Was am Freitag auf dem Spiel steht

vor etwa 23 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Vielleicht wollte Friedrich Merz einmal CEO von BlackRock oder wenigstens Direktor der Sparkasse Hochsauerland werden, doch leider ist er nur Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland geworden. Zumindest darf er sich eines kräftigen Schulterklopfens internationaler Kreditgeber und Investmentbanker erfreuen. Einen Kredit herauszugeben für ein Programm, aus dem Firmen Aufträge bekommen, in dem die Kreditgeber Anteile halten, ist ein doppelt profitables Geschäft.

So versteht man, wenn Jamie Dimon, Chef der US-Bank JP Morgan, Merz im Interview mit dem Handelsblatt über den grünen Klee lobt: „Der Kanzler macht genau das Richtige, indem er zusammen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die militärischen Allianzen für die Zukunft stärkt.“ Klar, das Aufrüstungsprogramm wird durch Kredite ohne Limit finanziert, denn alle Rüstungsausgaben oberhalb von 1 % Verschuldung fallen künftig nicht mehr unter die Schuldenbremse des Grundgesetzes. Ein Blick auf die größten Anteilseigner von Rheinmetall sagt mehr als tausend Worte: BlackRock, Wilmington, Morgan Stanley, Goldman Sachs, Bank of America.

Unter Merz wurde aus der Schuldenbremse der Schuldenturbo. Pumpen ohne Limit. Klar, dass das Jamie Dimon von JP Morgan gefällt. So schätzt der JP Morgan-Experte David Perry, dass die anstehenden Zahlen zum zweiten Quartal bis 2030 um bis zu 21 Prozent steigen. Das Jahr 2030 werde aber noch nicht der Höhepunkt sein, vermutet er. Denn Deutschland werde mindestens ein weiteres Jahrzehnt brauchen, um seine militärischen Fähigkeiten wieder aufzubauen, zitiert Börse-online Perry. „Der JP Morgan-Experte glaubt, dass die deutschen Verteidigungsausgaben jene anderer europäischer Länder sogar übertreffen werden. In den kommenden zwölf Monaten seien potenzielle Aufträge im Wert von 70 Milliarden Euro zu erwarten. Er bezeichnete Rheinmetall vor diesem Hintergrund als Favorit unter Europas großen Rüstungsproduzenten.“

Vielleicht irrte der Virtuose der politischen Schlüssellochperspektive, Robin Alexander, sich ja. Es mag schon sein, dass Merz den Entschluss, die Schuldenbremse in einen Schuldenturbo zu verwandeln, nach der Begegnung mit einem Amerikaner fasste, nur eben nicht nach dem Treffen mit JD Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz, sondern nach dem Tête-à-Tête mit Jamie Dime im Januar in Davos. „Friedrich Merz habe ich bereits im Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos getroffen – und jetzt in Berlin“, erinnert sich Dimes. In Davos traf Friedrich Merz aber nicht nur Jamie Dime, sondern auch Larry Fink, den Chef des größten Vermögensverwalters u.a. Anteilseigner von Rheinmetall, nämlich von BlackRock.

Dass Jamie Dime den ehemaligen Goldman Sachs Banker und ehemaligen Chef der EZB, Mario Draghi, für dessen Sieg über die Unabhängigkeit der Bundesbank und für dessen Engagement für die Vergemeinschaftung der Schulden in Europa lobt, ist aus Sicht des Bankers verständlich: „Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi hat den Reformbedarf in seinem Bericht im vergangenen Jahr treffend beschrieben. Es braucht vor allem eine europäische Kapitalmarktunion und einen einheitlichen Binnenmarkt, in dem Unternehmen besser agieren können. Es ist gut, dass die EU-Staaten das nun angehen.“ Man dürfte nicht allzu erstaunt sein, wenn die Vergemeinschaftung der Einlagensicherungsfonds von deutschen Sparkassen und Volksbanken und der europäischen Schulden, was unter dem Euphemismus „europäische Kapitalmarktunion“ zu verstehen ist, unter dem früheren BlackRock-Mitarbeiter Merz kommen wird.

Bezeichnend ist, dass Dime auf die Frage nach den nötigen Reformen nicht die drängenden Bereiche Migration, Bürokratie und vor allem Energie benennt, sondern die „europäische Kapitalmarktunion“. Aus Dimes Profitinteresse ergibt sich ganz klar: „Europa sollte neben einer Kapitalmarktunion auch die Bankenunion vollenden, also eine einheitliche europäische Einlagensicherung einführen.“ Dass Dime sich seinem Unternehmen verpflichtet fühlt und nicht Deutschland, ist klar, aber wem ist Friedrich Merz verpflichtet?

Dime will viele amerikanische Firmen entdeckt haben, die nur darauf warten, in Deutschland zu investieren. Nur worauf warten sie? Auf einen Mix von Subventionen, speziellen Bürokratiereduktionen exklusiv für sie und niedrigen Energiekosten, die von steigenden Energiekosten für Mittelstand und Privathaushalte finanziert werden? Irgendwoher muss das Geld ja kommen, wenn die Energiepreise durch die Liebe zum Windrad und den Hass auf die Kernenergie nicht nur weiter steigen, sondern schließlich explodieren werden. Sicher stand im Koalitionsvertrag, dass für alle die Stromsteuer gesenkt würde, doch die Meisterschaft von Friedrich Merz besteht nicht darin, Wahlversprechen zu brechen, sondern sie in ihr Gegenteil zu verkehren.

