Warum zerbricht dieses Land?

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Bundeswehr ist nicht einsatz- oder verteidigungsfähig, und doch feiert sie den wohl größten Sieg einer deutschen Streitmacht seit undenklichen Zeiten: Sie hat das Kohlendioxid an allen Fronten zurückgedrängt und ihre Klimaziele erreicht. 4,8 Millionen Tonnen „CO2-Äquivalente“ sind im Jahr 1990 gegen die wiedervereinte deutsche Armee aufmarschiert. Die Bundeswehr hat sich diesem Feind im Feld tapfer entgegengestellt und seine Kräfte auf 1,1 Millionen Tonnen „CO2-Äquivalente“ im Jahr 2023 zurückgeworfen. „Dies entspricht einer Abnahme von 3,743 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten oder circa 78 Prozent“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung.

Was sich wie eine unfreiwillige Satire liest, ist eine Darstellung der deutschen Probleme in einer Nuss-Schale.

Deutsche Politik hat zwei Feinde: Erstens die Realität und zweitens falsche Prioritäten. Das Ergebnis zeigt sich in einer Zahl: Die Bundesschuld steigt laut aktueller Eckwerteplanung von 2025 bis 2029 um mehr als 50 Prozent. Bis 2029 würden zudem die Zinsausgaben um mehr als das Doppelte auf 62 Milliarden Euro steigen – und danach noch weiter. In nur vier Jahren sollen sich also die Schulden, die seit 1949 in 75 Jahren aufgehäuft wurden, glatt verdoppeln? Es ist das Eingeständnis, dass die erwirtschafteten Mittel trotz Rekordabgabenbelastung nicht ausreichen, um einen verfetteten Staat zu finanzieren.

Natürlich wird diese Konkursanmeldung als Stärke verkauft: als Entschlossenheit, jahrzehntelange Versäumnisse schnell nachzuholen. Aber wer sich die aktuelle Politik anschaut, stellt fest: Die Mittel landen nicht in Straßen, Brücken, Bildung und Forschung, sondern versickern im aufgeblähten, sich selbst auffressenden gierigen Apparat, der Unfähigkeit und Untätigkeit honoriert − Leistung und Vernunft zum Feind erklärt hat. Der Grundsatz, dass Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit zu beginnen habe: vergessen.

Es ist eine fortschreitende Lernunfähigkeit biblischen Ausmaßes. Von dem Psychologen Paul Watzlawick stammt das Rezept, wie man handeln muss, um garantiert unglücklich zu werden: Wenn ein Medikament nicht wirkt – Dosis verdoppeln. So ist deutsche Energiepolitik. Sie funktioniert nicht, wird aber mit immer mehr Subventionen fortgesetzt. Und mit Sonderrechten ausgestattet, etwa dem, Wälder und Landschaft beliebig zerstören zu dürfen. Längst sind die Fehler in religiöse Dogmen verkleidet, die nicht hinterfragt werden dürfen.

So wird immer wiederholt, dass Strom aus Wind und Sonne konkurrenzlos billig sei. Hohe Strompreise? Irrsinnig hohe Subventionen für das bisschen Flatterstrom zum falschen Zeitpunkt? Zahlen werden nicht zur Kenntnis genommen. Der Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und Wohlstand ist bestens belegt. Der US-Stromverbrauch dürfte in den kommenden zwei Jahren weitere Rekorde brechen. Laut Energieinformationsbehörde (EIA) wird der Verbrauch 2025 voraussichtlich auf 4.186 Milliarden und 2026 auf 4.284 Milliarden Kilowattstunden steigen. Bereits für 2024 wurde mit 4.097 Milliarden ein Höchststand verzeichnet. Die US-Regierung wählt aktuell 10 Firmen für die Entwicklung kleiner Atomreaktoren aus. Die gesamte Welt baut ihre Energieleistung aus, Deutschland baut ab. Und das selbstbewusst und mit erhobenem Zeigefinger.

Aber wie kann es dazu kommen? Die Welt lebt vom Wettbewerb als universellem Überlebensprinzip. Die am besten angepassten Lebewesen überleben. Der Wettbewerb ist ein universelles Entdeckungsverfahren, lehrt der Ökonom Josef Schumpeter. Aber Deutschland hat statt Wettbewerb „Gleichheit“ als Handlungsmaxime übernommen. Unterformen sind Inklusion, Quoten, Diversität um ihrer selbst willen, Umverteilung, sozialer Ausgleich, Meinungsdiktatur. Wettbewerb gibt es nicht mehr bei den Bundesjugendspielen an Schulen. Lob ersetzt Tadel. Der offenkundige Bildungsnotstand wird dadurch bekämpft, dass die Eins die häufigste Abiturnote ist; obwohl die Zahl der Analphabeten direkt in die Zustände des frühen 19. Jahrhunderts führt. Leistung und Erfolg werden abgewertet und dürfen keinesfalls belohnt werden.

