
Friedrich Merz und Lars Klingbeil behaupten, dass die Mega-Schulden ihrer möglichen Angola-Koalition in Deutschland wieder für Wachstum sorgen werden. Dafür führen sie sogar wissenschaftliche Theorien an. Nämlich die Lehren des Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes. Diese Theorie gibt es wirklich. Das ist dann aber auch das einzige, was stimmt. Denn die Lehren von Keynes funktionieren in der deutschen Wirklichkeit von heute nicht.
John Maynard Keynes (1883-1946)
Keynes entwickelte seine Theorie, um Wirtschaftskrisen wie die Große Depression zu erklären. Er betonte, dass staatliche Eingriffe notwendig sind, um die Konjunktur zu stabilisieren.
Für viele Amerikaner das Symbolbild der Großen Depression: die bettelarme Migrantin Florence Owens Thompson, 32, mit drei kleinen Kindern 1936 in Kalifornien.
Keynes sah die Konjunkturtheorie als zyklisch an, wobei die Wirtschaft zwischen Aufschwung und Abschwung schwankt. Der Staat sollte in Krisenzeiten durch staatliche Investitionen eingreifen, um die Nachfrage zu stärken. Wachstum in der Wirtschaft entsteht dann durch den sogenannten Multiplikatoreffekt: Wenn der Staat investiert, erhöht sich die Nachfrage, was wiederum die Produktion und Beschäftigung ankurbelt. Die Menschen verfügen über mehr Einkommen, das sie ausgeben, was den Wirtschaftskreislauf weiter antreibt. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn die Menschen bereit sind, ihr Einkommen auszugeben, anstatt zu sparen.
Keynes empfahl, in Krisenzeiten durch „defizitäre Haushaltspolitik“ (Schulden) die Wirtschaft anzukurbeln und dann die Ausgaben unbedingt wieder zu reduzieren, um Inflation zu vermeiden. Soweit die Theorie …
Grund zur Freude? Der Bundestag hat die Grundgesetzänderung zur Aufnahme eines Mega-Schuldenpakets angenommen.
Die Begegnung mit der Wirklichkeit zeigt aber, dass Merz, Klingbeil und Co. die Keynesianische Lehre von Grund auf nicht verstanden haben können. Unser Land samt Wirtschaft funktionieren heute völlig anders als zu den Zeiten von Keynes.
Aus den folgenden 10 Gründen wird das in Deutschland mittel- und langfristig nicht funktionieren:
Keynes hat seine Theorien in den 1930er Jahren formuliert und entwickelt. Das ist also mittlerweile fast 100 Jahre her. Die Wirtschaft damals war eine sogenannte Nationalökonomie. Bedeutet: Die einzelnen Länder haben hauptsächlich für sich und mit sich selbst gewirtschaftet und die Globalisierung hatte eine geringe Bedeutung.
Keynes Theorie war für nationale Verhältnisse geschaffen wie in England: Bis Ende 1930 hatte sich die Arbeitslosigkeit von 1 Million auf 2,5 Millionen mehr als verdoppelt. Hier: arbeitslose Bergleute und Schiffsbauer aus Nordostengland brechen am 5. Oktober 1936 auf, um die 451 Kilometer lange Strecke nach London zu marschieren und beim Parlament eine Petition mit der Bitte um Hilfe und die Schaffung von Arbeitsplätzen einzureichen. Der Protest ist bekannt als Jarrow-Marsch.
Heute ist das ganz anders und vor allen Dingen ist Deutschland extrem stark global vernetzt. Stichwort: Exportweltmeister. Auch andere Entwicklungen, die heute die Grundlage unserer Wirtschaft sind, gab es vor knapp 100 Jahren nicht. Zum Beispiel die Digitalisierung, die heute alles bestimmt. Wirtschaft funktioniert jetzt völlig anders als zu den Zeiten von Keynes.
