
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner möchte in Deutschland mehr Milei wagen, und Friedrich Merz ist entsetzt. Schließlich, so der Kanzlerkandidat der Union, führe Milei Argentinien in den Ruin. Milei trete die Argentinier mit den Füßen.
Ob derartiger Aussagen fragt man sich, ob Friedrich Merz einfach nur schlecht informiert ist, oder ob er bewusst die Unwahrheit sagt.
Argentinien stand vor dem Zusammenbruch, als Milei die Präsidentschaft im Dezember 2023 übernahm. Das Land befand sich in einer schweren Rezession, war überschuldet und litt unter einer chronischen Inflation. Die Teuerung der Konsumentenpreise beschleunigte sich im Dezember 2023 auf 25 Prozent. Das ist wohlgemerkt die monatliche Inflationsrate.
Javier Milei winkt nach seinem Wahlsieg vom Balkon des Präsidentenpalastes.
Die Erzeugerpreise, die den Konsumentenpreisen normalerweise vorlaufen, stiegen sogar um monatlich 54 Prozent. Das sind aufs Jahr gerechnet 17.000 Prozent. Mithin stand das Land nach zwei Jahrzehnten des Kirchnerismus, einer besonders sozialistischen Spielart des Peronismus, vor einer Hyperinflation. Eine Hyperinflation führt zum wirtschaftlichen Zusammenbruch einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Denn die Arbeitsteilung stützt sich auf das Tauschmittel Geld ab. Der Zusammenbruch der Währung trifft die Armen verhältnismäßig stärker als die Reichen, die zumindest noch über Sachwerte verfügen.
Die argentinische Armutsquote lag im November 2023 schon bei gut 50 Prozent. Eine Hyperinflation des argentinischen Pesos hätte die Armutsquote explodieren lassen, Unruhen und Plünderungen hätten das Land ins Chaos gestürzt.
Während sich die Inflationsrate beschleunigte, lag das konsolidierte Staatsdefizit bei etwa 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Haushaltsdefizit stand bei 5 Prozent, und die Zentralbank verzeichnete ein Defizit von 10 Prozent, weil sie kurzfristige Schuldverschreibungen ausgegeben hatte, um Pesos aus dem Verkehr zu ziehen, und so die Inflation zu bremsen.
Das 15-prozentige Defizit wurde durch die Ausgabe neuer Pesos finanziert, was Öl ins Feuer der Inflation goss. In der Zentralbankbilanz schlummerte eine wahre Zeitbombe, denn sobald die kurzfristigen Schuldverschreibungen nicht erneuert worden wären, hätte die Zentralbank die Pesos an die Banken auszahlen müssen.
Kurzum, als Milei sein Amt übernahm, war Argentinien nach Jahrzehnten des Etatismus verarmt. Der argentinische Staat war reputationslos, abgeschnitten von den internationalen Finanzmärkten, überschuldet und stand kurz vor dem zehnten Staatsbankrott. Regulierungen und ein überbordender Wohlfahrtsstaat erdrückten die Argentinier. Der Staat trat die Freiheit der Argentinier mit Füßen; oder besser mit Stiefeln.
Die Rettung kam in der Person des politischen Quereinsteigers und charismatischen Ökonomieprofessors Javier Milei, des ersten libertären Präsidenten der Welt und überzeugten Anhängers der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Seine drängendste Aufgabe war es, die drohende Hyperinflation zu vermeiden. Tatsächlich gelang es ihm, die Inflationsspirale zu durchbrechen und die Teuerung kontinuierlich zu reduzieren, von 25 Prozent (Dezember 2023) auf 2,7 Prozent (Oktober 2024).
Dafür setzte er die Kettensäge an die Staatsausgaben. Schon im Januar 2024 gelang ihm ein Haushaltsüberschuss. Bis Juni wurde auch das Defizit in der Zentralbank beseitigt. Sein Credo des unantastbaren Nulldefizits hat es geschafft, die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer und in der Folge die Zinssätze drastisch zu senken.