„Wissenschaftler“ fertigen kunstvolle Analysen an, dass Bürgergeldempfänger doch nicht besser gestellt seien als diejenigen, die arbeiten, und unterschlagen einen Großteil der Subventionen für Bürgergeldempfänger. Weitgehend ist Wissenschaft nicht mehr notorisch kritisch, sondern ein Discountladen, in dem die Regierung sich preiswerte Bestätigung abholt. Wettbewerb ist aber der Grund, warum Demokratien den Diktaturen überlegen sind: Weil falsche, schädliche Politik abgewählt werden kann.

In Deutschland ist Politik dagegen eine Art Hütchenspiel: Es gewinnt immer der fingerfertige Straßenbetrüger, nie der Wähler. Was immer gewählt wird, der Wähler geht leer aus, sein Geld liegt unter den Hütchen derer, die ihre politischen Pfründe nicht hergeben wollen. Denn der Wettbewerb wird schon während der Diskussion ausgeschaltet. Meldestellen, Zensurbehörden, Sprechverbote, Verfolgung wegen „Denkverbrechen“ und rigide Ausgrenzung verengen das Feld des noch Sagbaren auf das vielfach staatlich gedüngte Feld der Zustimmung und Bestätigung. Leistung als Anreiz für Bemühung und Verbesserung oder nur Fleiß dürfen sich nicht lohnen, dafür sorgt das Steuerrecht. Berufliche Kenntnisse dürfen sich nicht durchsetzen, dagegen stehen Quoten für allerlei Benachteiligte und zu Gunsten von Parteifreundinnen.

Politisch legt der allgegenwärtige „Kampf gegen Rechts“ sein Leichentuch über jede Diskussion. „Rechts ist der Kampf gegen die Realität“, schreibt Klaus-Rüdiger Mai. Dass selbst Abgeordnete der CDU die Wahl von Ideologen zu Richtern für das Bundesverfassungsgericht tatsächlich durchführen wollen, ist ein Skandal. Wahl soll generell durch das Wort einiger Funktionäre ersetzt werden. Die Eliten wissen ohnehin besser, was die Wähler wirklich wollen, weswegen man sie besser gar nicht erst befragen sollte, fordert die SPD-Richterkandidatin Ann-Katrin Kaufhold. Ende der Debatte ist das Ziel der gegenwärtigen Politik. Man nennt es chic „post voting Society: Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ Wehe dem, der solche Verfassungsrichterinnen erhält.

Auf der Mikro-Ebene werden wir jeden Tag mit immer neuen Sumpfblüten wuchernden Wahns konfrontiert, die leider zunehmend gesellschaftsprägend sind. Die frühere Regierungspartei „Die Grünen“ entfesseln eine Aktion „Free Maja“, um einen brutalen Gewalttäter, der Menschen in Tötungsabsicht mit einem Hammer den Schädel einschlägt, der Bestrafung in Ungarn zu entziehen und ihn mit einem wohlwollenden deutschen Gericht baldmöglichst zu befreien. Denn natürlich folgen Gerichte und Polizei längst dem eingeschränkten Diskurs.

In Sachsen wird von Angehörigen der Antifa mit Palästina-Feudeln um Hals und Kopf eine Molkerei blockiert. Eine Molkerei? Diesmal nicht, weil der Judenstaat vernichtet, sondern weil Kuhmilch den Kälbern gehört und das „gewaltsame Melken“ unterbunden werden soll: Daher wird mit Gewalt gegen melkende Gewalttäter vorgegangen von Kindsköpfen, für die die Kuh lila ist. Der rasende Irrsinn verschiedenster, unterschiedlicher Herkünfte und Strömungen verquirlt sich zum ungenießbaren Mixgetränk; die Polizei reagiert politisch gelähmt und damit kraftlos wie schon bei Straßenklebern und anderen linksgrünen Anschlägen. Vielfach ist der Rechts- zum Linksstaat gewendet.

Aber Deutschland ist doch ein reiches Land! Die vornehmste Aufgabe der Politik scheint es zu sein, Steuergelder ins Ausland zu transferieren, oder noch besser: Migranten nach Deutschland zu locken, um sie dort lebenslang zu versorgen. Dafür wird der Zugang zum Bürgergeld auf Arabisch und Englisch in leichter Sprache weltweit als Werbeinstrument zur Anwerbung von Sozialleistungsempfängern ausgespielt. Deutschland kann sie alle retten, es müssen nur noch Beiträge und Steuern noch ein wenig und noch ein wenig erhöht werden.