Keynes hat seine Theorie ausdrücklich für Konjunkturschwankungen formuliert. Das bedeutet: Wenn es in der Wirtschaft zwischendurch mal nicht so gut läuft, dann sollte der Staat einspringen. Genau das ist in Deutschland aber nicht der Fall. Deutschland befindet sich nicht in einer Konjunkturkrise, sondern mittlerweile in einer ausgewachsenen Rezession. Hinzu kommt, dass die Gründe dafür strukturell bedingt sind.
Es gibt also nicht nur eine kurze Delle in der Konjunktur, sondern die Strukturen der Wirtschaft sind generell veraltet, zu langsam und nicht mehr wettbewerbsfähig. Schulden und Nachfrage des Staates werden genau diese strukturellen Probleme nicht lösen, sondern nur für eine Zeit lang mit sehr viel Geld zukleistern. Danach ist es schlimmer als vorher.
Bei den Modellen von Keynes gibt es schlicht und einfach keinen Sozialstaat. Keynes orientierte sich am britischen und amerikanischen Markt der 1930er Jahre. So etwas wie den deutschen Sozialstaat von heute konnte sich ein Ökonom vor 100 Jahren wahrscheinlich nicht einmal vorstellen. Egal ob in seinen kühnsten Träumen oder in den schlimmsten Albträumen.
Genau dieser Sozialstaat ist aber in Deutschland heute für die Wirtschaft bestimmend, ja erdrückend. Nur ein Beispiel: Allein im Bundeshaushalt des Jahres 2024 machten die Sozialausgaben mehr als die Hälfte, bei anderer Berechnung sogar bis zu zwei Drittel, des gesamten Haushalts aus.
Für Keynes vermutlich nicht vorstellbar: Wir leben in einem Sozialstaat, der für die Wirtschaft erdrückend ist.
Wie oben beschrieben, funktioniert das Modell von Keynes nur, wenn Unternehmen Gewinne machen und die Menschen ihr durch Arbeit verdientes Geld hauptsächlich und am besten sogar vollständig für den Konsum ausgeben. Das geht aber nur, wenn Steuern und Abgaben niedrig sind, denn dann bleibt vom Brutto eben auch viel Netto übrig.
Auch das ist in Deutschland nicht der Fall. Steuern und Abgaben sind so hoch wie nie und durch die sogenannte „kalte Progression“ werden Gehaltserhöhungen sogar noch aufgefressen, weil Menschen zwar mehr verdienen, aber genau deswegen noch mehr Steuern und Abgaben zahlen müssen.
Keynes geht von einem freien Markt aus, in dem der Wettbewerb funktioniert. Nur dann können sich auch die Multiplikatoreffekte überhaupt ergeben. Weil der Markt frei ist, es keine Verzerrungen des Wettbewerbs oder andere staatliche Eingriffe gibt, die den Wettbewerb begrenzen.
Schauen wir uns den deutschen und europäischen Markt einmal an, dann wimmelt es da nur so von Verzerrungen, Begrenzungen und staatlichen Eingriffen. In fast jeder Branche gibt es irgendwelche Subventionen oder irgendwelche Prämien, die absichtlich den freien Wettbewerb ausschalten sollen, um eine politische Agenda durchzudrücken. Der Markt funktioniert also nicht und deswegen werden auch die Effekte von Keynes nicht funktionieren können. Gerade die deutschen Schlüsselbranchen wie Autobau, Maschinenbau, Elektroindustrie, Chemieindustrie, Stahlindustrie usw. sind mit Subventionen, Transferzahlungen und Prämien bis oben hin vollgestopft.
So etwas wie Klimaziele gibt es in der Theorie von Keynes überhaupt nicht.
Politisch willkürlich gesetzte Ziele für „Klimaneutralität“, die auch noch mit der klaren Frist 2045 versehen sind, stehen aber seit ein paar Tagen sogar im Grundgesetz Deutschlands. Damit werden nicht nur Mechanismen eines funktionierenden Marktes ausgehebelt. Viel mehr noch werden dadurch wirtschaftlich sinnvolle Produkte, Dienstleistungen oder Entwicklungen sogar unmöglich gemacht und lassen sich per Klimaklage verbieten. Derartige Eingriffe in die Wirtschaft konnte sich selbst der „linke“ Keynes seiner Zeit nicht einmal vorstellen.
