
PMK ist die offizielle polizeiliche Abkürzung für „Politisch motivierte Kriminalität“. Das Bundeskriminalamt (BKA) erhebt diese Statistik jedes Jahr. Auf Basis dieser Zahlen hat auch der vor wenigen Tagen vorgestellte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 einen Anstieg der PMK festgestellt.
Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt von der CSU hat ein bisschen Pech mit dem Amtsantritt, denn turnusmäßig muss er in seinen allerersten Dienstwochen der Öffentlichkeit gleich zwei wichtige Statistiken präsentieren, die noch fast vollständig unter der Ägide seiner sozialdemokratischen Vorgängerin Nancy Faeser erstellt wurden: Mitte Mai die Kriminalstatistik des BKA – und jetzt eben den Verfassungsschutzbericht.
Für die methodischen Schwächen beider Berichte wird man Dobrindt erst im nächsten Jahr in Haftung nehmen können. Dann werden wir auch wissen, ob er an der kritikwürdigen Datenerhebung etwas geändert hat.
Denn Kritik ist durchaus angebracht.
Das BKA und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sehen nicht alle PMK auch als „extremistisch motivierte Straftaten“. Als „extremistisch“ definiert das BfV nur jene Delikte, „bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind“.
Die absolute Zahl sämtlicher rechtsextremistisch motivierter Straftaten wird mit 37.835 angegeben. Demgegenüber werden 5.857 linksextremistische Fälle gezählt.
Diese blanken Zahlen vermitteln oberflächlich – und vermutlich nicht ganz ungewollt – die Botschaft, dass das rechtsextremistische Spektrum in Deutschland etwa sechsmal so oft Straftaten begeht wie das linksextremistische.
Doch wie immer bei Statistiken, so liegt auch hier der Teufel im Detail.
Denn wenn man auf beiden Seiten die sogenannten Propagandadelikte sowie verbale und schriftliche Vergehen herausrechnet (also Delikte, bei denen weder die körperliche Unversehrtheit noch das Eigentum eines Menschen oder einer Menschengruppe gefährdet wurden), dann ergibt sich ein ganz anderes Bild: Plötzlich bleiben noch 3.622 rechtsextremistisch motivierte Straftaten übrig – aber 3.840 linksextremistische.
Linksextremisten werden in Deutschland also öfter gewalttätig als Rechtsextremisten. Letztere fallen besonders bei Propagandadelikten (24.177 Fälle) und bei Volksverhetzung oder Beleidigung (10.036) auf.
Für großes Stirnrunzeln bei professionellen Statistikern sorgt die Praxis des BKA, eine Tat einfach einer bestimmten politischen Richtung zuzuschreiben, wenn der Täter nicht ermittelt werden kann.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen musste nach einer Anfrage der AfD einräumen, dass die Erfassung in einem sogenannten „Phänomenbereich“ seit dem Jahr 2001 „anhand der vorhandenen Hinweise“ erfolgt: „Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.“
Oder anders: Das BKA rät, aus welcher politischen Ecke der Täter kommt.
Ein Hakenkreuz an einer Hauswand oder die schriftliche Beleidigung eines linken Politikers im Netz wird automatisch als rechtsextremistische Straftat gezählt, wenn es keine anderen Hinweise gibt. Dasselbe gilt für Gewalt gegen Juden. Selbst Markus Lanz konnte darüber in seiner ZDF-Sendung nur öffentlich den Kopf schütteln:
Kriminologen weisen wegen dieser Zählweise deshalb auch auf die wachsende Gefahr von sogenannten „False Flag“-Operationen hin: So nennt man Täuschungsmanöver, mit denen anderen Menschen oder Menschengruppen die Verantwortung für Straftaten zugeschoben werden soll.
Auch bei der Einteilung der Tatverdächtigen nach Nationalitäten gibt es eklatante methodische Schwächen. Zum Beispiel werden Menschen mit zwei Staatsbürgerschaften immer nur als Deutsche geführt. Wenn ein gebürtiger Türke von der ultranationalistischen und rassistischen türkischen Bewegung „Graue Wölfe“ in Berlin einen Juden verprügelt, dann wird das als Tat eines deutschen Rechtsextremisten gezählt – wenn der Täter irgendwann auch einen deutschen Pass bekommen hat.
Sehr grob lässt sich sagen: Rechtsextremisten neigen eher zu Körperverletzung, Linksextremisten zu Landfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Rechtsextremistische Gewalt richtet sich weit überwiegend gegen Ausländer (983 Fälle). Linksextremisten werden vor allem gegen die Polizei und Angehörige anderer Sicherheitsbehörden gewalttätig (233) – und gegen Vertreter des rechten politischen Spektrums (280).
Wenn es irgendwo aus politischen Gründen brennt, waren es sehr wahrscheinlich Linksextremisten: 33 Fällen von dieser Seite stehen lediglich drei rechtsextremistisch motivierte Brandstiftungen gegenüber. In 26 Fällen begingen Linksextremisten Landfriedensbruch auf „rechtem“ Gebiet, Rechtsextremisten umgekehrt nur dreimal. Auch bei Widerstandsdelikten (52 zu 2) und Körperverletzungen (156 zu 87) sind linke Täter fleißiger.
Gewaltbereite Rechtsextremisten finden sich, wenig überraschend, besonders häufig im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen: Dort gab es 154 Gewalttaten aus diesem Spektrum. Danach folgt Hamburg (116). Ansonsten dominieren die östlichen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern (113), Thüringen (110), Sachsen-Anhalt (99), Brandenburg (112), Sachsen (109) und Berlin (88).
Die Hauptstadt ist dafür die Hochburg linksextremistischer Gewalt mit 98 Fällen im Jahr 2024. Es folgen Sachsen (92) und NRW (85).
Mit Ausnahme von Bayern, Thüringen und Hamburg gab es in allen anderen Bundesländern eine Zunahme der linksextremistisch motivierten Gewalttaten.