
Die beiden größten Mächte der Welt stehen einem vollständigen wirtschaftlichen Bruch näher denn je, da US-Präsident Trump und der chinesische Staatschef Xi sich weigern, in dem von den USA ausgelösten Handelskrieg nachzugeben. Letzte Woche hatte Trump die meisten angekündigten Zollaufschläge vorerst ausgesetzt und eine Pause von 90 Tagen verkündet. Gegenüber China hat er sie aber nicht zurückgenommen. Der Sonderzollsatz gegen China liegt damit bei 145 Prozent. Auf US-Waren hat China als Reaktion 125 Prozent erhoben. Der Zollkonflikt zwischen China und den USA ist praktisch damit ausgereizt.
Bis zur jüngsten Eskalation hatten die von Trump gegen China verhängten Zölle stets eine zurückhaltende Reaktion auf chinesischer Seite ausgelöst. Die chinesische Führung wollte zeigen, dass sie sich nicht vor den Karren spannen lässt, hielt sich aber gleichzeitig zurück, um sich nicht selbst zu schaden. Diese Zurückhaltung hatte die Verhandlungen in der Vergangenheit immer wieder erleichtert – ein chinesisches Denkmuster, das nach der Verkündung der reziproken Zölle aufgegeben zu werden scheint. Die neue Eskalation geht also auf das Konto Trumps, der sich bei den Gegenmaßnahmen der chinesischen Führung völlig verkalkuliert hat.
Peking zeigt sich im Handelskrieg mit den USA nun unnachgiebig. Ein Grund für den Sinneswandel könnte sein, dass die chinesische Führung glaubt, den Handelskrieg für sich entscheiden zu können.
Die USA sind ein bisschen nervös, dass China derzeit seine Macht ausspielt. Denn der Konflikt könnte noch weiter eskalieren, von einem Handelskrieg zu einem Finanzkrieg. Es ist genau diese Sorge, die in den vergangenen Tagen den Ausverkauf der US-Staatsanleihen provozierte, die Trump wiederum zu einem ersten Einlenken in seiner radikalen Zollpolitik zwang. Umso erstaunter waren Marktbeobachter, als in der vergangenen Woche – während die Aktienkurse ihren Abwärtstrend auf breiter Front fortsetzten – die Renditen der Anleihen plötzlich in die Höhe schnellten. Steigende Renditen gehen allerdings mit einem sinkenden Kurswert der Anleihe einher.
Bisher ist die Volksrepublik einer der größten Gläubiger der USA. Im Januar hielt Peking US-Staatsanleihen im Wert von rund 760 Milliarden Dollar, und war damit nach Japan der zweitgrößte ausländische Gläubiger der USA. Allein der Verdacht, dass die Volksrepublik großflächig Staatsanleihen verkaufen könnte, würde ausreichen, um andere Marktteilnehmer in die Flucht treiben. Und das geschah auch letzte Woche. China soll in den vergangenen Tagen große Mengen seiner langfristigen US-Staatsanleihen verkauft haben und damit dafür sorgte, dass die Zinsen für Anleihen wieder anstiegen. Letzteres lag auch daran, dass viele Anleger das Vertrauen in den US-Dollar als stabile Reservewährung verloren haben. Und das heißt: Das mögliche Kalkül von Trumps Team, dass das Geld der Anleger an der Börse in langlaufende und niedrig verzinste Staatsanleihen fließen würde, hat sich in Luft aufgelöst und der Dollarkurs rutschte in den Keller. Diese Staatsanleihe ist das wichtigste Wertpapier überhaupt. Es dient nicht nur als Referenzpunkt für Darlehen, Anleihen und Wertpapiere, sondern auch als sicherer Hafen für Anleger aus aller Welt. So gehört es zu den traditionellen Mustern, dass sich Aktieninvestoren vor weiteren Börseneinbrüchen zu schützen pflegen, indem sie ihr Geld in US-Staatsanleihen umparken.
Wenn sich die Zinsen auf Staatsanleihen erhöhen, verringert sich der Handlungsspielraum der Politik. China hat somit Wohlstandsvernichtungswaffen im Arsenal. Das Land verfügt über gewaltige Mengen an US-Staatsanleihen. Wenn es diese auf dem Markt wirft, bricht der Dollar ein – mit dramatischen Folgen für die USA.
Chinesische Beamte gehen davon aus, dass die US-Gesellschaft die durch Trumps Zölle verursachte Inflation und wirtschaftliche Unzufriedenheit nicht ertragen könnte. Anstatt „bis zum Ende zu kämpfen“ (das neue Narrativ in China nach Trumps Zollpolitik), müssen Chinesen wohl nur so lange kämpfen, bis die US-Verbraucherpreise zu steigen oder die Beschäftigung zu sinken beginnt. Ein eskalierender Handelskrieg bedeutet auch, dass Chinas Präsident Xi Jinping mehr tun muss, um die chinesische Wirtschaft zu stützen. China kämpft schon länger mit einer schwachen Inlandsnachfrage. Die chinesische Wirtschaftspolitik hat ihre eigenen Schwächen, die teilweise spiegelbildlich zu denen der USA sind. Die Wirtschaft in China ist nicht von Inflation, sondern von Deflation bedroht. Peking hat die Ankurbelung des Konsums bereits zur obersten Priorität erklärt, gerade um sich von Exporten unabhängiger und damit weniger anfällig für einen möglichen Handelskrieg mit den USA zu machen.