Milei setzt entschlossen die Kettensäge an Staatsausgaben oder Bürokratie.
Die Politik des Nulldefizits erforderte indes die wohl größte Haushaltskonsolidierung der Geschichte. Zum Wohle der Bevölkerung. Durch die Beseitigung des 15-prozentigen Defizits stehen der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft jetzt die vom Staat nicht mehr beanspruchten Mittel zur Verfügung. Milei kürzte die Staatsausgaben innerhalb kürzester Zeit um etwa um ein Drittel.
Diese Anpassung sucht in der Geschichte ihresgleichen, wenn man Episoden von Militärausgabenkürzungen nach Kriegen außer Acht lässt. Milei verringerte mit dieser Schocktherapie die Last des Staates auf den Schultern der Argentinier um ein Drittel. Oder um es mit Friedrich Merz auszudrücken: Die Fußtritte des argentinischen Staates gegen die Argentinier wurden um ein Drittel abgefedert.
Gleichzeitig hat Milei gegen alle Widerstände bedeutende Strukturreformen durchgesetzt. Er hat Mieten, Luftfahrt und Wasserverkehr dereguliert, Preise freigegeben, Außenhandelsvorschriften aufgehoben und eine Arbeitsmarktreform durchgeführt. Ein Deregulierungsministerium schafft täglich neue Freiräume für neue unternehmerische Projekte, indem es Vorschriften vereinfacht und ganz abschafft.
Die Ergebnisse sind überragend. Die Inflation ist eingedämmt, die Risikoprämie auf argentinische Staatsanleihen ist von 3.000 Basispunkten auf 750 Basispunkte gefallen. Der Marktpreis des Pesos ist auf den offiziellen Kurs zurückgefallen. Der Aktienindex Merval ist in diesem Jahr über 100 Prozent gestiegen. Und die Rezession konnte beendet werden. Im Mai wurde das Tief der Industrie- und Bauproduktion erreicht.
Seitdem geht es aufwärts. Die Exporte ziehen an. Erstmals seit Jahren gibt es einen Außenhandelsüberschuss. Seit dem Sommer steigen auch Löhne und Renten schneller als die Preise. J.P. Morgan schätzt das annualisierte Wachstum im dritten Quartal 2024 gar auf 8,5 Prozent. Die Weltbank geht von 5 Prozent Wachstum für das nächste Jahr aus. Die zunächst aufgrund von Preisfreigaben statistisch gestiegene Armutsquote sinkt von 55 Prozent im 1. Quartal 2024 auf 44,6 Prozent im Oktober 2024. Tendenz fallend. Für Ende des Jahres werden 41,7 Prozent erwartet.
Und was macht die Bevölkerung? Die steht nach wie vor hinter Milei. Die Zustimmungswerte für Milei sind trotz oder wegen der Schocktherapie mit der Kettensäge unvermindert hoch und liegen derzeit sogar über dem Niveau von seinem Amtsantritt. Die Argentinier merken, Milei führt das Land aus dem Ruin in eine goldene Zukunft.
Bei Friedrich Merz ist das noch nicht angekommen. Ihn kann man nach seinen Aussagen kaum noch ernst nehmen.
Doch Deutschland braucht dringend die libertären Rezepte eines Milei. Denn zurzeit schreitet Deutschland immer schneller auf dem etatistischen Abstiegspfad voran, der Argentinien verarmt hat. Die Freiheit der Deutschen leidet durch einen immer undurchdringlicheren Regulierungsdschungel, hohe Staatsschulden und wuchernde Staatsausgaben. Deutschland braucht dringend weniger Staat und mehr Freiheit. Es braucht eine radikale Kehrtwende. Milei macht es mit der Kettensäge vor.
***Philipp Bagus ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid. Er schrieb zahlreiche Bücher, zuletzt „Die Ära Milei – Argentiniens neuer Weg“ (Langen Müller, 22 Euro)