
Das Video eröffnet mit szenischen Landschaften: ein idyllischer kleiner Fluss mit einer plätschernden Mühle, der Strand von Monaco mit Kinderlachen im Hintergrund, ein Fußballstadion mit grölenden Fans – es sind Szenen aus dem Miniatur-Wunderland Museum in Hamburg. Ein Mädchen mit langem, braunem Haar und Sommersprossen ist hier mit ihrer Familie auf einem Ausflug. Muntere Klaviermusik ist über das Video gelegt.
Ihr Papa hebt sie hoch und sie schaut staunend über die Miniaturausstellung hinweg. Dann schaut sie sich um und sieht zwischen der großen Menschenmenge ein Banner, das von der Decke hängt. „Look into the future!“, steht darauf, mit einem Pfeil, der nach unten zeigt. Darunter stehen ein Tablet und Kopfhörer bereit. Neugierig setzt sie sich die Kopfhörer auf und tippt etwas auf dem Tablet.
Plötzlich sind gedämpfte Schreie zu hören und das Mädchen schaut verstört. Die Klaviermusik hat die muntere Stimmung verloren, es setzt tragisch klingend eine Geige ein. Mit fassungslosem Blick läuft das Mädchen weiter durch das Museum, zu weiteren Bannern und Tablets. An der Ausstellung von einem Miniatur-Venedig sehen wir nun endlich, was sie da auf den Tablets sieht.
Dort ist ein Regler auf dem Bildschirm, der den Grad der Klimaerwärmung anzeigt. Bei 1,5 Grad sieht noch alles normal aus. Als sie ihn auf zwei Grad hochschiebt, steigt der Wasserspiegel. Mit Schlauchbooten versuchen Miniaturfeuerwehrmänner, Frauen und Kinder zu retten. Als sie den Regler auf fünf Grad hochstellt, werden die Schreie noch lauter, das Wasser höher und gewaltiger, die Häuser stürzen ein.
Verstörendes Werbevideo der Telekom, die im "Miniatur Wunderland Hamburg" eine Klima-Horrorshow finanziert hat, um aus fröhlichen Kindern eine depressive Generation voller Zukunftsangst zu machen.
Die Apokalypse-Sekte hat unsere Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür durchdrungen.… pic.twitter.com/73nyqCaynf
— TheRealTom™ – Trusted Flagger (@tomdabassman) March 25, 2025
Das Mädchen läuft weiter zu einer Formel-1-Strecke in Monaco. Bei 1,5 Grad fahren die kleinen Rennautos noch um die Wette, das Publikum jubelt begeistert. Als sie die Klimaerwärmung wieder hochstellt, kommt es zu einer Naturkatastrophe, Menschen werden auf Liegen verarztet, man hört eine Frau weinen. Verstört läuft das Mädchen weiter, zwischen lachenden Museumsbesuchern zum Miniaturschloss Neuschwanstein.
Bei fünf Grad Erwärmung steht der Wald rundherum in Flammen, während Miniaturfeuerwehrmänner mit Löschhubschraubern verzweifelt versuchen, das Feuer zu bändigen. Die Geigenmusik wird immer schneller, es ertönen Sirenen in der Ferne. Das Mädchen sieht inzwischen aus, als würde es gleich anfangen zu weinen.
Sie schaut von dem Bildschirm auf, sieht sich panisch im Museum um und schreit plötzlich: „Warum schaut denn niemand hin?“ Damit bricht das Video ab. Vor schwarzem Hintergrund erscheint der Text: „Ignorieren hilft nicht. Lasst uns gemeinsam handeln.“ Es wird auf eine Webseite der Telekom verwiesen, als das Logo auf magentafarbenem Grund erscheint, ertönt zaghaft die Signaturmelodie.
„Warmland“ heißt die Kampagne, zu der dieses Video gehört. „Der Klimawandel ist eine reale Bedrohung für viele Aspekte des Lebens. Doch fällt es uns schwer, eine Gefahr zu begreifen, die wir nicht sehen können“, schreibt die Telekom auf ihrer Webseite. Doch da wir den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen können, wenn wir auf die Experten hören, will sie ihn mit dieser Kampagne im Hamburger Miniaturmuseum sichtbar machen.
Die Seite ist auch mit Interviews mit Klimaexperten untermalt. Darunter Prof. Dr. Mojib Latif von dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel mit dem Zitat: „Er ist real. Wir sind die Ursache. Er ist gefährlich. Die Fachleute sind sich einig. Wir können etwas tun.“ „Warmland“ gehört zu der Initiative „#GreenMagenta“ der Telekom. Neben Klimaprojekten bewirbt sie darüber nachhaltige Produktlinien der Firma.
Neugeräte der Eigenmarken sollen so viel wie möglich aus recycelbarem und biobasiertem Kunststoff produziert werden, die Verpackungsmaterialien plastikfrei und materialsparend sein, das 5G-Netz ist vollkommen auf erneuerbaren Strom umgestellt. Seit die Telekom sich Anfang 2024 als „erstes großes DAX-Schwergewicht“ ein verifiziertes Klimaneutralitätsziel gegeben hat und dann auch noch prompt den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten hat, versteht sie sich als „Vorreiter in Sachen Klimaschutz“.
Telekom selbst will aber nur mit gutem Beispiel vorangehen. Jetzt sind die Kunden dran. Neben den Tipps: „Nicht der Fast Fashion hinterherjagen“ und auf „pflanzenreichere Ernährung“ umzustellen, klärt die Telekom auf ihrer Webseite auch auf: „Dem Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft stehen viele Narrative im Weg.“ Dagegen helfen nur verlässliche und leicht verständliche Informationen.
Die Telekom verweist dabei etwa auf ihr Projekt der „Nachhaltigkeitsdetektive“, einer Sendung, bei der Kinderreporter über Klimaschutz lernen. Damit schließt sich der Kreis zu einer anderen Kampagne der Telekom, #GoodMagenta, in der sie sich gegen Fake News und etwa für digitale Inklusion, unter anderem in Kooperation mit HateAid, einsetzt. Es ist jedenfalls keine Überraschung, dass die Telekom regelmäßig etwa die Veranstaltungen der Grünen sponsert. Als ein User auf X das Warmland-Video als verstörende Klima-Horrorshow bezeichnet, antwortet ein Mitarbeiter, der sich Danny nennt, über den Service-Account der Telekom.
„Es ist keine Klima-Horrorshow, es ist die Realität, die wir da zeigen. Ignorieren hilft nicht und das wollen wir damit hervorheben. Niemand kann das alleine lösen und deshalb haben wir die Kampagne ins Leben gerufen.“ Ein sehr dehnbares Verständnis von „Realität“, wenn man eine eigens zu diesem Zweck programmierte App, animierte Videos, Miniaturkulissen und eine Kinderschauspielerin braucht, um es darzustellen.
Der Weltuntergang ist schon da und nur noch 0,5 bis 3,5 Grad entfernt und niemand sieht ihn – aber wir können ihn noch aufhalten, wenn alle die richtigen Medien konsumieren und auch mal Spinat essen. Und jetzt kaufen Sie sich schon den grünen Router aus Biomaterial!