Nach Trump-Telefonat mit Putin: Warum der Frieden plötzlich verdächtig geworden ist

vor 2 Monaten

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Der Frieden ist verdächtig geworden.

Eigentlich hat US-Präsident Donald Trump nur getan, was er seit Monaten angekündigt hatte: Trump telefonierte rund eineinhalb Stunden mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Das Ergebnis: Demnächst soll es offizielle Verhandlungen über einen Frieden im Ukraine-Krieg auf neutralem Gebiet in Saudi-Arabien geben. Auch die Beitrittsperspektive zur Nato für die Ukraine sammelte Trump im Telefonat zum Entsetzen der Europäer ein.

Ein Zugeständnis, das man nach Ansicht etwa von CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen erst im Zuge von Verhandlungen hätte machen dürfen. Auch von Gebietsabtretungen und Austausch von Territorien sei die Rede gewesen, hieß es sehr zum Missfallen deutscher und europäischer Kommentatoren. Wer das Politik- und Medienecho auf die Trump-Offensive verfolgte, trifft auf Kritik, Ablehnung und Appelle, dass Europa mit an den Tisch der Verhandlungen müsse. Dass der Vorstoß womöglich den Krieg in der Ukraine beenden könnte, war keine Erwähnung wert.

Die Wahrheit ist: Die deutsche und europäische Politik hat sich in das Dogma, wonach die Ukraine diesen Krieg gewinnen und Russland verlieren müsse, derart verrannt, dass ein möglicher Frieden verdächtig geworden ist. Es dürfe keinen „Diktatfrieden“ geben, keinen „Unterwerfungsfrieden“, ist so sehr zur stehenden Redewendung geworden, dass ein mögliches Ende des Sterbens mitunter wie eine Art Rückschlag im Verteidigungskampf des Westens klingt.

Der US-Präsident löst mit dem Friedensangebot an Russland ein Wahlkampfversprechen ein.

„Ich denke, es wird einen Deal geben, der eine ganze Menge Leute schocken wird“, sagte US-Vizepräsident JD Vance kurz vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz im Wall Street Journal und stellte klar: „Der Päsident geht da nicht mit Scheuklappen rein. Alles kommt auf den Tisch. Lasst uns einen Deal machen.“ Trump selbst hatte zuvor gegenüber Reportern erklärt, die Ukraine werde selbstverständlich an den Verhandlungen teilnehmen. Aus seiner Sicht werde die Ukraine allerdings auf lange Sicht kein Nato-Mitglied, während er sich eine Rückkehr Russlands in die Gruppe der Großen Sieben (G7) durchaus vorstellen könne.

Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik reagierte auf diese Ansagen mit blankem Entsetzen, hatte es doch bislang stets geheißen, Russland und Putin seien der Hauptfeind des Westens und der Demokratie schlechthin. Es sei zu früh zu sagen, so Vance, welche Territorien in russischer Hand bleiben und welche Sicherheitsgarantien die USA und der Westen gegenüber Kiew geben würden. Selbstverständlich stünden die Unabhängigkeit und die Souveränität der Ukraine nicht zur Disposition.

Für die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist Trumps Vorgehen die wohl schallendste aller denkbaren Ohrfeigen überhaupt. Trump tut, was die ureigenste Aufgabe der Europäer gewesen wäre: Sich um die Beendigung dieses Krieges vor ihrer eigenen Haustür zu kümmern. Trump agiert über die Köpfe der Europäer hinweg, die seit Jahren in Sonntagsreden beschwören, der Kontinent müsse stärker, selbstbewusster, souveräner werden. Europa dürfe nicht am „Katzentisch sitzen“, erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag. Es ist nicht sicher, ob den Europäern langsam dämmert, dass man in der internationalen Politik nicht zu Tisch gebeten wird, allenfalls als Nachspeise. Ob und an welchem Tisch die Europäer sitzen, hängt jetzt davon ab, welches politische und militärische Gewicht sie in die Waagschale werfen.

Boris Pistorius, Verteidigungsminister der SPD, handelt den Frieden zwischen Russland und der Ukraine nicht aus.

Als ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen Mitte Januar bei „Maybrit Illner“ mit dem Satz für Irritationen sorgte: „Die gute Nachricht ist, es wird nicht schon am ersten Tag der Frieden ausbrechen in dieser Region“, brachte er unfreiwillig die moralische Überhöhung der europäischen und vor allem auch der deutschen Ukraine-Politik auf den Punkt: Die moralische Aufladung des Konflikts mit antirussischen Affekten, eine völlig unrealistische Siegesfixierung und eine fast schon bellizistische Tonlage („den Krieg nach Russland tragen“, Roderich Kiesewetter) haben sich zu einem krassen Gegensatz entwickelt zur Trump’schen Realpolitik.

In Wahrheit stand seit langem fest, dass der Krieg in der Ukraine mit dieser Strategie des tröpfelweisen Waffennachschubs nicht zu gewinnen sein würde. Trump räumt ab, was längst offensichtlich war. Dass die Ukraine bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzt, ist eine Geste der protokollarischen Höflichkeit. Wer einen Krieg führt, den andere bezahlen, hat weder das Ende noch die Konditionen wirklich selbst in der Hand.

Ganz gleich, wie die Verhandlungen jetzt weiter- und ausgehen, dass irgendwann hoffentlich keine jungen Ukrainer, Russen, Koreaner, Frauen und Kinder mehr sterben, ist eine gute Nachricht. Ganz gleich, was die politischen Enkel der einst friedensbewegten Grünen heute in ihren Ministerämtern verlautbaren.

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