
Nach außen wirkt er souverän, gelassen, freundlich, doch intern fliegen schon mal die Fetzen: Je länger die Koalitionsgespräche ohne erkennbare Punktgewinne für die Union dauern, desto stärker wächst die Unzufriedenheit an der Basis von CDU und CSU mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU).
Kurz nach dem Beginn der Sondierungen habe Merz eine SMS an seinen engsten Kreis verschickt, berichten Parteifreunde, die dazugehören, mit dem Text: „Schuldenpaket machen wir. Bitte verteidigen. FM“. Andere wollen lediglich die inhaltliche Stoßrichtung bestätigen und nicht über den Wortlaut interner Kommunikation sprechen.
Fakt ist: Die knappe und mitunter herrisch und gereizt wirkende Kürze des „Chefs“ kommt nicht überall gut an. Vor allem nicht bei jenen, die Wahlkampf für ihn gemacht haben. „Ich war auch mal Merz-Fan“, heißt es dann bei einigen in der Unionsfraktion oder Leuten, die in den Landesverbänden auf der Straße und für ein anderes Programm und einen vermeintlich anderen Spitzenkandidaten den Kopf hingehalten haben.
Friedrich Merz bei einer Rede im Bundestag
Dabei wird immer wieder der Kontrast zwischen Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erwähnt, der in den Schaltkonferenzen mit den Kandidaten (jeden Freitag um 7:30 Uhr) mit schier endlosem Einsatz und großer Offenheit die Leute angefeuert und selbst bis spät in die Nacht unterwegs gewesen sei. „Ich kann mich noch erinnern, wie wir abends telefonierten“, erinnert sich ein Ex-Bundestagskandidat gegenüber NIUS, „da suchte er nach einem McDrive, weil sonst nichts mehr offen hatte.“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gilt als offener, freundlicher und zugewandter Mensch.
Merz dagegen sei oft ruppig und kurz angebunden, was auch daran liege, dass er mit drei Kalendern für den Wahlkreis, die Fraktion und die Parteizentrale arbeite, die nicht koordiniert seien, erzählt ein anderer CDU-Mann. Oft platzten Termine, Merz sei ständig unter Zeitnot und kurz angebunden, selbst wichtigen Wirtschaftsverbänden gegenüber.
Doch viel schlimmer als die Umgangsformen, sind die Zweifel, die inzwischen gerade die treuen Gefolgsleute beschleichen, womöglich nur als nützliche Idioten auf die Marktplätze geschickt worden zu sein. „Stand vielleicht schon von Anfang an fest, dass wir Milliardenschulden machen wollen? Wurden wir an der Basis regelrecht verar....t und verheizt und haben als brave Parteisoldaten den Leuten ins Gesicht gelogen, dass wir die Schuldenbremse verteidigen, damit die SPD weniger Stimmen bekommt?“, fragt sich ein CDU-Mann, der sich fast wehmütig an das Wahlkampf-Finale am 20. Februar im Berliner Gasometer erinnert und von Merz nur noch in der Vergangenheit spricht.
Friedrich Merz spricht beim Wahlkampf-Abschluss der CDU im Berliner Gasometer.
Wenn Merz dann beim FAZ-Forum leichthin davon spreche, dass im Falle des Scheiterns von Schwarz-Rot seine politische Karriere vorbei sei, klinge das alles nur noch wie eine riesengroße Ego-Show, bei der es weder um Deutschland noch um die Union und ihre Glaubwürdigkeit gehe.
Wer genau das Mega-Schuldenpaket bei den Sondierungen vorgeschlagen hat, ist übrigens bis heute unklar: Die Union war ursprünglich mit der Strategie in die Gespräche gegangen, lediglich das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr weiter aufzustocken, berichten Teilnehmer des engsten Merz-Umfelds. Nach einem Sechs-Augen-Gespräch von Merz, CSU-Chef Markus Söder und SPD-Chef Klingbeil sei dann plötzlich die Schuldenbremse gelockert und ein weiteres 500-Milliarden-Euro-Paket beschlossene Sache gewesen. Ob Klingbeil das gefordert oder Merz es vorgeschlagen habe, wissen nur die drei, heißt es.
Pressestatement nach einem Verhandlungstag
In der CSU haben sie derzeit wieder einmal das wachere Gespür für die Stimmung an der Basis. Dass Markus Söder am Wochenende die Rücknahme der Cannabis-Legalisierung öffentlich ins Gespräch brachte und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Steuererhöhungen ausschloss, hängt vor allem damit zusammen, dass sie verstehen, dass die Partei endlich wissen will, wofür – außer für Merz’ Kanzler-Karriere – sie diesen Wahlkampf gemacht hat.
Ein riskantes Manöver. Denn wirklich beschlossen und in trockenen Tüchern ist selbst das noch nicht.
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