Warum provoziert China an der Seite der Huthi die NATO-Staaten?

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Bildquelle: Tichys Einblick

Während der EU-Mission ASPIDES gegen die Huthi-Rebellen im Roten Meer hat das chinesische Militär nach Angaben des Auswärtigen Amtes ein deutsches Flugzeug ins Visier genommen. Die Attacke fand bereits am 2. Juli in der Nähe der jemenitischen Küste statt. Im Rahmen der EU-Mission ASPIDES wurde eine deutsche Aufklärungsmaschine bei einem Routineflug über dem Roten Meer ohne Vorwarnung von einem chinesischen Kriegsschiff mit einem Laser geblendet, hieß es aus Berlin. Mögliche Schäden sind bislang unklar und werden noch untersucht. In der Region herrscht wegen der aktuellen Krisenlage ohnehin nur wenig Flugverkehr. Wegen des Vorfalls wurde inzwischen der chinesische Botschafter Deng Hongbo ins Auswärtige Amt einbestellt. „Die Gefährdung von deutschem Personal und die Störung des Einsatzes sind vollkommen inakzeptabel“, hieß es aus Berlin. Der deutsche Aufklärungseinsatz wurde nach dem Zwischenfall als Vorsichtsmaßnahme abgebrochen.

An der von der EU geführten Operation ASPIDES im Roten Meer nehmen etwa 700 deutsche Soldaten teil. Ende Januar hatte der Bundestag die deutsche Beteiligung an der Mission verlängert. Der Einsatz soll die wichtige Handelsroute (Meerenge Bab al-Mandab) gegen Angriffe der Huthi schützen. Inzwischen hat China die deutsche Darstellung zu dem Laserangriff zurückgewiesen. Peking betont indes die eigene Militärpräsenz in der Region. Laut der chinesischen Erklärung führte Chinas Marine Geleitschutzoperationen im Golf von Aden und in den Gewässern vor Somalia durch und kam ihrer Verantwortung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit nach.

China hat im Jahr 2017 seine erste Militärbasis im Ausland in Dschibuti an der Mündung des Roten Meeres errichtet. Dort sind mehrere Hundert chinesische Soldaten stationiert. Von dort aus operieren zudem chinesische Fregatten, die den freien Schiffsverkehr der eigenen Handelsflotte überwachen. Für den Welthandel spielen das Rote Meer und der Suezkanal eine wichtige Rolle. Mehr als 26.000 Schiffe passierten den Kanal 2023. Durchs Rote Meer gehen auch etwa zwölf Prozent des weltweit verschifften Öls. Die mit Iran verbündeten Huthi attackieren die zivile Schifffahrt in der Region seit Beginn des Gaza-Kriegs im Jahr 2023 – vorgeblich „aus Solidarität mit den Palästinensern“. Mehr als hundert Handelsschiffe haben die Huthi bislang angegriffen, sie setzten dabei Luft- und Seedrohnen, Raketen oder bemannte Schnellboote ein. Immer wieder sorgen die Attacken international für Aufsehen. So kaperten Huthi etwa im November 2023 in einer spektakulären Aktion den Autotransporter „Galaxy Leader“, der seitdem vor dem Hafen der jemenitischen Küstenstadt Hudaida liegt. Das Schiff „Galaxy Leader“, war offenbar eines der Ziele der massiven israelische Luftangriffe am 7. Juni gegen die Huthi-Stellungen.

In der vergangenen Woche haben Huthi-Rebellen erneut ein Frachtschiff namens „Magic Seas“ im Roten Meer angegriffen und versenkt. Anfang Mai hatten die Huthi nach schweren Luftangriffen der USA im Jemen einer Waffenruhe zugestimmt. Angriff auf „Magic Seas“ war der erste Zwischenfall dieser Art seitdem.

Der vom Iran gelenkten Huthi-Bewegung im Jemen erhalten bei ihren Operationen auch Unterstützung aus China. Peking vermittelt den Huthi Aufklärungsdaten seiner Satelliten. Im April wurde bekannt, dass die chinesische Firma „Chang Guang Satellite Technology“ offenbar Aufklärungsdaten ihrer Satelliten an die jemenitischen Huthi liefert. Damit könnte China eine entscheidende Rolle bei den Angriffen der Huthi auf zivile Frachtschiffe und auf amerikanische Kriegsschiffe sowie auf Ziele in Israel spielen. Die US- Marine hat Ende April einen Kampfjet verloren, als dieser von Bord des Flugzeugträgers USS „Truman“ fiel. Grund war ein abruptes Manöver, das das Schiff ausgeführt hat, um einem Raketenangriff der Huthi auszuweichen.