Aber ist Deutschland wirklich noch so unkaputtbar reich wie ein globales Schlaraffenland? Der Ökonom Folker Hellmeyer rechnet vor, dass Deutschland allein in den vergangenen drei Jahren wirtschaftlich um 1,3 Prozent geschrumpft ist, während die Weltwirtschaft um 9,8 Prozent zugelegt hat. Deutschland fällt zurück, allein in diesen drei Jahren um 11,1 Prozent. Nimmt man die Industriestaaten als Vergleich, beträgt die deutsche Wachstumslücke satte 6,4 Prozent und selbst im Vergleich mit den EU-Partner sind es noch 3,7 Prozent. Es ist also nicht Putin, oder Corona, nicht einmal die Demographie: Es sind hausgemachtes Versagen und Rückständigkeit, Selbstgefälligkeit. Es ist der Preis dafür, dass die Realität geleugnet wird. Der wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit folgt die politische. Die USA und Russland verhandeln über einen Friedenschluss in der Ukraine und Trump erklärt dazu, dass er sich dabei weder vom Superkanzler Friedrich Merz noch von den Europäern belehren lassen will. Deutschland macht nicht mehr Politik, es wird gemacht.

Es ist nicht so, dass Politiker generell diese Entwicklung nicht sehen. Bei Wirtschaftsministerin Katherina Reiche kann man davon ausgehen, dass sie die Folgen der verkorksten Energiewende voll im Blick hat. Aber sie meint, noch auf ein Gutachten warten zu müssen, das ihr auf dem Papier bestätigt, was sich in der Praxis längst bewiesen hat. Politik führt nicht mehr. Sie passt sich geschmeidig dem an, was sie täglich in den staatsnahen Medien sieht oder in den entsprechenden Zeitungen und Magazinen liest. Journalistische Fiktion wird mit Fakten verwechselt. Wer dagegen hält, wird ausgegrenzt und im Namen „Unserer Demokratie“ zum Schweigen gebracht, jeden Tag mit neuen, noch plumperen und aggressiveren Methoden. Der Kreis schließt sich. Die im Inneren sind gefangen in ihren Phantasien; der imaginäre Kreis wird verstärkt durch die grüne Ideologie der globalen Gleichheit und globalen Klimabewegung. Auch hier haben sich Deutschland und die EU isoliert: Die USA werfen das Pariser Klimaabkommen, das in Deutschland als Wort Gottes behandelt wird, auf den Müll der Geschichte; China, ganz Afrika, Südamerika und Asien scheren sich einen Dreck darum.

Aber wagt das jemand auszusprechen? „Wir sind nicht verpflichtet, Suizid zu begehen“, sagt Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, nachdem er seinen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben hat. Er ist ein umgekehrter Friedrich Merz: Der war zur Formulierung der Wahrheit auch in der Lage – bis zu dem Tag, an dem er das Amt des Bundeskanzlers übernahm. Mit dem Amt stirbt der Verstand.

Eigentlich haben wir das alles schon durch. Eigentlich ist Deutschland schon durch zwei sozialistische Phasen gegangen, eine angeblich nationale, und eine angeblich globale. Adam Tooze behandelt in seinem epochalen Werk „The Wages of Destruction: The Making and Breaking of the Nazi Economy“ (deutsch: Ökonomie der Zerstörung) die Schuldenpolitik des Dritten Reiches sehr detailliert. Bis 1938 wurden für die Staatsverschuldung ungedeckte Mefo-Wechsel im Umfang von etwa 12 Milliarden Reichsmark ausgegeben. Das entsprach etwa der Hälfte der gesamten jährlichen Staatsausgaben zu diesem Zeitpunkt. Zwischen 1933 und 1939 stieg die öffentliche Verschuldung rasant: von rund 10 Milliarden Reichsmark (1932) auf über 40 Milliarden Reichsmark (1939). Das entsprach einer Vervierfachung in nur sechs Jahren.

2019 erzielte Deutschland einen Haushaltsüberschuss von 13 Milliarden; für 2027 ist eine zusätzliche Verschuldung von rund 180 Milliarden geplant. Der Weg scheint vorgezeichnet. Aber Deutschland ist auf eine seltsame Weise erinnerungs- und geschichtsblind. Es vertraut sozialistischen Kollektivierungsphantasien, wiederholt bis ins Detail politische Fehler der DDR etwa in der Wohnungs-, Energie- und Wirtschaftspolitik. Fest in der Logik politischer Systeme verankert werden offenkundige Fehler nicht korrigiert, sondern der Mitteleinsatz und der Druck auf Dissidenten erhöht. Eine Brandmauer haben wir schon.

Analogien sind rein zufällig; denken Sie daran: Wer sich mit dem Nibelungenlied beschäftigt, wird als rechtsextrem gebrandmarkt, wer historische Vergleiche zieht angesichts der unübertrefflichen Einzigartigkeit der aktuellen Politik, sowieso. So lernt man nie. Der Inlandsgeheimdienst pflückt Zitate und setzt ein Fetzbild zusammen, um Bürgern das passive Wahlrecht zu rauben. Deutschland hat mehrfach die Realität geleugnet – und die Realität hat gewonnen. Gegen Hitlerdeutschland wie gegen das SED/LINKE-Deutschland der Mauerbauer. Die Frage ist nur noch: Kann man das früher erkennen? Je früher, je billiger.

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