
Im Sondierungspapier haben sich Union und SPD auf eine deutlich abgeschwächte Form der migrationspolitischen Pläne von CDU und CSU geeinigt – doch die SPD möchte mehr. Obwohl die vereinbarten Ziele die von der Union im Wahlkampf geforderten Maßnahmen bei weitem nicht erreichen können und eigentlich die Fortführung des Status Quo bedeuten, hat die Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt der SPD jetzt ein Positionspapier für weitere Abschwächungen vorgelegt.
Der Inhalt ist brisant, berichtet die Welt. Demnach würden die beteiligten SPD-Politiker auf die Ausweitung der Migration und auch des Staatsbürgerschafts- und Wahlrechts drängen. „Wir fordern ein Wahlrecht für alle, die langfristig in Deutschland leben, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft“, heißt es demnach. In Deutschland sind von 84 Millionen Einwohnern etwa 60 Millionen wahlberechtigt. Durch den Vorschlag könnte diese Zahl aufgrund der Beteiligung von ausländischen Einwohnern massiv erhöht werden.
Auch bei der Migration nach Deutschland fordert die Arbeitsgruppe Änderungen im Vergleich zum Sondierungspapier: So sollen beispielsweise 500.000 Migranten pro Jahr aufgenommen werden, „um den demografischen Wandel zu bewältigen und den Fachkräftebedarf zu decken.“ Dabei soll nicht nur auf Fachkräfte zurückgegriffen werden, sondern „auch flüchtende Menschen beinhalten, die Qualifikationen mitbringen oder ein nachvollziehbares Potenzial haben, eine Qualifikation in Deutschland zu erlangen.“
Einmal in Deutschland angelangt, soll dann auch die Abschiebung – auch von illegalen Migranten – erschwert werden. Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen demnach nicht ausgewiesen werden, sondern „eine Perspektive“ erhalten. Dafür fordern die SPD-Politiker weitreichende Integrationsprogramme, die auch die Aufnahme in den Arbeitsmarkt umfassen.
Auch wer zwar nicht illegal, jedoch vollziehbar ausreisepflichtig ist – weil beispielsweise der Asylantrag abgelehnt wurde –, soll „unter bestimmten Voraussetzungen eine echte Perspektive“ erhalten. Für diese Personengruppe fordert die Arbeitsgruppe eine „allgemeine Aufenthaltserlaubnis“, weil ein „unfreiwilliges Verlassen des Bundesgebiets“ in der Praxis oftmals weder „umsetzbar noch sinnvoll“ sei.
Im vergangenen Jahr wurden etwa 20.000 Personen ausgewiesen und damit fast ein Viertel mehr als noch 2023. Vor der Pandemie lag diese Zahl noch höher: 2019 waren es insgesamt sogar 22.000. Währenddessen scheitern Ausweisungen immer wieder, von Januar bis September 2024 mussten über 60 Prozent der bis dahin geplanten 38.000 Abschiebungen ausfallen, über 23.000 Rückführungen scheiterten. Insgesamt befinden sich derzeit etwa 220.000 ausreisepflichtige Personen in Deutschland, der Großteil wird geduldet.
Diese Zahlen spielen im Positionspapier der SPD-Arbeitsgruppe jedoch keine Rolle – im Gegenteil. Hier werden Abschiebungen sogar als das letzte Mittel bezeichnet, das nur „in klar definierten Fällen“ und unter bestimmten Bedingungen in Betracht gezogen werden sollte, so beispielsweise bei Straftätern oder Betrügern. Damit die Integration besser gelingt, soll außerdem ein „Ministerium für Migration und gesellschaftliche Teilhabe“ geschaffen und die deutsche Staatsbürgerschaft automatisch an Personen ausgehändigt werden, die sich seit 25 Jahren in Deutschland befinden.
Diese Forderung möchten die beteiligten SPD-Politiker jetzt an die Unterhändler von Union und SPD für die Verhandlungen des Koalitionsvertrags übergeben. Derzeit sieht das Sondierungspapier Zurückweisungen an der deutschen Grenze in Abstimmung mit den Nachbarländern vor. Eine Rückführungsoffensive, die im Wahlkampf beworbene Abschiebehaft sowie die Aberkennung der verschiedenen von der CDU zuletzt noch als „dysfunktional“ beschriebenen europäischen Migrationsregeln kommen nicht explizit vor – dabei hatten die Christdemokraten genau damit Wahlkampf betrieben.