Um es in einem Satz zu sagen: Die deutsche Wirtschaft wurde durch Merkels Wirtschaftspolitik, für die der irrlichternde Altmaier ein unübersehbares Beispiel ist, durch die Unterhöhlung der deutschen Wirtschaft durch Klimaumverteilungspolitik und Energiewende, die vor dem Crash nur mit Hilfe gerade noch so beherrschbarer Energiepreise aufgrund der Verlässlichkeit russischen Erdöls und vor allem Erdgases bewahrt werden konnte, schließlich durch Habecks Stümperei, die schon justiziabel anmutet, in die Rezession getrieben. Um Merkel zu paraphrasieren: jetzt ist sie eben da, die Krise.

Wenn Habeck der Goethesche Zauberlehrling ist, aber ohne Meister, so ist Merz nur der Goethesche Altzauberlehrling, ebenfalls ohne Meister. Keine der pompös verkündeten Maßnähmchen von Friedrich Merz leistet einen nennbaren Beitrag zur Überwindung der Krise. Habecks Wirtschaftspolitik wird von Merz in dessen Grundzügen und falscher Richtung fortgesetzt, nur mit mehr Geld, mit höherer Schuldenaufnahme. Rüstungsausgaben sind keine investiven, sondern konsumtive Ausgaben. Der Habeckschen Wirtschaftskrise wird Merz die deutsche Staatsschuldenkrise hinzufügen.

Indem Merz die Wahl von einer ultralinken und einer ultragrünen Kandidatin zu Verfassungsrichtern durchsetzen will, strebt er eine Veränderung in den Verhältnissen innerhalb des Bundesverfassungsgerichtes an. Das kann man Staatsbonapartismus nennen, wie ihn Karl Marx vor über 170 Jahren am Beispiel von Louis Bonapartes Besetzung der Institutionen durch seine Gefolgsleute beschrieb. Dass beide Juristen einer totalitären Denkschule der Juristerei anhängen, die den Staat vergöttert und dagegen die Grundrechte des Bürgers offenbar für eine quantité négligeable hält, scheint den dysfunktionalen Eliten, zu denen Merz gehört, zu gefallen, denn es geht ihnen nur um eins: um Machterhalt. Merz mag deshalb an der Wahl der beiden Staatsjuristinnen festhalten, weil mit ihnen die Möglichkeit des Verbots der AfD in greifbare Nähe rückt.

Doch wenn Merz das Verbot der Opposition durch willige Richter lancieren muss, weil er seine desaströse Politik nicht verändern kann, dann löst er damit eine Gesellschaftskrise aus. Letztlich wird er die Gesellschaft aus der Gesellschaft entfernen, sich nach Brecht ein anderes Volk wählen. Die notwendige Konsequenz dieser Politik gegen die Realität wird darin bestehen, dass nicht mehr das Volk die Regierung, sondern die Regierung das Volk wählt. In diesem Prozess des Machterhalts dysfunktionaler Eliten, die in staatsbonapartistischer Weise die Institutionen des Staates besetzen, den Verfassungsschutz, das Verfassungsgericht, andere Gerichte, Ministerien und Behörden bspw. und die Parlamente, würde durch das Verbot der Opposition, wenn die Staatsgewalt nicht mehr vom Volk, sondern von diesen Eliten ausgeht, die Institutionen des Staates ihre Legitimation verlieren und zu der Wirtschaftskrise, zu der Staatschuldenkrise, zu der Gesellschaftskrise würde sich die Verfassungskrise gesellen.

Wenn eine gewählte Regierung allerdings eine andere Politik, beispielsweise in der Migrationspolitik, vorantreibt und aktivistische Richter aufgrund von Klagen von NGOs als Judikative, die Gesetzgebung des Parlamentes, der Legislative und die Maßnahmen der auf dieser Grundlage agierenden Regierung durch richterliche Beschlüsse und Urteile verhindert und hintertreibt, wie es im Somalier-Urteil und anderen Urteilen den Anschien haben könnte, dann würde auch das zu einer Verfassungskrise führen, weil sich die geteilten Gewalten im grundsätzlichen Konflikt befänden, weil die Judikative sich über die Legislative und die Exekutive, über die Gewaltenteilung erhoben hätte, sie nicht über die Einhaltung der Gesetze mehr wacht, sondern die Gesetze im gesinnungsethischen Kurzschluss selbst bestimmt.

Mit Merkels Wirken als Kanzlerin der Postdemokratie hat sich spätestens 2015 in Politik und Medien ein Richtungswechsel vollzogen, der in Merkels Pandemiediktatur Norm wurde, weg von der liberalen, von der verantwortungsethischen, hin zur gesinnungsethischen, zu illiberalen, zur obrigkeitsstaatlichen Gesellschaft, in der die Gesellschaft aufgelöst, die res publica zu Angelegenheiten der dysfunktionalen Eliten wird, in der die Staatsgewalt immer weniger vom Volk, sondern immer mehr von der Göttin TINA (There is no alternative) ausgeht und in der nicht Skepsis und Kritik, sondern blindes Vertrauen und Gefolgschaft gilt. Die Gesellschaft zerfiele in Gruppen, die in immer stärkere Verteilungskämpfe gerieten, und zum Machterhalt würde an die Stelle der Demokratie der tiefe Staat der NGOs und der Bürgerräte treten.

Mit der Wahl am Freitag steht jeder Abgeordnete der Union vor der Entscheidung, ob er die Weichen für eine Verfassungskrise stellt oder den demokratischen Rechtsstaat stärkt. Die Verführung für die Union mag groß sein, die Opposition zu verbieten. Doch was sie verbieten würde, wäre nur ihr eigenes schlechtes Gewissen. Das Verbrechen der AfD besteht doch bei Lichte besehen eigentlich darin, dass sie die Union an jedem Tag im Parlament daran erinnert, was sie eigentlich tun müsste, wenn sie nicht vor den Grünlinken buckeln würde. Die AfD ist für die Union die Erinnerung an den Verrat der Union an ihren Wählern und an ihrer Geschichte.

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