
Noch Mitte der vergangenen Woche sah es so aus, als stehe ein US-Militärschlag gegen den Iran unmittelbar bevor. Das US-Militär hat massiv Streitkräfte für Luftschläge in die Region zusammengezogen: Tanker, Kampfjets, Bomber – und nun sollen schon bald drei Flugzeugträger im Mittleren Osten in Stellung gehen. Laut einem Bericht des Wall Street Journal hat Trump entsprechende Angriffspläne sogar schon im Grundsatz abgesegnet, aber eben noch nicht den finalen Befehl gegeben.
Dafür war er noch nicht bereit. Und in seinen Drohungen gegenüber den Mullahs hat sich jetzt auch die Zeitdimension verändert: Stand vor Kurzem noch ein Angriff möglicherweise binnen Tagen im Raum, spricht Trump jetzt von einer Entscheidung darüber in den „nächsten zwei Wochen“. Woran liegt das?
Wohl auch, weil Trump ein gewisses Risiko sieht. Denn denkbar sind natürlich auch mehrere Ausgänge der Situation. Das von Trump anvisierte Szenario – weswegen er wohl auch seit Tagen mit dem Gedanken an einen US-Angriff spielt – wäre klar: Einmal ein einzelner oder ein sehr gezielter kleiner Luftschlag, vielleicht eine Kommando-Operation, die dann zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Nämlich die völlige Zerstörung aller letzten Überreste des iranischen Atomprogramms. „Mission Accomplished“ – und das wär’s.
Keine wirklichen US-Bodentruppen, kein richtiger Krieg, in den die USA hineingezogen werden, sondern einmal mit einem Präzisionsschlag ein Zeichen der Stärke setzen, das wirkt. So wie beim Luftschlag gegen Soleimani, als ebenfalls die halbe Welt einen „Flächenbrand“ befürchtete, der aber ausblieb und Trump stattdessen damit weitere iranische Aggressionen erstmal für Jahre abschrecken konnte.
Wenn so etwas hier erneut gelingen würde – und diesmal das iranische Atomprogramm nachhaltig ausgeschaltet werden könnte – dann wäre es ein historischer Sieg für ihn. Ganz ohne all das Chaos, das Trump mit der Nahost-Politik der Bush-Jahre und gerade dem Irakkrieg verbindet. Vielleicht käme sogar noch eine Revolution im Land dazu, die eine stabile demokratische Regierung an die Macht bringt – und das ganz ohne amerikanisches „Nation Building“, das er ja schließlich ebenfalls ablehnt.
Aber was, wenn es anders kommt? Das ist das Risiko, das man aktuell ganz offensichtlich im Weißen Haus sieht. Was, wenn etwas schiefgeht? Wenn iranische Atomeinrichtungen die Schläge zum Teil überleben oder vielleicht verlegt werden können. Wenn es auf einmal viel mehr US-Truppen und US-Angriffe braucht, um das Programm zu zerstören. Schließlich haben die Amerikaner nur ca. 20 Bomben des Typs „Massive Ordnance Penetrator“, die die Anlagen zerstören können. Was, wenn man mehr braucht als erwartet? Und erwartet wird hier schon in etwa die Hälfte. Räumt man dann erstmal das Arsenal leer?
Wenn Trump einmal den Schritt für einen US-Eingriff geht, kann er kaum so schnell zurück. Im Zweifel müsste er mehr US-Kräfte dafür binden, als ihm lieb ist, um die Mission zu Ende zu führen. Was, wenn sie nicht in Tagen vorbei ist, sondern Wochen, gar Monate dauert? „Trump, der Präsident des Irankriegs“ – so eine Schlagzeile dürfte es sein, die er auf keinen Fall als Fazit seiner Präsidentschaft sehen will.
Ebenso Szenario drei: Atomanlagen zerstört, iranische Revolution im Gange – aber das Ergebnis ist ein Land im Chaos statt einer stabilen Demokratie. Bürgerkrieg, Waffen in der Hand von Islamisten, kurzum: ein Syrien-Szenario mit Trump als Urheber.
Das mag nicht so wahrscheinlich sein wie bei den Protesten gegen Assad. Auch weil Irans Bevölkerung in der Breite bei weitem nicht so radikal-islamisch ist wie das Regime, das über sie herrscht. Und mit Figuren wie Schah-Kronprinz Reza Pahlavi stehen bereits prominente Fahnenträger für eine neue Regierung in den Startpositionen. Aber es dürfte dennoch ein Schreckgespenst sein, das wohl auch Trump im Hinterkopf hat.
Dazu kommt: Wird die Trump-Regierung weiter in den Konflikt im Mittleren Osten hineingezogen – sei es, weil die Militärschläge nicht so einfach über die Bühne gehen wie gehofft, oder weil sie gelingen, aber Chaos hinterlassen – dann werden andere Säulen seiner Außenpolitik viel schwieriger. Stichwort „Alles auf Asien“ – der von der Trump-Regierung angestrebte grundlegende Wandel der US-Außenpolitik, bei dem keineswegs Vorderasien gemeint ist, sondern der Indo-Pazifik. Diese tragische Rolle, als US-Präsident, der weiter im Nahen und Mittleren Osten hängen bleibt und sich der historischen Herausforderung im Konflikt mit China nicht stellt, die will Trump auch kaum eingehen.
Andererseits: Räumt Trump die Atom-Gefahr des iranischen Regimes aus dem Weg, dann hätte er den Rücken frei, was Ostasien angeht. Und er hätte dem Erzrivalen China vielleicht im Falle einer erfolgreichen Revolution einen entscheidenden ölreichen Verbündeten genommen.
Ebenso gilt: Würde er es den Mullahs ermöglichen, doch eine Bombe zu bauen, hätte das völlig ungewisse und gefährliche Auswirkungen auf die Welt. Auch wenn die vielleicht nicht sofort kommen, weil natürlich das iranische Atomprogramm jetzt schon zurückgeworfen ist. Aber könnte das islamische Regime nach Monaten doch weiter – und am Ende erfolgreich – an der Atombombe bauen, hätte auch das verheerende Folgen.
Klar ist in jedem Fall: Es steht viel auf dem Spiel. Wie wahrscheinlich die einzelnen Szenarien sind, das weiß man wohl nur im „Situation Room“ genauer – und selbst da alles andere als sicher. Man könnte meinen, die US-Streitkräfte sollten fähig sein, so eine Operation umzusetzen, aber am Ende wissen das nur die amerikanischen Militärplaner. Der Rest der Welt kann also nur spekulieren. Und vorhersagen, was nach den Schlägen folgt, kann eh kaum jemand sagen.