
Er hält Oster-Ansprachen, entwirft eine geostrategische Außenpolitik für Deutschland und Europa und macht schon bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags keinen Hehl aus seinen internationalen Ambitionen: „Germany is back on track“, sagte Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz damals. „Deutschland ist wieder auf Kurs!“ Doch ausgerechnet, wenn sich die Welt am Samstag am Grab des verstorbenen Papstes Franziskus versammelt, fehlt ein Top-Politiker aus Deutschland: Friedrich Merz.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nebst Gattin Elke Büdenbender werden die deutsche Delegation anführen, Noch-Kanzler Olaf Scholz wird ebenso dabei sein wie Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sowie Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD). Friedrich Merz nicht. Selbst CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident hat überraschend angekündigt, zum Papst-Begräbnis reisen zu wollen.
Offiziell wird das in seinem Umfeld mit protokollarischen Regeln begründet. Da Merz noch nicht gewählt ist, müsste er in der zweiten oder dritten Reihe hinter Steinmeier, Scholz und Co. im Publikum Platz nehmen, heißt es. Formal ist das richtig, ließe sich aber durchaus auf dem kleinen Dienstweg regeln. Wesentlich heikler ist da allerdings eine andere Protokollfrage: Hätte Merz mit Steinmeier, Klöckner, Harbarth und anderen in der gleichen Maschine der Flugbereitschaft nach Rom reisen dürfen? Im Falle eines Falles wären dann sämtliche Verfassungsorgane (Präsident, Kanzler, Bundestag, Bundesrat, Verfassungsgericht) plus möglicher Kanzlernachfolger betroffen gewesen. Ein Problem, das durch die Abwesenheit von Merz aber nur unwesentlich entschärft wird.
Merz war es nach NIUS-Informationen zwar vom Präsidialamt angeboten worden, mitzukommen – der CDU-Chef lehnte jedoch ab.
Angeblich will Merz nicht das fünfte Rad am Wagen neben Bundespräsident Steinmeier und Noch-Bundeskanzler Scholz sein.
Warum also lässt sich Merz die Chance entgehen, im Reigen nahezu aller Staatslenker der westlichen Welt zu erscheinen und am Rande zum Beispiel erste Gespräche etwa mit US-Präsident Donald Trump und anderen zu führen. Hier kommt man dem eigentlichen Problem schon näher, sagt ein langjähriger Diplomat zu NIUS. Einem noch nicht gewählten Regierungschef in Anwesenheit der offiziellen Amtsinhaber Audienzen zu gewähren, sei zumindest ein unfreundlicher Akt.
Hinzu kommt: In der US-Administration von Präsident Trump gilt Merz nicht als Verbündeter. Merz’ starke Abgrenzung von Trumps Kurs und die Tatsache, dass er im August 2022 ein geplantes Treffen mit dem konservativen Senator Lindsey Graham unter wenig überzeugenden Begründungen absagte, hat man Merz längst nicht vergessen. Team Trump sieht sich auch als eine Art Kampf-Formation gegen linken Zeitgeist und Woke-Dominanz. Rücksicht auf ein negatives Echo in der linksliberalen Medienlandschaft zu nehmen, wie es Graham wenig später als eigentlichen Grund für die Absage zu Protokoll gab, widerspricht fundamental den Überzeugungen Trumps und seiner Leute.
US-Präsident Trump wird zur Beisetzung des Papstes anreisen – scheut Merz das Zusammentreffen?
In den Kreisen der US-Republikaner geht man zudem davon aus, dass Merz Trump erst entgegentreten wolle, wenn er im Kanzleramt angekommen ist, um das Machtgefälle nicht auch noch durch den Wartestand zu illustrieren. Dass Gespräche mit Trump für den CDU-Chef nicht leicht werden, ist auch in der Union klar. Schließlich habe Merz auch die Zeit in der Opposition nicht genutzt, Kontakte zu knüpfen und gegenseitiges Verständnis aufzubauen.
Noch einen anderen Grund mutmaßen Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen mit guten Kontakten zur SPD: Noch Kanzler-Scholz werde kaum auf protokollarische Auftritte zugunsten von Merz verzichten oder Merz dazu bitten. Merz wiederum halte es für unter seiner Würde, sich auf Fotos zu drängeln oder auch nur irgendwie als fünftes Rad am Wagen dabeizustehen.
Kanzler kontaktscheu? Wie Merz selbst seinen Verzicht begründet, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Da weilte der CDU-Chef noch im Kurzurlaub.