China und Russland haben in dem vergangenen Jahr mit den Huthi im Jemen ein Abkommen geschlossen, damit ihre Schiffe sicher durch das Rote Meer fahren können. So genießen chinesische Handelsschiffe eine Vorzugsbehandlung durch die Huthi. Chinesische Medien preisen den Deal als Erfolg chinesischer „Soft Power“. Aus chinesischer Sicht liegt der Grund dafür auf der Hand: China verfolge in der Region keine eigene Agenda, sondern setzt sich „ausschließlich für Frieden, Sicherheit und Stabilität“ ein.

Die Containerschifffahrt durch die Meerenge Bab Al-Mandab, die das Rote Meer mit dem Golf von Aden und dem Indischen Ozean verbindet, ging allein zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 um 66 Prozent zurück, wie das Kiel Institut für Weltwirtschaft berechnet hat. Immer mehr Unternehmen weichen auf die Route um das Kap der Guten Hoffnung aus, mit drastischen Folgen. Chinas Eigeninteresse an einer Deeskalation sowie an der Sicherung der Handels- und Lieferketten im Roten Meer ist offensichtlich. Dass Beijing sich trotzdem in diesem Konflikt auffallend zurückhält, obwohl das Land wirtschaftlich stark vom Export abhängig ist, wirft schon Fragen auf. Zwar hat China in der Vergangenheit wiederholt seine Ablehnung gegenüber Störungen des internationalen Seeverkehrs zum Ausdruck gebracht und sich für die maritime Sicherheit stark gemacht, doch eine offene Verurteilung der Huthi, die Drohnen- und Raketenangriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer durchführen, blieb bislang aus. Auch selbst wenn chinesische Schiffe wegen des iranischen Bündnisses mit China kaum von Huthi-Angriffen betroffen sind, sollte auch Peking ein Interesse an der Freiheit der Schifffahrt haben.

Die Huthi sind eine vom Iran unterstützte Miliz, die wie die Hisbollah zum Netzwerk der schiitischen Gruppierungen im Nahen Osten gehört. Ihr Ziel ist es, den iranischen Einfluss in der Region auszubauen. China bewertet aber die Entwicklungen in der Region aus der Perspektive des übergeordneten Konflikts mit den USA. China übernimmt für seine Partnerländer Russland und den Iran zunehmend die Rolle des Lieferanten entscheidender Technologien, darunter Drohnen- und Satellitenaufklärungstechnik. Dadurch mischt Peking in bewaffneten Konflikten weltweit mit und fordert damit die vom Westen dominierte Weltordnung heraus. China liefert Technologie an Russland, weil es kein Interesse daran hat, dass die Kremlführung den Krieg in der Ukraine verliert. Falls Russland verliert, ist China als nächster US-Rivale dran und könnte Zielscheibe der US-Strafmaßnahmen werden.

Die Tatsache, dass China nun direkt im Roten Meer einen NATO-Staat provoziert, zeigt, wie weit Peking bereit ist, die vom Westen geführte Weltordnung herauszufordern. Der chinesische Laserangriff ereignete sich unmittelbar vor dem Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Deutschland. Warum erhöht Peking die Eskalationsstufe mit Westen auf dem offenen Meer? Es hängt vermutlich mit der Sicherheitslage im Südchinesischen Meer zusammen. Als aufstrebende Weltmacht muss China auch seine Präsenz auf dem offenen Meer festigen. Peking möchte seinen Einfluss im Südchinesischen Meer, im Indischen Ozean und darüber hinaus ausbauen, um den Westen davon abzuschrecken, China im Südpazifik einzukreisen.

Die USA unterhalten bereits Dutzende Militärbasen in Chinas Nachbarschaft und es werden immer mehr. Wie ein Stacheldrahtzaun ziehen sie sich von Südkorea über Japan bis zu den Philippinen und versperren China somit den freien Zugang zum offenen Meer, so die Wahrnehmung in Peking. Nun zeigt China Präsenz im Nahen Osten, einer Region, in der die USA als Hegemon gelten. Peking provoziert die US-Partner, um zu demonstrieren, dass China bereit ist, US-Interessen überall zu gefährden, sollte es zu Eskalationen im Südpazifik kommen.

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