Li Qiang, Xis Stellvertreter, sagte im März, das Land bereite sich auf „größere externe Schocks“ vor und sei bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Erst im September hatte sich die chinesische Regierung verpflichtet, den Konsum anzukurbeln, um der Wirtschaft zu helfen, eine lang anhaltende Immobilienrezession und den drohenden Handelskrieg zu überstehen. Darüber hinaus ist China bestrebt, seine Zölle gegenüber dem Rest der Welt zu senken und seine Lieferkette zu diversifizieren. China versucht vor allem, seine Beziehungen zu den Ländern zu stärken, die ebenfalls im Schatten von Washingtons Handelszöllen stehen. Der chinesische Präsident Xi Jinping besuchte diese Woche auf seiner ersten Auslandsreise in diesem Jahr drei südostasiatische Länder, die von den US-Zöllen betroffen sind: Vietnam, Malaysia und Kambodscha. In den vergangenen Jahren hat Peking damit begonnen, seine Wirtschaftsbeziehungen mit den USA zu reduzieren und weniger Ware nach Amerika zu exportieren.
China hat am Montag die Ausfuhr einer Vielzahl sogenannter Seltener Erden nach USA ausgesetzt und damit gedroht, die USA nicht mit diesen Magneten und Mineralien zu versorgen, die beispielsweise für die Automobilhersteller, für Luft- und Raumfahrtunternehmen, Halbleiterunternehmen und das Militär bedeutend sind. Die seltenen Erden und mit ihnen hergestellte Magnete sind vor allem unverzichtbare Komponenten für viele Industriezweige in den USA. Ohne diese Rohstoffe könnte etwa die Herstellung von Elektromotoren und Mikrochips sowie Hightech-Komponenten für Autos und Flugzeuge zum Erliegen kommen. China produziert bereits mehr als 90 Prozent des globalen Bedarfs seltener Erden und Magnete. Die Waffe, die Peking dabei einsetzt, ist neu geschmiedet und basiert auf strengen Exportkontrollbestimmungen, die im Dezember 2023 beschlossen wurden.
Die zunehmende Bereitschaft Chinas, Exportbeschränkungen zu verhängen, deutet darauf hin, dass das Land seine wirtschaftliche Macht nutzen will, um Lieferketten als Waffe zu nutzen und ausländische Unternehmen und Länder zu bestrafen. Die Erschließung alternativer Versorgungsquellen sowie der Aufbau von Weiterverarbeitungskapazitäten erfordern neue Investitionspläne für die USA. Exportverbote von lebenswichtigen mineralischen Rohstoffen würden es China ermöglichen, die USA im wirtschaftlichen Wettstreit zu überholen. Vor diesem Hintergrund will Trump die Militärhilfe an die Ukraine unter der Bedingung fortsetzen, dass die Ukrainer dafür mit ihren Bodenschätzen bezahlen. Das Land verfügt über bedeutende Vorkommen an strategisch wichtigen Mineralien wie Graphit, Lithium und Titan.
Die Trump-Administration hat am Wochenende Elektronikprodukte wie Smartphones oder Laptops von den Sonderzöllen auf Importe aus China und vielen anderen Ländern ausgenommen. Die Sonderregeln helfen vor allem US-Konzernen wie Apple oder Nvidia, die einen Großteil ihrer Produkte aus China und anderen asiatischen Ländern importieren. Eine Million Dollar hatte Apple-Chef Tim Cook für die Amtseinführung von Trump gespendet. Das Geld kam von ihm persönlich, im Gegensatz etwa zu Google und Microsoft. Dass Trump nun eine Ausnahme gewährt, obwohl Apple an seinen Diversitäts-Regeln festhält, liegt aber nicht an Cook, sondern der Wichtigkeit von Smartphones und Notebooks für die US-Wirtschaft. Man darf gespannt sein, wie China reagieren wird. Denn mit den Ausnahmen hat Trump seine Achillesferse offengelegt. Die chinesische Führung könnte ihre Dominanz bei der Produktion von Elektronikgütern nutzen, um sich nun zu rächen. Zum Beispiel mit einer Sonderabgabe auf Geräte, die in die USA exportiert werden. Trump dringt weiterhin darauf, dass Hersteller wie Apple und Nvidia ihre Produktion rasch in die USA verlagern. Es ist aber unrealistisch, die Produktion innerhalb kurzer Zeit nach USA zu verlegen.