Zu Zeiten von John Maynard Keynes, hier im Bild, gab es keine im Grundgesetz verankerten „Klimaziele“.
Bürokratie wird von der deutschen Wirtschaft durch alle Branchen als das größte Problem bezeichnet. Bürokratie frisst Zeit, frisst Geld und ist aus ökonomischer Sicht komplett unproduktiv. Keynes geht in seinem Modell natürlich davon aus, dass die Bürokratie sich auf ein absolutes Mindestmaß beschränkt und die Arbeit und Produktion von Unternehmen nicht behindert.
Allein schon an diesem Punkt scheitert das ganze Konzept des Wachstums durch Schulden von Merz, Klingbeil und Co.
Die Versorgung mit billiger und verlässlicher Energie ist bei Keynes kein Problem. Denn nur wenn das garantiert ist, können Unternehmen überhaupt verlässlich produzieren und das auch noch zu marktfähigen Kosten.
Die Folgen der deutschen Energiewende für die Kosten von Strom, Wärme und Treibstoff spüren Konsumenten und Unternehmen mittlerweile seit vielen Jahren. Da Deutschland weiter unbeirrt auf seinem Sonderweg der Energiewende weitergeht und die CO2-Abgaben der Europäischen Union in den nächsten Jahren noch obendrauf kommen, werden die Energiepreise in Deutschland geradezu weiter explodieren.
Demographischer Wandel und Fachkräftemangel waren für Keynes absolute Fremdworte. Vor 100 Jahren war das genaue Gegenteil der Fall. Es gab mehr junge Menschen als alte Menschen und Fachkräfte und Arbeitskräfte waren im Überfluss vorhanden, sodass das Problem eher darin bestand, dass zu viele Menschen arbeitslos werden können.
In Deutschland haben wir heute aber Rekordstände bei den offenen Stellen in Unternehmen. Und genau dieser Trend wird sich in Zukunft noch weiter verstärken.
Keynes unterstellt, dass es faire Wettbewerbs-Preise gibt und keine Inflation. Deswegen betont er ja auch, dass die Staatsausgaben nicht zu hoch und nicht zu lange sein dürfen, damit keine Inflation entstehen kann. Momentan haben wir aber eine völlig andere Situation. Die Inflation war in Deutschland in den letzten Jahren so hoch wie praktisch nie zuvor. Und die Preissteigerungen gehen weiter, wenn auch etwas langsamer. Wenn nun also noch massive Staatsnachfrage in die Märkte kommt, dann wird das die Preise wieder ordentlich anheizen. Und genau diese Preissteigerung wird die Nachfrage von Unternehmen und Privatpersonen komplett abwürgen. Und auch damit sind die erhofften Wachstumseffekte schon tot, bevor die ganze Schuldenorgie überhaupt gestartet ist.
Mit 100 Jahre alten Konzepten und gegen die wirtschaftliche Realität können weder Merz noch Klingbeil, noch eine Zweidrittelmehrheit eines abgewählten Bundestages etwas ausrichten. Auch eine Billion Euro Schulden nicht.
Staatsinvestitionen brauchen ungefähr ein Jahr, bis sie anfangen zu wirken, und ihre Effekte halten dann zwei bis drei Jahre. Vier Jahre sind zufälligerweise eine Legislatur. Union und SPD hoffen also, sich mit nie dagewesenen Schulden gute Wirtschaftszahlen für die nächste Wahl kaufen zu können. Die werden aber lange nicht so gut sein, wie behauptet.
Und wenn danach der Absturz kommt? Dann muss es halt fünf Billionen neue Schulden geben – oder Deutschland erlebt eine brutale Wirtschafts- und Sozialstaats-Revolution, gegen die sich Gerhard Schröders Agenda 2010 wie eine Wellnessbehandlung ausnehmen wird.
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