einem Bündnis, das aus Widerstand gegen Paul gegründet worden war und dessen Kandidatur zu verhindern versuchte.
Einem Bericht von Nius zufolge habe sie am 31. Juli auf eine E-Mail geantwortet, mit der sich ein Mitglied des Netzwerks an sie und weitere städtische Stellen und Parteien gewandt hatte. „Sehr geehrte Initiatoren des Netzwerks, sehr geehrte Beisitzer des Wahlausschusses, sehr geehrte Mitglieder der Parteien, ich danke den Initiatoren des Netzwerks für Ihr Engagement, sich für das Einhalten der Prinzipien und Werte unserer fundamentalen freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für das Leben in unserer Stadt Ludwigshafen einzusetzen“, heißt es darin zunächst.
Sie wolle allerdings darauf „hinweisen, dass die zur Verfügung gestellten Informationen ausschließlich zur eigenen Meinungsbildung herangezogen werden dürfen“ – gemeint ist offenbar ein Dokument, das das Netzwerk übermittelt hatte. Auf Instagram hieß es seitens der Gruppierung, „alle relevanten Informationen zur Gesinnung Joachim Pauls haben wir den Parteien im Wahlausschuss zugeleitet“. In Steinrucks E-Mail heißt es dann jedoch weiter, sie „appelliere ausdrücklich an die Mitglieder des Wahlausschusses, dass Sie einzeln anhand der Tatsachen eine eigene Bewertung vornehmen müssen.“
Und sie kündigte an, „in der Sitzung des Wahlausschusses lege ich Ihnen das Ergebnis der Vorprüfung der eingereichten Wahlvorschläge vor und werde Sie in die Lage versetzen, eine Entscheidung zu treffen“. Damit ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch das Schreiben des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes gemeint, das sie angefordert hatte, um objektive Gründe für Zweifel an der Verfassungstreue von Paul gerichtsverwertbar begründen zu können – denn nur so ist ein Wahlausschluss möglich.
Die Rolle des Netzwerks bleibt weiter fraglich. Bereits am 25. Juni hatte es auf Instagram einen ersten Beitrag gegen Paul veröffentlicht, seitdem folgten mehrere Kundgebungen in Ludwigshafen. Erst gut drei Wochen später meldete sich die parteilose Oberbürgermeisterin, die bis 2023 in der SPD aktiv war und dem Wahlausschuss in Ludwigshafen vorsitzt, am 18. Juli beim rheinland-pfälzischen Innenministerium und teilte „Hinweise“ zu den Zweifeln an Pauls Verfassungstreue mit (mehr dazu hier).
Ob es sich um Hinweise handelte, die auch das Netzwerk zuvor gegen Paul gesammelt hatte, ist unklar. In der Anfrage an das Ministerium teilte Steinruck lediglich mit: „Da diese jedoch allenfalls Interpretationen zulassen, bin ich auf objektive Anhaltspunkte/Prüfungsergebnisse des Verfassungsschutzes, insbesondere, ob bei der betreffenden Person entsprechende gerichtsverwertbare Tatsachen vorliegen, die nicht älter als fünf Jahre sind, angewiesen“, hieß es in der E-Mail, die Apollo News exklusiv vorliegt.
Am 29. Juli erhielt sie eine elfseitige Antwort. Es handelt sich um eine zusammenhangslose Sammlung einzelner öffentlicher Aussagen und Teilnahmen von Paul an Veranstaltungen (mehr dazu hier). Nachdem er dann am 5. August mit sechs zu einer Stimme von der Oberbürgermeisterwahl ausgeschlossen wurde, reichte der AfD-Politiker einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Neustadt ein, um doch noch vor der Wahl am 21. September auf den Wahlzettel gesetzt zu werden – das Gericht lehnte den Antrag ab (mehr dazu hier), Paul möchte in die nächste Instanz gehen.
Der Ausschluss erfolgte zuvor aufgrund von Paragraf 53 der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung. Darin ist neben anderen, an konkrete Formalien gekoppelten Anforderungen festgehalten, dass nur Bürgermeister werden kann, wer „Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ einsteht. Daran äußerte Steinruck jedoch Zweifel – die sie durch das Schreiben des Verfassungsschutzes objektiv begründen wollte.